Ein Kind steht mit einer Bibel in der Hand zwischen Kirchenbänken

Aufarbeitung von sexueller Gewalt im kirchlichen Kontext

Mit dem Ziel, unabhängige Aufarbeitung in den Bistümern der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), in den Ordensgemeinschaften der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK) sowie in den Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nach einheitlichen Standards und Kriterien zu unterstützen, wurde bei der UBSKM eine Arbeitsgruppe „Aufarbeitung Kirchen“ gebildet, die gemeinsam mit Vertreter:innen der Kirchen sogenannte „Gemeinsame Erklärungen“ dazu erarbeitet, wie in den einzelnen kirchlichen Strukturen aufgearbeitet werden soll.

Historie

Am 25. September 2018 stellte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) eine Studie mit dem Titel „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ vor. Im Rahmen dieser – in Kurzform nach den Ortsnamen der beteiligten Universitäten (Mannheim, Heidelberg, Gießen) benannten –„MHG-Studie“ wurden u. a. Personalakten aller 27 Bistümer in Deutschland gesichtet und ausgewertet. 

Vor dem Hintergrund dieser Veröffentlichung richtete das UBSKM-Amt unter Beteiligung von Mitgliedern der Aufarbeitungskommission und des Betroffenenrates im Dezember 2018 die Arbeitsgruppe „Aufarbeitung Kirchen“ ein. Sie entwickelte Kriterien für eine umfassende Aufklärung und eine unabhängige Aufarbeitung im kirchlichen Kontext und nahm Gespräche und Verhandlungen mit der katholischen und der evangelischen Kirche sowie den katholischen Orden auf.

Weitere Informationen zur MHG-Studie finden Sie hier:  

MHG-Studie (Deutsche Bischofskonferenz)

Wesentliche Eckpunkte einer Aufarbeitung im kirchlichen Kontext

Unabhängige Aufarbeitung braucht den externen Blick und kann nicht allein aus der Institution heraus selbst geleistet werden. Gleichzeitig funktioniert strukturelle Aufarbeitung nicht ohne die Verantwortungsübernahme und Mitwirkung der betroffenen Institution. Vor diesem Hintergrund erarbeitete die AG „Aufarbeitung Kirchen“ drei wesentliche Eckpunkte für eine erfolgreiche Aufarbeitung im kirchlichen Kontext: Unabhängigkeit, Transparenz und Betroffenenbeteiligung.

Unabhängigkeit bei der Aufarbeitung bedeutet, dass die Fragen ob, wie und durch wen aufgearbeitet wird, nicht die (alleinige) Entscheidung der Kirche sein darf. Erforderlich ist eine möglichst starke Einbindung externer Fachleute, die beispielsweise durch ihre Repräsentanz und den Vorsitz in einzurichtenden Aufarbeitungsgremien sicherstellen, dass diese keiner fachlichen Aufsicht durch die Kirche unterliegen. 

Die Transparenz soll insbesondere durch die Veröffentlichung regelmäßiger Berichte sichergestellt werden. 

Eine Aufarbeitung ohne die Beteiligung betroffener Menschen kann nicht funktionieren. Diese müssen sowohl gleichberechtigte Mitglieder der Aufarbeitungsgremien sein als auch darüber hinaus die Möglichkeit haben, sich in allen Bereichen der Aufarbeitung auf Augenhöhe einzubringen und diese mitzugestalten.

Im Dezember 2019 veröffentlichte die beim UBSKM-Amt eingerichtete Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs Empfehlungen zu Aufarbeitungsprozessen in Institutionen

Katholische Kirche – Bistümer

Am 22. Juni 2020 unterzeichneten der Unabhängige Beauftragte Johannes-Wilhelm Rörig und Bischof Dr. Stephan Ackermann, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes, eine „Gemeinsame Erklärung über verbindliche Kriterien für eine unabhängige Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche in Deutschland“. Unter Berücksichtigung der zentralen Eckpunkte Unabhängigkeit, Transparenz und Betroffenenbeteiligung sieht diese „Gemeinsame Erklärung“ die Einrichtung diözesaner Aufarbeitungskommissionen (unter Beteiligung der Landesregierungen bei der Mitgliederbenennung) sowie die Schaffung einer strukturierten Betroffenenbeteiligung, insbesondere in Form von Beiräten, vor.

