Auf internationaler Ebene gibt es rechtlich bindende Übereinkommen, Richtlinien und internationale Strategien, die die Rechte von Kindern stärken und den Schutz vor sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen sowie Hilfe und Unterstützung regeln. Dazu gehören völkerrechtliche Verträge wie die UN-Kinderrechtskonvention, Abkommen des Europarats wie die Lanzarote-Konvention oder europäische Richtlinien wie die EU-Missbrauchsrichtlinie, die in deutsches Recht umgesetzt werden müssen.
Die Vereinten Nationen und die Kinderrechte
Eines der wichtigsten internationalen Abkommen stellt die im Jahr 1989 verabschiedete und 1992 von Deutschland ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) dar. Die Kinderrechtskonvention erkennt Kinder und Jugendliche als eigene Rechtssubjekte an. Die Kinderrechte werden in Schutz-, Förderungs- und Beteiligungsrechte gruppiert.
Für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt sind vor allem die Artikel 19 und 34 bedeutsam. Artikel 19 regelt die Verpflichtung der Staaten, Kinder vor jeglicher Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, zu schützen. In Artikel 34 der UN-KRK verpflichten sich die Staaten explizit, Kinder vor allen Formen sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs zu schützen. Mittlerweile wurde die Kinderrechtskonvention durch drei Zusatzprotokolle erweitert. Im zweiten Zusatzprotokoll sind weitere Rechte von Kindern geregelt, die den Verkauf von Kindern, Kinderprostitution und Missbrauchsdarstellungen, sogenannte Kinderpornografie, betreffen.
Alle fünf Jahre müssen die Vertragsstaaten dem UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes über die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention im eigenen Land Bericht erstatten. 2019 hat Deutschland den 5./6. Staatenbericht zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention eingereicht. Die abschließenden Bemerkungen des UN-Ausschusses werden für das Jahr 2022 erwartet.
Geschichte der Kinderrechte
Einigkeit darüber, dass Kinder eigene Subjekte mit eigenen Rechten sind, herrscht erst seit dem 20. Jahrhundert. Davor wurden Kinder bis zum Erreichen der Volljährigkeit als Besitz der Eltern angesehen. Erst während der Industrialisierung und durch die Einführung der Schulpflicht gerieten Kinder als Rechtssubjekte in den Fokus der Gesellschaft. Die Kinderrechtsbewegung nahm mit der Britin Eglantyne Jebb, Gründerin des Save the Children Fund, ihren Anfang.
Der Völkerbund nahm die von Eglantyne Jebb formulierte Erklärung der Kinderrechte 1924 in die „Genfer Erklärung“ auf. Ihre Grundsätze sind die Basis der 1989 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten UN-Kinderrechtskonvention.
Die Kinderrechte für Kinder erklärt
Tag der Kinderrechte
Jährlich am 20. November feiern Deutschland, die Vereinten Nationen und viele weitere Staaten den Internationalen Tag der Kinderrechte. Mit Festen, Aktionen und Demonstrationen soll die Öffentlichkeit auf die Themen Kinderschutz und Kinderrechte aufmerksam gemacht werden. Das Datum ist der Jahrestag der Verabschiedung der Kinderrechtskonvention durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. November 1989. Einige Staaten haben einen anderen Tag als Kindertag festgelegt. Deutschland feiert den 20. September als Weltkindertag.Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland
Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) im Jahr 1992 ratifiziert. Seit 2010 gilt diese vorbehaltlos für alle Kinder in Deutschland. Gemäß Art. 4 der UN-KRK ist Deutschland dazu verpflichtet, die Vorgaben der Kinderrechtskonvention in nationales Recht umzusetzen. Derzeit haben die Kinderrechte den Rang eines einfachen Gesetzes und sind trotz zahlreicher Versuche und Bekenntnisse nicht im Grundgesetz verankert. Dennoch sind die Rechte von Kindern in einzelnen Gesetzen festgeschrieben, etwa in 15 von 16 Verfassungen der Bundesländer, im Strafgesetzbuch, im Bürgerlichen Gesetzbuch oder im achten Buch des Sozialgesetzbuch (SGB VIII).
Nach Art. 3 der UN-KRK ist Deutschland dazu verpflichtet, das Kindeswohl bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, als einen vorrangigen Gesichtspunkt zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass bei allen Entscheidungen von Verwaltungsbehörden, Gerichten oder anderen staatlichen Institutionen dieses Grundprinzip der UN-KRK stets angewandt werden muss. Geschützt werden soll das körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes mit dem Ziel, dass sich das Kind zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln kann. Nach Art. 12 der UN-KRK ist zudem der Wille des Kindes bei allen das Kind betreffenden Angelegenheiten zu berücksichtigen.
Die Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention
Um die Umsetzung und Wirksamkeit der Kinderrechtskonvention zu beobachten und zu überwachen, wurde 2015 beim Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) eine Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention eingerichtet. Die Aufgabe der Monitoring-Stelle ist insbesondere, den Umsetzungsstand der Kinderrechtskonvention in Deutschland zu untersuchen, den Zugang zu Informationen über Kinderrechte zu erleichtern, Probleme bei der Umsetzung von Kinderrechten zu ermitteln und die Politik bei ihren Entscheidungsprozessen zu beraten. Zur Erreichung dieser Ziele arbeitet sie mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, Forschungsinstituten und staatlichen Stellen zusammen.
