Kinder und Jugendliche können sich im Internet nicht alleine schützen. Die Verantwortung dafür, dass sie sich auch im Netz sicher bewegen können, liegt bei den Anbietern von Onlinediensten und Netzwerkanbietern genauso wie bei Eltern und pädagogischen Fachkräften.
Präventive Maßnahmen aus der analogen Welt schützen auch im digitalen Raum. Sie müssen aber ergänzt werden durch weitere Maßnahmen, die die Besonderheiten der sexuellen Gewalt im Netz berücksichtigen.
Schutzkonzepte im digitalen Raum - Verantwortung der Online-Anbieter
Digitale Räume wie Online-Spiele oder Chats sollten genau wie Schulen oder Sportvereine mit Schutzmaßnahmen und Hilfeangeboten für Kinder und Jugendliche ausgestattet sein. Onlinedienste müssen mit umfassenden Schutzkonzepten gegen sexuelle Gewalt dafür sorgen, dass diese Umgebungen sicherer werden. Hierzu zählen allgemeine Guidelines gegen sexuelle Übergriffe und die Ahndung von Regelverstößen, aber auch altersgerechte und niedrigschwellige Melde- und Beschwerdemöglichkeiten, Altersverifikationsverfahren, Chatmoderationen und leicht zugängliche Hilfeangebote für Betroffene. Mit dem Jugendschutzgesetz (JuschG), das im Mai 2021 in Kraft getreten ist, wurden erstmals Minimalanforderungen zu Schutzkonzepten für die Online- Anbieter gesetzlich festgeschrieben und die rechtlichen Grundlagen für deren Umsetzung festgelegt.
UBSKM hat Bestandteile für Schutzkonzepte im digitalen Raum ausformuliert.
Prävention in Bildungseinrichtungen und Familien
Insbesondere Familien und Bildungseinrichtungen haben die Aufgabe, Kinder und Jugendliche aktiv bei ihrer digitalen gesellschaftlichen Teilhabe zu begleiten und die dabei entstehenden Risiken durch Aufklärung und Hilfeangebote zu reduzieren.
Eltern und Fachkräfte können aber Kinder und Jugendliche nur dann sinnvoll begleiten, wenn sie wissen, welchen Gewaltformen Minderjährige im digitalen Raum ausgesetzt sein können. Deswegen sind (Fort-)Bildungsangebote für Fachkräfte zu Schutz und Hilfe bei sexueller Gewalt im Netz ebenso wichtig wie die Weitergabe dieses Wissens an die Eltern.
Besonders wichtig ist es, dass Eltern und Fachkräfte Minderjährigen gegenüber eine offene Haltung zu digitalen Lebenswelten signalisieren. Wenn Kinder und Jugendliche merken, dass sie bei Erwachsenen auf eine skeptische bis ablehnende Haltung stoßen, wird es ihnen schwerfallen, sich in Fällen von erlebtem missbräuchlichem Sexting, Cyber-Grooming oder der Konfrontation mit pornografischen Darstellungen vertrauensvoll an sie zu wenden.
Prävention durch moderne Medien- und Sexualpädagogik
Durch eine moderne Medienpädagogik erhalten Kinder und Jugendliche Medien- und digitale Teilhabekompetenz, werden über ihre auch im digitalen Raum geltenden Schutzrechte informiert und über Risiken im Netz aufgeklärt. So werden ihre mit zunehmendem Alter wachsenden Selbstschutzmöglichkeiten gestärkt. Sie können dadurch sexuelle Gewalt online besser erkennen und selbst Grenzen setzen - zum Beispiel durch die sparsame Preisgabe persönlicher Daten und eine kritische Reflektion darüber, was sie online mit fremden Menschen teilen.
Selbstschutz von Kindern und Jugendlichen hat entwicklungsbedingt aber auch im Netz Grenzen. So ist es Kindern kaum möglich, Gefährdungen angemessen einzuschätzen und beispielsweise die sexuellen Absichten und Erwartungen eines digitalen Gegenübers zu erkennen. Für Jugendliche kann ein verstärktes Risikoverhalten (on- und offline) Teil einer normalen Entwicklung sein, dem nur bedingt mit Risikoaufklärung begegnet werden kann.
Neben der Medienbildung kann auch eine moderne Sexualpädagogik aufklären und schützen. Sie sollte Jugendlichen eine offene und selbstbewusste sexuelle Entwicklung ermöglichen – auch im Netz. Für nahezu alle Heranwachsenden erfolgt heute die sexuelle Entwicklung in Teilen auch digital. Daraus ergeben sich nicht selten Online-Kontakte, die für die Ausübung sexueller Gewalt ausgenutzt werden können. Bei Übergriffen trifft sie jedoch keine Schuld, sondern immer nur die, von denen die Übergriffe ausgehen. Ein offener Umgang mit Fragen zu Sexualität und sexueller Entwicklung ist Voraussetzung dafür, dass Jugendliche sich auch in diesen Fällen Hilfe suchen.
Aufklärung und Hilfe bei sexuellen Übergriffen unter Kindern und Jugendlichen
Zu einer umfassenden und differenzierten Betrachtung sexueller Gewalt im Internet gehört die Erkenntnis, dass auch Kinder und Jugendliche selbst sexuelle Übergriffe im Netz begehen (zum Beispiel missbräuchliches Sexting, Weiterleitung von Pornografie an Minderjährige oder Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen) – und das Wissen darüber, wie man den Betroffenen in dieser Situation helfen kann.
Wenn ein Kind oder ein:e Jugendliche:r den Mut aufbringt und beispielsweise von einem Sexting-Problem oder von Grooming-Erfahrungen erzählt, ist dies ein schwerer, aber mutiger Schritt und sollte entsprechend honoriert werden.
Betroffene Kinder und Jugendliche fühlen sich in übergriffigen Situationen komplett ausgeliefert und leiden unter dem Kontrollverlust. Sie haben große Angst davor, dass ihre Familie, ihr Freundeskreis oder die Lehrer:innenschaft davon erfahren. Sie schämen sich für das Erlebte und machen sich meistens Vorwürfe, dass sie naiv waren und sich haben täuschen lassen. Umso wichtiger ist es, dass sie niedrigschwellige Angebote finden und immer wieder ermutigt werden, sich Hilfe zu holen.
Für Fachkräfte und für Eltern gilt, altersgemäß über sexuelle Gewalt mittels digitaler Medien zu sprechen. Das heißt zum Beispiel auch, bei Übergriffen trotz Verboten in der digitalen Welt die Schuld nicht auf die Kinder und Jugendlichen abzuwälzen im Sinne von: „Warum hast Du auch solche Bilder verschickt!“ Vielmehr brauchen Betroffene Trost und die Klarstellung, dass der Täter oder die Täterin ihr Vertrauen missbraucht hat und deshalb die Verantwortung trägt.
Hilfeangebote für Kinder, Jugendliche, Eltern und Fachkräfte
Kinder und Jugendliche, aber auch Eltern und Fachkräfte haben die Möglichkeit, sich auch direkt im Netz an Hilfestrukturen zu wenden. Viele Beratungsstellen bieten mittlerweile Online-Beratung an. Für betroffene Jugendliche gibt es außerdem die Möglichkeit, sich durch Peer-to-Peer-Beratung von anderen Jugendlichen beraten zu lassen:
Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch (bundesweit, kostenfrei und anonym): 0800 22 55 530
Online-Beratung des Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch: www.hilfe-telefon-missbrauch.online
Juuuport (für Jugendliche): www.juuuport.de
Jugend Support (für Jugendliche): www.jugend.support
Informationen und Materialien zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt im digitalen Raum: