PODCAST | Folge 15 | Kim Chakraborty

„Das ist ein Machtspiel - das Gegenüber zwingen, das eigene Genital anzuschauen.“

„Flirten ist was Wunderschönes – aber nur, wenn es beide wollen“. Das findet Kim Chakraborty, die den Instagram Account @antiflirting2 betreibt. Den hat sie gestartet, weil sie findet, dass viele Männer die Grenze zwischen Flirten und sexueller Belästigung absolut nicht hinbekommen.




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Kim Chakraborty [00:00:00] Das ist so lustig, dass er noch so den Gedankengang hat, "Ich habe jetzt ein Bild von meinem Geschlechtsteil gemacht und das werde ich gleich an diese Frau schicken, die ich nicht kenne. Aber vorher mach ich noch ein Schwarz-Weiß-Filter drüber. Das ist gut für die Ästhetik."

Nadia Kailouli [00:00:17] Hallo! Herzlich willkommen bei einbiszwei, dem Podcast über sexuelle Gewalt. Ich bin Nadia Kailouli und hier spreche ich mit Kinderschutz-Expertinnen und -Experten, mit Menschen, die sich gegen sexuelle Belästigung wehren und sexuell missbraucht wurden und jetzt anderen Mut machen. Hier ist einbiszwei. Damit sich was ändert. Flirten ist was wunderschönes. Aber du auch wenn es beide wollen. Das hat mir Kim Chakraborty erzählt, die gerade hier bei einbiszwei zu Gast war. Kim findet nämlich, dass viele Männer die Grenze zwischen Flirten und sexueller Belästigung absolut nicht hinbekommen. Und sie hat deswegen den Instagram Account Antiflirting gegründet, der mittlerweile fast 80.000 Follower hat. Bei Antiflirting sammelt und veröffentlicht sie in miese Postings von Männern und Frauen, die nämlich massiv belästigen. Wer möchte, kann ihr also krasse Belästigungen zuschicken und das machen wirklich gar nicht so wenige. Die Sammlung von ihr, die wächst und wächst und es geht auch um Dick Pics, Beleidigungen, Bodyshaming bis hin zu Vergewaltigungsfantasien. Kim will Frauen vor allem ermutigen, sich zu wehren. Das Gespräch zwischen uns beiden das war aber auch lustig, denn wir haben uns sehr, sehr offen darüber unterhalten, wie, ja ich sage es wie es ist, hirnlos manche Typen ihre Dick Pics ungefragt einfach so verschicken. Also viel Spaß mit dem Gespräch von Kim Chakraborty und mir bei einbiszwei. Kim Chakraborty, herzlich willkommen bei einbiszwei.

Kim Chakraborty [00:01:50] Hi.

Nadia Kailouli [00:01:50] Hi. Schön, dass du da bist. Kim, ich weiß gar nicht, wo ich mit dir anfangen soll. Weil wir haben Themen zu besprechen, die, glaube ich, fast jede Frau schon erlebt hat, oder? Also zumindest meinem Umfeld ist es so.

Kim Chakraborty [00:02:03] Wenn sie es selber nicht erlebt hat, dann kennt sie auf jeden Fall eine andere Frau, die es erlebt hat.

Nadia Kailouli [00:02:07] Genau. Wir sprechen nämlich über sexuelle Belästigung. Wir wollen aber auch über Dick Pics sprechen und wir wollen darüber sprechen, was du daraus gemacht hast. Und zwar vor allem die Plattform Antiflirting. Was ist das genau?

Kim Chakraborty [00:02:23] Genau das ist ein Instagram-Account, nennt sich Antiflirting2 und wir posten Screenshots von sexueller Belästigung im Internet, von allen möglichen Plattformen. Und die werden uns zugeschickt, wir anonymisieren sie und posten sie dann.

Nadia Kailouli [00:02:41] Antiflirting2. Wollen wir vielleicht da erstmal anfangen, warum es Antiflirting2 heißt?

Kim Chakraborty [00:02:47] Genau. Wir haben natürlich mit Antiflirting ohne eine Zahl angefangen. Und da ist der Grund, dass wir im Dezember 2019 gesperrt wurden von Instagram. Wir haben anscheinend nicht genug zensiert, so wurde mir das von Instagram erklärt. Da ist die Frage natürlich, warum werden wir gesperrt dafür, dass wir das posten, aber die Nachrichtensender:innen werden nicht gesperrt, obwohl sie das schicken? 

Nadia Kailouli [00:03:16] Ja, gute Frage. Hast du darauf eine Antwort bekommen?

Kim Chakraborty [00:03:19] Nein. Also, natürlich ist es was anderes, wenn man es öffentlich postet, als wenn man es privat in einer Nachricht schreibt. Aber da wäre auf jeden Fall Verbesserungsbedarf, würde ich mal behaupten.

Nadia Kailouli [00:03:31] Das heißt, dass ist heute dann so, bei Antiflirting2 zensiert ihr die Begriffe, die geschickt werden.

Kim Chakraborty [00:03:38] Genau. Also wir hatten natürlich die Dick Pics und generell explizite Dinge vorher schon zensiert. Anscheinend nicht genug, deswegen übertreiben wir es jetzt ein bisschen. Also wirklich jedes Wort, was irgendwie anzüglich oder beleidigend sein kann, zensieren wir einfach aus Vorsicht, damit das nicht noch mal passiert. Lieber Vorsicht als Nachsicht, würde ich sagen.

Nadia Kailouli [00:03:59] Also das ist natürlich schon absurd. Ihr wollt mit dieser Plattform Aufmerksamkeit darauf bringen, wie Menschen über Social Media Kanäle eben sexuelle Gewalt erleben, sexuelle Belästigung erleben. Und dann werdet ihr von der Plattform gesperrt, weil die das, was ihr ja zitiert, ihr gibt ja einfach nur eine Kopie davon weiter, was andere in ihrem Postfächern haben, weil das irgendwie zu krass ist. Es ist so ein bisschen auch so ein bisschen jetzt von der digitalen Welt in die reale Welt gesprochen, genauso wie wie wir damit umgehen?

Kim Chakraborty [00:04:32] Also ich denke, Instagram ist eine Plattform, auf der das am häufigsten passiert, einfach weil es eine sehr häufig genutzte Plattform ist. Und natürlich ist unsere Seite auch eine Art Kritik an Instagram und anderen Plattformen. Und vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum das nicht so gern gesehen ist.

Nadia Kailouli [00:04:53] Kim, wie seid ihr aber darauf gekommen? Ich meine, das ist ja ein wahnsinniger Aufwand, sich so viele Nachrichten durchzulesen, die dann auch noch Instagram tauglich zu machen, damit man sie veröffentlicht, eben dieses Zensieren. Wie seid ihr darauf gekommen und warum macht ihr das?

Kim Chakraborty [00:05:08] Also wir sind natürlich einfach regelmäßig damit persönlich konfrontiert, mit solchen Nachrichten und Bildern und Beleidigungen. Und wir haben darüber gesprochen und dann entschieden, wir müssen da was gegen machen, weil wir auch gesehen haben, es gibt so was im deutschsprachigen Raum noch nicht in der Form. Es war ja auch vor ein paar Jahren noch und wahrscheinlich gibt es mittlerweile auch noch andere Dinge, die ähnlich sind. Aber auch aus dem Grund, weil gerade männliche Freunde oder Bekannte wenig über das Thema wissen und manchmal so sagen, wenn man, wenn man so was aus dem Bereich sexuelle Belästigung oder sexuelle Gewalt erzählt, sind viele Männer einfach so: Was? Das passiert dir öfter? Oder zeigen halt einfach so, dass sie gar keine Idee davon haben, wie alltäglich das für uns ist. Und auch das ist ein Grund dafür, dass wir diese Seite gestartet haben, um so verschiedene Facetten von sexueller Belästigung zu zeigen, weil es halt auch nicht nur explizite Dinge sind oder sehr, sehr beleidigende Dinge sind, die man auch anzeigen kann, sondern auch einfach ein bisschen unterschwellige Sachen, die aber trotzdem belästigend sind.

Nadia Kailouli [00:06:22] Kannst du uns von deiner Sichtweise sagen, was oder wo für dich sexuelle Belästigung gerade in einem Ja, ich sag jetzt mal im Schriftverkehr anfängt?

Kim Chakraborty [00:06:33] Das ist natürlich sehr schwer zu sagen, weil die Grenze von jeder Person woanders beginnt. Ich denke, es ist dann sexuelle Belästigung, wenn eine Grenze überschritten oder eine persönliche Grenze überschritten wird. Und da ist es natürlich schwierig. Da muss man halt ein bisschen nachfühlen, was überhaupt die Grenze ist. Es gibt natürlich Menschen, die vielleicht zum Beispiel auf Tinder oder auf Instagram sogar dazu bereit sind, solche Gespräche zu führen, also vielleicht anzügliche Gespräche, aber man kann ja nicht davon ausgehen. Und deshalb müsste man eben nachfühlen, was die Grenzen überhaupt sind und vielleicht nachfragen, ob es überhaupt okay ist, was man da macht und vielleicht vor allem als fremde Person nicht davon ausgehen, dass die Grenzen weit entfernt sind, sondern eher davon ausgehen, dass die Grenzen vielleicht näher sind, als man denkt.

Nadia Kailouli [00:07:28] Ich kann mir vorstellen, dass viele sich gar nicht bewusst sind oder noch nicht bewusst waren in dem Moment, wo eigentlich die persönliche Grenze liegt. Man bekommt etwas zugeschickt, gerade so auf Dating-Portalen, aber auch über Instagram. Instagram finde ich ist mittlerweile auch so was wie eine Dating-App. Man schaut sich Fotos an und dann denkt man, nur weil man da irgendwie nettes Foto sieht, kann man dann schon mal schreiben, was ja auch in Ordnung ist. Kann ja, kann man ja machen, aber wenn man sehr reduziert wird auf Sexuelles, ist es vielleicht irgendwie nicht der beste Weg für das erste Hallo. Nichtsdestotrotz glaube ich wirklich, viele wissen das noch gar nicht so richtig. Das ist eigentlich eine Grenzüberschreitung, die gerade hier passiert. Ab wann glaubst du, ist der richtige Zeitpunkt zu sagen, nee, das finde ich nicht, das finde ich nicht gut. Vielleicht, weil man die ersten Nachrichten auch noch so akzeptiert hat.

Kim Chakraborty [00:08:16] Ich denke nicht, dass es einen richtigen Zeitpunkt dafür gibt, sondern der Zeitpunkt, der einem selber halt gut passt. Also natürlich wäre es besser so früh wie möglich, damit man sich selber auch schützt. Aber ja, ich wollte noch dazu sagen, dass du gesagt hast, man weiß gar nicht, dass es eine Grenzüberschreitung ist. Ich glaube, da spielt auch viel mit, dass man seine eigenen Grenzen gar nicht kennt. Und ich glaube, gerade bei Männern ist das so, dass diese, die bekommen halt vermittelt, dass sie sehr sexuell sein müssen. Und ich glaube dadurch  verlieren sie auch ein bisschen das Gefühl für Grenzen von anderen Personen und natürlich auch ihre eigenen Grenzen. Ich weiß nicht, ob alle oder viele Männer wissen, was ihre eigenen Grenzen sind. Finde ich das gerade okay, dass mir diese Frau so ein Bild schickt oder so was?

Nadia Kailouli [00:09:07] Interessant. Da ist ja noch ein ganz anderer Gesichtspunkt, jetzt, finde ich aber gut. Die Sicht auf die Männer, die sich vielleicht, ich will nicht sagen unter Druck gesetzt fühlen, da mithalten zu müssen. Aber doch, es gibt natürlich die Männer untereinander, wenn man ausgeht, ich habe sehr viele männliche Freunde und kriegt das auch mit, so wie sie untereinander manchmal reden, wenn es irgendwie heißt, boah dann habe ich die, guck mal, die habe ich rangenommen, dann mit der hatte ich was, boah und die wollte es richtig hart. Und manche Männer dazwischen denken sich, boah der redet ja furchtbar über Frauen. Aber der Mut, das zu sagen, fällt vielen schwer. Und dann kommt der Druck auf, naja, wenn ich da mithalten will und auch irgendwie so dieser Macker sein möchte, dann muss ich da irgendwie mitschwimmen. Das ist ja katastrophal.

Kim Chakraborty [00:09:47] Also das hat sich, glaube ich, erst im letzten oder vorletzten Jahr so ein bisschen aus der Internetkultur herausgebildet, aber es gibt Männer, die dann zum Beispiel online Frauen verteidigen und dann kommen so andere Männer und nennen die Simp. Also so, du willst, du machst das nur, um gut vor den Frauen dazustehen. Also dieses Verteidigen und auf der Seite der Frau stehen wird dann wieder in den Dreck gezogen. Und das fand ich so eine krasse Entwicklung, weil ich das Gefühl habe, dass das daraus entstanden ist, dass tatsächlich doch ein paar Männer gesagt haben, okay, ich muss jetzt eigentlich mal aufstehen und das geht so nicht weiter, dass mit Frauen so umgegangen wird. Und dann gibt es diesen Begriff, den gab es wahrscheinlich vorher auch schon, aber ich habe ihn erst so die letzten ein bis zwei Jahre wahrgenommen, Simp.

Nadia Kailouli [00:10:35] Simp, höre ich heute, ich sage es dir, das erste Mal.

Kim Chakraborty [00:10:39] Ja, das ist so ein bisschen tiefe Internetkultur. Muss man nicht mitkriegen.

Nadia Kailouli [00:10:44] Mein Gott, was es alles gibt. Hier Simp, aus dem Englischen von Simpelton, Einfaltspinsel, ist eine dem Internetslang entsprungene abwertende Bezeichnung für jemanden, der eine andere Person übermäßiges Mitgefühl und Aufmerksamkeit entgegenbringt, ohne dass dies wirklich erwidert wird.

Kim Chakraborty [00:11:03] Ich wusste auch nicht, dass das davon kommt.

Nadia Kailouli [00:11:06] Das ist ja nun, also hier ein Shoutout an alle Männer, die sich für Frauen einsetzen wollen. Für mich seid ihr keine Simps, wenn ihr es ernst meint. Also ich finde, jeder Mann, der sich dafür einsetzen möchte, dass Frauen irgendwie sexuelle Gewalt erfahren oder belästigt werden oder zu Unrecht behandelt werden und das auch öffentlich sagen wollen, bitte tut das! Wäre ja noch schöner, wenn nicht, nur weil man sagt, das meint ihr nicht ernst.

Kim Chakraborty [00:11:31] Und danke, dass ihr euch als Simps bezeichnen lasst.

Nadia Kailouli [00:11:34] Ja, genau. Ja, ich meine, ganz ehrlich, jetzt sind wir bei dem Thema. Frauen haben da schon ganz andere Sachen gehört. Aber egal. Oder lasst uns dabei bleiben, was Frauen alles hören. Was hast du denn schon gelesen bei den ganzen Nachrichten, die euch anvertraut werden? Ihr anonymisiert zwar die Leute, die euch das schicken, aber gibt es etwas, wo du wirklich gesagt hast, so das, also ich habe schon viel gelesen, aber das ist ja, da glaubst du an nichts mehr.

Kim Chakraborty [00:12:04] Also das schlimmste sind natürlich so Mord- und Vergewaltigungs-Androhungen. Das ist einfach das Schlimmste und das letzte, was ein Mensch sagen kann. Vor allem bei fremden Menschen, wenn man vielleicht eine Abfuhr bekommt und dann kriegt man direkt eine Vergewaltigungs-Androhung, das ist echt schrecklich. Aber was ich auch besonders schlimm fand, sind Screenshots von jungen Menschen, Jugendlichen oder Kindern, die vielleicht von Vertrauenspersonen sexuelle Belästigung erfahren. Habe ich auch gelesen und das war einfach heftig, weil wir natürlich auch nicht wirklich irgendwas machen können. Natürlich können wir dem Kind Tipps geben und Anlaufstellen und ja, aber so richtig was machen kann man halt nicht. Aber es ist schon mal ein guter Schritt, dass das Kind sich anvertraut hat.

Nadia Kailouli [00:12:55] Ja, ich finde das sehr wichtig, dass du es gerade erwähnst, weil du bist keine Anlaufstelle, du bist keine Therapeutin, du bist keine Hilfsorganisation, sondern du bist einfach eine Plattform auf Instagram, die sichtbar machen will, was eigentlich falsch läuft. Eben in vielen Chatverläufen oder in Nachrichten,  die man so bekommt. Und deswegen finde ich das krass, dass du das alles ja machst und will vor allem jetzt auch von dir wissen, weil ich meine, durch den Podcast habe ich auch schon mit vielen Leuten gesprochen, wo ich mir gedacht, puh, ich muss jetzt auch erst mal zur Ruhe kommen, das verdauen, weil das sind natürlich sehr, sehr heftige Geschichten. Und die, die du gerade geschildert hast, sind auch schwere Geschichten, die wichtig sind, dass sie an die Öffentlichkeit kommen. Aber wie verarbeitest du das?

Kim Chakraborty [00:13:45] Schwierig. Also, wie du sagst, es ist ein heftiges Thema und vor allem man ist ja selber, man ist ja persönlich damit konfrontiert. Manchmal öfter, manchmal weniger oft. Aber trotzdem immer irgendwie. Und dann auch noch so damit konfrontiert zu sein, wie viele andere Menschen damit konfrontiert sind, ist schon heftig. Also es ist irgendwie so auch ein bisschen das Gefühl von so viele Menschen. Und es gibt nicht so einen richtigen Lösungspunkt. Also man sieht ja nicht irgendwie es wird besser oder so. Also man hat jedenfalls nicht das Gefühl, wenn man mittendrin steckt. Es kann natürlich sein, dass es ein bisschen besser wird, aber ich habe eben nicht das Gefühl. Und das ist dann schon irgendwie auch ein Gefühl von Machtlosigkeit. Aber dann ist halt so eine Plattform wie Antiflirting auch wieder so ein Zurücknehmen der Macht, wenn man liest oder weiß, wie viele Menschen belästigt werden, aber dann sieht, wie sich diese Community bildet und wie viele Menschen zusammenhalten bei diesem Thema.

Nadia Kailouli [00:14:56] Ja, an dieser Stelle ist mir ganz wichtig zu sagen, dass, wenn wir jetzt Zuhörer:innen haben, die das Gefühl haben, ohmann aber ich brauche mehr, als euch beiden jetzt zuzuhören. Wir haben auf jeden Fall Anlaufstellen, die wir euch weiterempfehlen können und wenn ihr da das Bedürfnis habt, dann guckt in unsere Shownotes oder schreibt uns einfach an, da geben wir gerne Unterstützung, wo ihr euch hinwenden könnt, wo professionelle Menschen euch eurer Geschichte dann noch annehmen können. Kim, eure Plattform Antiflirting, ich dachte eigentlich Antiflirting, das ist irgendwie so, hach, eigentlich kein Wort, was ich so, was ich so für mich so hochhalten möchte, weil ich liebe es zu flirten, flirten ist so was schönes. Warum Antiflirting?

Kim Chakraborty [00:15:37] Sehe ich ganz genauso. Flirten ist was wunderschönes, aber nur, wenn es beide wollen. Und Antiflirting ist das Gegenteil von flirten. Also Antiflirting, nicht gegen das flirten. Und das war eigentlich, also es war uns wichtig hervorzuheben, dass selbst wenn es flirty gemeint ist, von einer Person gar nicht flirty ist, wenn die andere Person das gar nicht möchte. Und deswegen das Gegenteil von flirten.

Nadia Kailouli [00:16:07] Bist du heute in der Lage, Tipps zu geben, wie man richtig antwortet oder ist der beste Tipp gar nicht antworten?

Kim Chakraborty [00:16:13] Ich finde gar nicht, dass es irgendwie eine richtige Antwort gibt, sondern man muss total schauen, was einem selber hilft. Und das ändert sich bei mir von Tag zu Tag auch. Manchmal habe ich Lust so richtig zu kontern, zum Beispiel Dick Pics in Deutschland kann man ja auch anzeigen. Manchmal habe ich Lust darauf, manchmal habe ich keine Lust darauf, weil das ja auch ein bisschen Zeit in Anspruch nimmt. Manchmal macht es mir total Spaß, dann so die Anzeige zu schwärzen und dem Menschen, der mir das Dick Pic geschickt hat, die Anzeige zu zeigen und so zu schreiben: Anzeige ist raus. Das macht mir manchmal Spaß und manchmal habe ich keine Lust darauf, darauf zu reagieren. Manchmal hilft einfach blockieren. Manchmal hilft einem selber vielleicht an den Menschenverstand zu appellieren. Aber ich glaube, da muss man immer für sich selber schauen, was da einem am besten hilft und was einem sinnvoll vorkommt.

Nadia Kailouli [00:17:04] Du hast das großartige Wort unserer Zeit angesprochen: Dick Pics, ja, das ist aber leider kein Wort, was wir hochhalten und hoch feiern wollen. Ich übersetze das mal, das sind Penis-Bilder und Frauen oder auch Männer, die in Social Media aktiv sind oder überhaupt eine Emailadresse irgendwo öffentlich haben, haben vielleicht schon die Erfahrung gemacht, dass sie so ein Penis-Bild zugeschickt bekommen haben. Und du hast es eben schon angesprochen. Ja, es ist nämlich auch strafbar. Es ist nämlich das Versenden von pornografischen Inhalten, ohne dass dein Gegenüber davon eigentlich oder eine Zustimmung gegeben hat. Hast du für uns die Antwort, weil ich suche diese Antwort seit Jahren. Warum verschickt man eigentlich ein Dick Pic?

Kim Chakraborty [00:17:47] Also ich bin natürlich keine Psychologin, habe keine psychologische Ausbildung, aber meiner Meinung nach ist da ein Machtspiel dahinter, dass man einfach das Gegenüber zwingen möchte, sein Genital anzuschauen. Und es gibt natürlich auch Flasher im echten Leben, also Menschen, die den Mantel aufmachen und nichts drunter haben. Und ich finde, das ist gut vergleichbar tatsächlich, obwohl es doch eine andere Ebene ist. Natürlich ist ein Bild machen und jemandem schicken eine niedrigere Hemmschwelle als nackt mit einem Mantel drüber rausgehen und ihn aufmachen. Aber im Prinzip finde ich es eigentlich das gleiche Prinzip. Also dass man eben jemanden zwingen möchte und sich dadurch erheben möchte.

Nadia Kailouli [00:18:38] Ich finde, als du gerade diese Mantel-Nummer angesprochen hast. Mir ist es tatsächlich einmal in Berlin passiert, dass ich morgens um viertel nach sieben in die Arbeit gelaufen bin, an einem Park vorbei am Lietzensee und da stand tatsächlich ein Mann, der sich, der onaniert hat. Und ich fand das wirklich so traumatisierend. Es war eine der schlimmsten Erfahrungen, die ich je gemacht habe. Und ich bin eine erwachsene Frau. Mir haben die Beine gezittert. Ich kann dir diesen Menschen immer noch heute eins zu eins so beschreiben, wie der aussah. Und ich hätte nie gedacht, dass mich das einmal so umhauen würde, weil eben, ich bin eine erwachsene Frau, ich habe schon Penisse in meinem Leben gesehen. Aber dass man so ungefragt in eine Situation kommt, einen Menschen nackt zu sehen, der sich an seinem Penis reibt, fand ich wirklich die schlimmste Erfahrung der letzten Jahre für mich. Und ich habe mich wirklich gefragt, ich habe auch sogar bei der Polizei angerufen, aber man konnte nichts, man kann ja nichts machen. Ja, das wollte ich, glaube ich einfach mal erzählen, weil es mir gerade wieder so in die Erinnerung kommt. Da sieht man mal, da unterhalte ich mich mit Kim und dann kommt dieses schreckliche Bild zurück, furchtbar. Ich habe ein Interview mit dir und Antonia Quell gelesen. Bei Zeit Campus war das. Antonia Quell war auch schon bei uns zu Gast und ihr wurdet ausführlich zu dem Phänomen Dick Pics gefragt. Was ist denn die größte Erkenntnis jetzt für dich, abgesehen von dem, dass das Menschen oder vor allem Männer eben so eine Art von Macht ausdrücken wollen? Ich zwinge dich jetzt dazu, meinen mein Penis zu sehen. Was es sonst zu eurer Erkenntnis, als ihr euch so intensiv mit Dick Pics auseinandergesetzt habt?

Kim Chakraborty [00:20:20] Also ich bin mir sicher, dass viele der Nachrichten nicht mit einer schlechten Intention entstanden sind an sich, also zum Beispiel Sexualisierung und so, einfach wie ich schon vorhin gesagt habe, weil es Männer gibt, die gar nicht verstehen, dass das übergriffig ist. Aber bei Dick Pics bin ich mir zu 100 % sicher, dass niemand allen Ernstes denkt, dass das irgendwie okay wäre, sein Genital an eine fremde oder auch nicht fremde Person ohne Einverständnis zu schicken. Das kann ich mir einfach beim besten Willen nicht vorstellen. Und bei verschiedenen Nachrichten kann ich mir das schon vorstellen, was es natürlich nicht besser macht, weil die Intention soll nie über dem Gefühl der empfangenden Person stehen.

Nadia Kailouli [00:21:03] Ja, und dazu muss man sagen, wir Frauen sind ja nun nicht prüde. Ja, wir gucken auch Pornos, wir befriedigen uns auch selber und und und. Aber mir ist auch noch keine von denen, die es mir bisher erzählt haben, bekannt, die gesagt hat, das hat mich wahnsinnig heiß gemacht, dieses Bild.

Kim Chakraborty [00:21:19] Ich glaube, das ist wieder dieses Ding von dem, was ich vorhin erwähnt habe, dass Männer oft das Gefühl haben, dass sie sehr sexuell sein müssen. Man kann doch nicht immer Bock haben, einen fremden Schwanz zu sehen. Also, das ist doch nicht möglich, oder? Ich weiß nicht, ob ich mir einfach, ob ich eine zu geringe Libido habe, um mir das vorzustellen.

Nadia Kailouli [00:21:39] Nein. also darüber möchte ich mir jetzt kein Urteil erlauben. Nein, aber ich frage es mich auch, ja, vor allem, also, ich hatte mal ein Dick Pic zugeschickt bekommen und der war schwarz-weiß. Und da dachte ich so, also sorry, aber wenn du selbst noch vorher ein Schwarz-Weiß-Filter draufmachen musst, dann kann der ja in natura ich weiß ich schöner, schlechter, ich weiß nicht, was auch immer. Aber ich habe mich dann eher mit der Frage auseinandergesetzt, warum legen Männer oder dieser Mann einen Filter auf sein Penis?

Kim Chakraborty [00:22:10] Das ist so lustig, dass er noch so den Gedankengang hat. "Ich habe jetzt ein Bild von meinem Geschlechtsteil gemacht und das werde ich gleich an diese Frau schicken, die ich nicht kenne. Aber vorher mache ich noch ein Schwarz-Weiß-Filter drüber. Das ist gut für die Ästhetik."