Die Aufarbeitungskommissionen sind in der Gestaltung ihrer Arbeit frei und sollen einen weiteren Beitrag dazu leisten, sexuellen Missbrauch in den Diözesen quantitativ zu erheben, den Umgang mit Betroffenen und Täter:innen zu untersuchen sowie Strukturen zu identifizieren, die sexuellen Missbrauch ermöglicht oder erleichtert sowie dessen Aufdeckung erschwert haben. Sie sind zur Abgabe und Veröffentlichung eines jährlichen Berichts zum Stand der Aufarbeitung in dem jeweiligen Bistum verpflichtet. Inzwischen haben alle Bistümer mit der Umsetzung der „Gemeinsamen Erklärung“ begonnen, vielerorts haben die Kommissionen bereits ihre Arbeit aufgenommen.

Die „Gemeinsame Erklärung“ mit der DBK und weitere Informationen zu ihrer Unterzeichnung.

Eine Übersicht zum Umsetzungsstand der „Gemeinsamen Erklärung“ in den Bistümern.

Katholische Kirche – Ordensgemeinschaften

Die zwischen dem UBSKM-Amt und der DBK abgeschlossene „Gemeinsame Erklärung“ gilt nicht für die knapp 400 Ordensgemeinschaften in Deutschland, die jeweils in eigenen Strukturen agieren. Aus diesem Grund unterzeichneten Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter von 2011 - 2022, und die Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK), Schwester Dr. Katharina Kluitmann OSF, am 17. Mai 2021 die „Gemeinsame Erklärung zur verbindlichen Regelung für eine unabhängige Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Ordensgemeinschaften“. 

Die Erklärung orientiert sich in großen Teilen an der mit der DBK beschlossenen „Gemeinsamen Erklärung“, berücksichtigt jedoch die sehr unterschiedlichen Strukturen in den einzelnen Orden. Vorgesehen ist die Einrichtung eines „Ausschusses unabhängige Aufarbeitung“ auf DOK-Ebene. Dessen Aufgabe wird insbesondere das Monitoring der einzelnen Aufarbeitungsprojekte in den Orden sein. Diese sollen durch „Aufarbeitungsteams“ durchgeführt werden, bei denen es sich um beauftragte Fachinstitute oder Wissenschaftler:innen handelt. Die Teams sollen in ihrer Arbeit aktiv durch Betroffenenbeiräte begleitet werden. Die DOK strebt derzeit die Einrichtung des Ausschusses an, um mit der Aufarbeitung beginnen zu können.

Die „Gemeinsame Erklärung“ mit der DOK und weitere Informationen zu ihrer Unterzeichnung.

Evangelische Kirche

Fokus innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) war bislang die individuelle Aufarbeitung, insbesondere mit dem Ziel der Etablierung eines Verfahrens zu Anerkennungszahlungen durch die sogenannten „Anerkennungskommissionen“. Im Dezember 2020 startete außerdem ein breit angelegtes Forschungsprojekt des Forschungsverbunds ForuM (Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland), welches eine Gesamtanalyse evangelischer Strukturen und systemischer Bedingungen, die sexualisierte Gewalt begünstigen und ihre Aufarbeitung erschweren, zum Ziel hat. Die Studie besteht aus insgesamt fünf Teilprojekten und soll im Herbst 2023 abgeschlossen sein. Parallel steht die EKD in Verhandlungen mit der UBSKM und der AG „Aufarbeitung Kirchen“ über den Abschluss einer „Gemeinsamen Erklärung“ auch im Bereich der evangelischen Kirche.

Informationen zu der ForuM-Studie 

Frau sitzt vor einem Computer am Schreibtisch. Auf dem Desktop sieht man die Website www.hilfe-telefon-missbrauch.de

Hilfeangebote für Betroffene von sexualisierter Gewalt

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