Ergänzender Bericht der National Coalition
Parallel zu der Einreichung des Staatenberichts zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention durch die Bundesregierung erstellt die National Coalition – das Netzwerk zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Deutschland - einen ergänzenden Bericht. Der hier eingereichte Bericht aus dem Jahr 2019 wurde unter Beteiligung von 101 Organisationen über einen Zeitraum von zwei Jahren erstellt.Völkerrechtliche Abkommen des Europarats: Die Lanzarote-Konvention
Das Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung, die sogenannte Lanzarote-Konvention aus dem Jahr 2007, ist das erste gesamteuropäische Abkommen dieser Art und wurde sowohl von Mitgliedstaaten als auch von Nicht-Mitgliedstaaten des Europarats unterzeichnet. In Deutschland ist das Abkommen am 1. März 2016 in Kraft getreten. Es ist eines der zentralen internationalen Abkommen, das sich dem Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch widmet. Die Lanzarote-Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten dazu, sexuelle Gewalt gegenüber Kindern grundsätzlich strafbar zu machen, auch dann, wenn sie innerhalb der Familie oder im Ausland stattfindet. Auch legt sie eine Reihe von Handlungen als strafbar fest, darunter Grooming, die Herstellung und Verbreitung von Missbrauchsabbildungen (sogenannte Kinderpornografie) oder Kinderprostitution.
Das Abkommen umfasst Verpflichtungen der Staaten zur Durchführung präventiver Maßnahmen, wie zum Beispiel Schulungen für Erwachsene, die in direktem Kontakt mit Kindern arbeiten, Aufklärungsangebote zu sexueller Gewalt für Kinder und Jugendliche sowie die Bereitstellung von Hilfeangeboten durch Telefon-Hotlines und Internet-Meldestellen. Die Staaten werden dazu verpflichtet, unabhängige Institutionen zur Förderung der Kinderrechte einzurichten und die Koordinierung aller mit Kinderschutz befassten staatlichen Stellen sicherzustellen.
Das Lanzarote-Komitee
Das Lanzarote-Komitee des Europarats („Committee of the Parties to the Convention on the Protection of Children against Sexual Exploitation and Sexual Abuse”) überwacht die Umsetzung der Lanzarote-Konvention in den einzelnen Staaten. Hierfür verwendet der Ausschuss einen Fragebogen, welcher von den Vertragsparteien ausgefüllt sowie mit weiteren Daten angereichert wird. Das Monitoring ist in einzelne Themen unterteilt, welche nacheinander bearbeitet werden. Zuletzt wurden die Monitoringberichte in den Jahren 2015 und 2018 veröffentlicht.
Europäischer Tag zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung
Der „Europäische Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt“ ist eine Initiative des Europarats und findet seit 2015 jährlich unter einem ausgewählten Motto am 18. November statt. Ziel ist es, das Problembewusstsein in den Mitgliedstaaten zu schärfen, alle Formen sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen und nationale und europaweite Aktivitäten im Kampf gegen sexuelle Gewalt besser zu vernetzen und bekannt zu machen. Auch das UBSKM-Amt beteiligt sich jedes Jahr an der Initiative. Weitere Informationen finden sich hier.Richtlinien und Strategien der Europäischen Union
Die Richtlinien der Europäischen Union sind verbindlich und müssen von den europäischen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Besonders die Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und die Opferschutzrichtlinie sind für die Arbeit der UBSKM von Bedeutung. Zudem setzt sich die UBSKM für die Umsetzung der EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern ein.
Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern
Die Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie wurde 2015 durch das 49. Gesetz zu Änderungen des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht umgesetzt. Die Richtlinie harmonisiert in der EU die Definition von Straftaten im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch – auch online – von Kindern. Durch die Richtlinie werden die EU-Länder zudem verpflichtet, Präventionsmaßnahmen zu erlassen und Betroffene im Kindesalter zu schützen.
EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern
Um die bestehenden EU-Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch zu verbessern und neue Herausforderungen insbesondere im Kontext digitaler Medien anzugehen, hat die EU-Kommission im Juli 2020 eine Strategie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern – sowohl offline als auch online – verabschiedet.
Die Strategie setzt den Fokus auf die Überprüfung der Einhaltung von EU-Vorschriften, die Entwicklung von sektorspezifischen Vorschriften für Strafverfolgungsbehörden und den Privatsektor zur Aufdeckung und Meldung von sexuellem Kindesmissbrauch im Internet. Auch die Schaffung eines EU-Zentrums zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit dem Fokus auf Wissenstransfer und Vernetzung innerhalb der EU steht im Mittelpunkt der Strategie. Sie soll zudem den verbesserten Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt durch die Vernetzung der unterschiedlichen Akteure in globalen Allianzen erleichtern.
Opferschutz auf EU-Ebene
Die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten (Opferschutzrichtlinie) ist 2012 in Kraft getreten. Sie soll sicherstellen, dass alle Opfer von Straftaten in angemessenem Umfang Informationen, Unterstützung und Schutz erhalten und sich am Strafverfahren beteiligen können. Sie wurde in Deutschland Ende 2015 durch das Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren, das sogenannte 3. Opferrechtsreformgesetz, umgesetzt. Kinder und Jugendliche, die Opfer schwerer Sexual- oder Gewaltdelikte geworden sind, haben nun einen Rechtsanspruch auf kostenlose psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren.
Zudem hat die EU die Strategie für Opferrechte 2020-2025 verabschiedet. Sie soll die Opfer von Straftaten in die Lage versetzen, ihre Rechte wahrzunehmen und die Zusammenarbeit beim Opferschutz stärken. Zu diesem Zweck werden Maßnahmen dargelegt, die in den nächsten fünf Jahren auf Ebene der EU, der Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft ergriffen werden sollen.