Nadia Kailouli [00:22:25] Das ist dann wieder das Insta-Tool, ohne Filter geht da gar nichts. Aber weißt du, ich dachte vielleicht, es es gibt ja auch dieses Phänomen, das von Kindheitsater, irgendwie Jungs sich ja ganz anders mit ihrem Geschlechtsteil auseinandersetzen als als Mädchen. Ich hatte da auch mal mit einer Sexualtherapeutin drüber gesprochen, wie wichtig es eigentlich ist, auch Mädchen dafür zu sensibilisieren mit ihrem Geschlecht und so, aber dennoch, ich kenne heute keine Frau, das ist mir zum Beispiel nicht begegnet, aber deswegen freue ich mich so auf deine Antwort, wie es bei dir ist, die ihre Vagina fotografiert und die raus schickt. Ist dir das auch schon vorgekommen im Laufe der Zeit, wo du jetzt Antiflirting machst?

Kim Chakraborty [00:23:10] Wir kriegen oft sehr explizite Bilder unzensiert geschickt und dann sehe ich genau, welches Geschlechtsteil fotografiert wurde. Da habe ich tatsächlich noch nie eine Vulva gesehen. Allerdings habe ich einmal von einem Bekannten gehört, der einen Vulva Pic bekommen hat, oder Clit Pic sagt man ja auch. Und der hat dann zum Beispiel gesagt, er war sich nicht sicher, ob er das jetzt wollte und ob das okay war. Und das fand ich sehr aufschlussreich auch, dass er sich da nicht sicher war, weil für mich ist das ganz klar, wenn ich, egal welches Geschlechtsteil geschickt bekomme gegen meinen Willen, bin ich nicht begeistert. Also ich glaube, es gibt Frauen, aber es gibt nicht viele Frauen tatsächlich.

Nadia Kailouli [00:23:54] Ich glaube, es gibt wahrscheinlich alles. Nur wir wissen nicht von allem Bescheid. Vor allem nicht in dieser Ausführlichkeit, wie wir wissen, dass es auf jeden Fall eine Masse von Männern gibt, ich glaube, das kann man sagen, die Dick Pics schon verschickt haben oder zumindest verschicken wollen. Und an dieser Stelle sei gesagt, lasst es, wir wollen sie nämlich nicht. Und damit spreche ich, glaube ich, nicht nur für mich.

Kim Chakraborty [00:24:17] Letztens habe ich ein Dic Pic geschickt bekommen, auf Instagram war das. Und mir war es dann zu bunt. Ich war zwar unterwegs, aber ich war dann so, ja, ich zeige das jetzt an. Ich wohne eigentlich in Österreich, wo es nicht strafbar ist, aber ich bin Deutsche und habe noch eine Meldeadresse in Deutschland. Dadurch war es möglich, dass ich das bei Dicstinction anzeige, das Dic Pic. Da kann man so, das ist so ein Formular, das man ausfüllen kann, dann wird alles so eingefügt in einen Brief an die Staatsanwaltschaft. Und dann habe ich den angezeigt und habe ihm diesen Brief geschwärzt geschickt, dass er weiß, Anzeige ist raus. Dann hat er gesagt, ich zeig dich auch an. Und da habe ich so gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, dass du zur Polizei gehst und sagst, ich habe meinen hässlichen Schwanz an eine fremde Frau im Internet verschickt. Und seine einzige Reaktion darauf war: "Hässlicher Schwanz. Was meinst du?" Er war gar nicht interessiert, dass ich ihn angezeigt habe. Er war nur beleidigt, dass ich seinen Schwanz hässlich genannt habe. Also, das ist auch finde ich ein guter Einblick, was da überhaupt für Intentionen dahinter stecken. Weil ihn interessieren die Konsequenzen anscheinend gar nicht. Er will nur, dass ich sein Schwanz gut finde.

Nadia Kailouli [00:25:30] Mann ey, das macht mich fast schon traurig. Weil, also ich will jetzt niemanden in Schutz nehmen, der Penis-Bilder verschickt oder oder Frauen droht oder belästigt, überhaupt nicht, aber ich habe das auch oft schon einfach erlebt, und jetzt reden wir vielleicht ein bisschen zu viel über Penisse, aber wie Männer gegenseitig sich sagen: Oh Gott, bin ich froh, dass ich nicht so ein Kleinen habe. Oh Gott, bin ich froh, dass meiner nicht so schlaff ist. Oh Gott, bin ich froh, das. Wie furchtbar! Und dann muss ich aber auch sagen, habe ich oft genug auch Gespräche mit Frauen geführt, die genau das Gleiche sagen.

Kim Chakraborty [00:26:02] Achso, ja, genau. Absolut.

Nadia Kailouli [00:26:04] Zum Glück. Und wie groß ist er, oder? Und wie lange kann er oder was auch immer? Also diese dieses Penis reduzieren ist auch wirklich ein Problem.

Kim Chakraborty [00:26:13] Das ist auch ein weiteres Zeichen dafür, dass das Patriarchat auch Männern schadet, weil es gibt halt einfach ein gewisses Bild, das auch sie erfüllen müssen. Natürlich schadet es uns als Frauen viel mehr, aber es schadet ihnen auch.

Nadia Kailouli [00:26:28] Sehr gut gesagt. Was sind so deine Erkenntnisse der letzten Jahre? Ich meine, ihr habt mittlerweile über 80.000 Follower, glaube ich. Bei Antiflirting2 muss man dazu sagen. Was ist so deine Erkenntnis? Was was nimmst du für dich mit aus der Zeit bisher?

Kim Chakraborty [00:26:47] Meine wichtigste Erkenntnis war, dass ich meine eigenen Grenzen überhaupt mal viel besser kennengelernt habe, weil mir auch bewusst geworden ist, dass ich eigentlich selber gar nicht weiß oder selber nicht festgesteckt habe, was meine Grenzen sind. Und dann dachte ich mir. Ich glaube, es wäre so hilfreich für alle Menschen, wirklich alle Beteiligten in dieser Situation, ob Täter:in oder Geschädigter oder Geschädigte, seine eigenen Grenzen überhaupt mal besser kennenzulernen, weil man dadurch ein viel besseres Verständnis hat, was die Grenzen von anderen sind. Ich habe auch bei mir gemerkt, dass ich andere Grenzen viel besser respektieren kann, obwohl ich sie nicht mal kenne, weil ich einfach nicht davon ausgehen, dass sie nicht existieren oder dass sie sehr weit sind. Und es ist wahrscheinlich sehr utopisch, aber ich glaube, das Beste, was ich mir vorstellen könnte, wäre ein Schulfach oder eine AG oder was auch immer das ist, mit dem Namen "Grenzen kennenlernen" oder so. Das fände ich so schön, wenn man irgendwann Kinder nicht nur sexuell natürlich, sondern generell ihre eigenen Grenzen kennenlernen. Zum Beispiel, mag ich das jetzt, wenn der Onkel mich umarmt? Mag ich das, wenn man meine Haare einfach anfasst? Und ich glaube, wenn man von klein auf seine Grenzen schon kennenlernt und weiß, was für Grenzen es überhaupt gibt und dass Menschen, alle Menschen, verschiedene Grenzen haben, könnte das so viel besser alles laufen.

Nadia Kailouli [00:28:20] Es ist interessant, was du sagst mit diesen eigenen Grenzen, sich von niemandem aufdiktieren lassen, das ist doch normal, stell dich nicht so an. Sondern jeder darf für sich selbst entscheiden, das mag ich, das mag ich nicht. Und wenn man merkt, das mag ich nicht, dass man das dann auch ganz klar kommuniziert. Egal welches Geschlecht und egal wie alt man ist. Bekommst du Anfeindungen, weil du dich so engagierst?

Kim Chakraborty [00:28:44] Auf Antiflirting selber eher weniger. Wir haben auch die Kommentare limitiert, auf nur Leute, die uns folgen. Einmal, um das ein bisschen zu umgehen. Aber wenn es so Sachen wie YouTube-Videos sind, wo wir interviewt werden, dann öffne ich die Kommentare eher selten, weil es dann doch Menschen sind, die von dem Thema gar nichts halten. Und sobald eine Frau spricht, ist das auch nichts mehr wert, was sie sagt.

Nadia Kailouli [00:29:20] Oh Gott, was für ein harter Satz. Aber leider muss man sagen, den glaube ich dir, so wie du ihn gesagt hast, weil ich kenne YouTube und da gibt es wirklich keine Grenzen in der Diskriminierung von auch Frauen.

Kim Chakraborty [00:29:31] Man wird auch sexualisiert, obwohl man über dieses Thema spricht. Das ist wirklich heftig, was da in den Weiten des anonymen Internets passieren kann.

Nadia Kailouli [00:29:42] Kim, du bist eine junge Frau und ich finde das beeindruckend, dass du dich so engagierst. Wo willst du damit hin? Also ich frag mich so, was macht man, wenn man so mit Anfang 20 so eine Plattform gegründet hat, sich so intensiv mit sexueller Belästigung gerade in diesen, ich weiß nicht, ob wir das heute noch so sagen können, neuen Medien sind sie ja irgendwie noch,  beschäftigt. Was nimmst du für dich mit auf deinen Weg? Was, wenn ich das jetzt so plump fragen darf, was willst du damit werden?

Kim Chakraborty [00:30:10] Also ich freue mich immer, wenn ich so Sachen wie diesen Podcast machen kann und darüber sprechen kann und vielleicht Menschen das eine oder andere neue lernen, was ich die letzten Jahre mitgenommen habe. Und ich freue mich natürlich auch, wenn sich etwas ändert. Selbst wenn es kleine Dinge sind. Wenn es kleine Regeländerungen auf Dating-Apps oder Instagram sind, freue ich mich einfach, wenn ich einen winzigen Teil dazu beitragen kann, auch wenn ich nicht die Person bin, die das dann letztendlich ändert. Aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich einen kleinen Teil dazu tue und das gibt mir ein gutes Gefühl und das löst auch egoistischer Weise meine eigene Machtlosigkeit, weil ich bin natürlich auch persönlich betroffen davon. Und wenn man, wenn ich nichts mache, habe ich manchmal das Gefühl, es wird sich nichts ändern und ich werde für immer in diesem System gefangen sein, wo es niemanden interessiert, wenn ich belästigt werde. Aber mir hilft es einfach aufzustehen und laut zu sein. Und wie ich gesagt habe, jeder Mensch braucht irgendwie seine eigene Umgangsweise.

Nadia Kailouli [00:31:20] Kim, ich finde es super, dass du uns einen Einblick reingebracht hast, in Antiflirting2 und dass wir so offen über das Thema Dick Pics und warum wir sie nicht wollen gesprochen haben. Vielen Dank, dass du heute bei einbiszwei warst.

Kim Chakraborty [00:31:33] Ich danke dir.

Nadia Kailouli [00:31:38] Was für eine Frau, Kim Chakraborty. Das muss man sich mal vorstellen. Die hat sich das einfach mit einer Freundin zur Aufgabe gemacht, diese Plattform zu gründen. Antiflirting, mittlerweile ja Antiflirting2, um Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, wie viel sexuelle Belästigung eigentlich in so Chatverläufen vorkommen. Das finde ich großartig. Und am meisten hängengeblieben ist mir tatsächlich irgendwie ja Ihr Appell mit der Hoffnung, dass sich was verändert. Vor allem auch, wie Dating-Plattformen aufgestellt werden. Ich meine, wir haben so viele Millionen Singles allein in Deutschland und man kann sich vorstellen, wie viel sexuelle Belästigung eben auf diesen Plattformen läuft, unter anderem auch. Und wenn es da irgendwie so neue Regularien geben würde, glaube ich, ist schon viel gewonnen. Ansonsten haben wir ja wirklich sehr, sehr viel über diese sogenannten tollen Dick Pics gesprochen und da muss ich noch mal sagen, hier ein Shoutout an alle Männer, die meinen, sie haben einen wundervollen Penis, das könnt ihr auch gerne so für euch feiern. Aber wenn ihr überhaupt ein Foto macht, nur für euch und teilt sie nicht mit uns, danke. 

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Fast 80.000 Follower:innen hat Kim mittlerweile, die ihr jede Menge Screenshots schicken, die immer wieder auf´s Neue beweisen: Es gibt Männer, die es einfach nicht können. Bei Antiflirting sammelt und veröffentlicht Kim miese Postings von Männern, die Frauen massiv belästigen und derbe Beleidigungen schicken – und das machen wirklich gar nicht wenige. Die Sammlung wächst und wächst  - Dickpics, Bodyshaming, Vergewaltigungsfantasien – es ist alles dabei. Kim will Frauen vor allem ermutigen, sich zu wehren – und bspw. Dickpic-Versender anzuzeigen. 

Denn über 40 Prozent der Frauen zwischen 18 und 36 geben an, bereits ungefragt ein Penisbild bekommen zu haben. Die häufigste Reaktion: ignorieren, Absender blockieren und versuchen, zu vergessen. Aber so leicht ist das mit dem Verdrängen eines unerwünschten Penisbildes nicht. Vor allem, wenn die Pics Frauen erreichen, die bereits schlimme Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt machen mussten. In diesen Fällen können Dickpics alte Traumata hervorrufen. 

Viel zu oft entscheiden sich die betroffene Frauen gegen eine Anzeige. Zu klein ist die Chance, dass der Absender entlarvt wird, zu groß die Scham. Dabei zählt das Versenden von Dickpics zur “Verbreitung pornographischer Schriften” und ist laut Paragraph 184 des Strafgesetzbuches eine Straftat.

Dafür, dass Männer überhaupt auf die Idee kommen, Fotos des Genitals zu versenden, hat Kim eine Erklärung:  “Ich glaube, viele Männern bekommen vermittelt, dass sie sehr sexuell sein müssen. Dadurch verlieren Sie das Gefühl für Grenzen von anderen Personen,” sagt sie.

Mehr Informationen und Hilfe-Angebote findet ihr hier:

Kims Instagram-Account “Antiflirting2” gibt es hier: https://www.instagram.com/antiflirting2/ 

Hier können unverlangt zugesandte dickpics angezeigt werden: https://dickstinction.com/

Hilfe bei sexueller Belästigung findet ihr hier:

Hilfetelefon sexueller Missbrauch

An die Nummer 0800 22 55 530 können sich alle wenden, denen es nicht gut geht und die zuhause Probleme haben. Montags, Mittwochs und Freitags von 9-14 Uhr und Dienstags und Donnerstags von 15-20 Uhr kann telefonisch Hilfe geholt werden. Die berater:innen hören zu, beraten dich und sagen dir, wo du Hilfe in deiner Nähe findest. www.hilfe-portal-missbrauch.de/hilfe-telefon

Juuport.de

Hast du im Internet etwas bemerkt, was dir Bauchschmerzen bereitet? Hast du Cybermobbing erfahren oder hat sich dir jemand im Internet auf unangemessene Weise genährt? Auf www.juuuport.de kannst du deine Fragen dazu anonym stellen. Andere Jugendliche antworten und helfen dir kostenlos! www.juuport.de

Nummer gegen Kummer

Wenn es dir nicht gut geht und du Sorgen und Probleme hast, kannst du unter der Nummer gegen Kummer 116 111 anrufen. Es gibt auch einen Chat. www.nummergegenkummer.de

Jugendberatung

Hast du Streit mit deinen Eltern oder Freund*innen oder Ärger in der Schule? Hast du ein Geheimnis, das du niemandem anvertrauen willst? Brauchst du Hilfe und jemanden zum Reden? Hier kannst du kostenlos mit anderen Jugendlichen und erfahrenen Berater*innen chatten. www.jugend.bke-beratung.de  

Jugendnotmail

Du bist nicht älter als 19? Bei Problemen oder Fragen kannst du dich jederzeit an Jugendnotmail wenden. Diskutiere mit anderen Jugendlichen im Chat oder schreibe eine private kostenlose Nachricht an die Berater*innen. Jede Notmail wird beantwortet und du wirst ernst genommen. Melde dich unter www.jugendnotmail.de 

JMD4you

Du lebst noch nicht lange in Deutschland und hast ein Problem? Hier kannst du Menschen schreiben, die Lösungen für dein Problem finden können. https://beratung.jugendmigrationsdienste.de/website 

einbiszwei – der Podcast über sexuelle Gewalt

einbiszwei ist der Podcast über Sexismus, sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt. einbiszwei? Ja genau – statistisch gesehen gibt es in jeder Schulklasse in Deutschland ein bis zwei Kinder, die sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Eine unglaublich hohe Zahl also. Bei einbiszwei spricht Gastgeberin Nadia Kailouli mit Kinderschutzexpert:innen, Fahnder:innen, Journalist:innen oder Menschen, die selbst betroffen sind, über persönliche Geschichten und darüber, was getan werden muss damit sich was ändert. Jeden Freitag eine neue Folge einbiszwei – überall, wo es Podcasts gibt. Schön, dass du uns zuhörst.

Wenn Sie Fragen oder Ideen zu einbiszwei haben:

presse@ubskm.bund.de

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