In Deutschland wurden im Jahr 2022 rund 15.500 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch angezeigt. Das Dunkelfeld ist aber um ein Vielfaches größer. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass bis zu eine Million Kinder und Jugendliche in Deutschland bereits sexuelle Gewalt durch Erwachsene erfahren mussten oder erfahren. Das sind rund ein bis zwei Kinder in jeder Schulklasse. Viele dieser Fälle gehen nicht in die Kriminalstatistik ein, weil sie nie zur Anzeige gebracht werden, und bilden sich auch ansonsten nicht im Hellfeld ab.
Wie häufig ist sexueller Missbrauch?
Präzise Angaben zur Häufigkeit von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in Deutschland sind aufgrund der unzureichenden Datenlage nicht möglich. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) gibt nur Aufschluss über die Fälle, die polizeilich angezeigt und strafrechtlich verfolgt werden (polizeiliches Hellfeld). Für das Jahr 2022 verzeichnet die PKS:
• 15.520 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch
• 42.075 Fälle von Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung von Missbrauchsdarstellungen, sogenannter Kinderpornografie
• 6.746 Fälle von Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung von Jugendpornografie
Die Zahl der angezeigten Fälle steigt
Die Zahlen in der Kriminalstatistik steigen seit einigen Jahren stetig an. Das kann teilweise auch die Folge einer erhöhten Bereitschaft zur Anzeige sein. Besonders bei Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendpornografie im Internet hat sich die Zahl von 2020 (21.868 Fälle) auf 2022 (48.821 Fälle) verdoppelt. Da nur ein kleiner Teil der Taten angezeigt oder in den Versorgungssystemen dokumentiert wird, werden sehr viele Taten statistisch nicht erfasst und bleiben deshalb im Dunkelfeld.
Eine nationale Prävalenzforschung zur Häufigkeit (sexueller) Gewalt an Kindern und Jugendlichen, die Forschungen zum Dunkelfeld und Verbindungen zwischen Daten aus verschiedenen Sektoren des Hellfelds einbezieht, wie sie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert, ist in Deutschland noch nicht umgesetzt.
Die aktuell verfügbaren Angaben zur Häufigkeit von sexueller Gewalt, zu betroffenen Kindern und Jugendlichen sowie zu Tätern und Täterinnen sind aus sehr unterschiedlichen Quellen zusammengetragen und daher nur sehr eingeschränkt miteinander vergleichbar.
Für eine verlässliche Schätzung, wie viele Fälle von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen es in Deutschland tatsächlich gibt, sind umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen nötig, die von einem Zentrum für Prävalenzforschung durchgeführt werden sollten.
Jeder siebte bis achte Erwachsene in Deutschland war von sexuellem Kindesmissbrauch betroffen
Zwei repräsentative Studien aus den vergangenen Jahren kommen zu dem Ergebnis, dass etwa jeder siebte bis achte Erwachsene in Deutschland in seiner Kindheit und Jugend sexuelle Gewalterfahrungen machen musste. Diese Zahl ist allerdings nur bedingt auf heutige Kinder und Jugendliche übertragbar: Zum einen, weil in den Studien kaum Minderjährige befragt wurden. Zum anderen war sexuelle Gewalt mittels digitaler Medien kein Gegenstand älterer Studien.
Auch ist nicht berücksichtigt, inwieweit veränderte Schutzfaktoren wie beispielsweise die Ächtung von körperlicher Gewalt in der Erziehung auch Einfluss auf die Häufigkeit von sexuellen Gewalterfahrungen haben.
Bezogen auf die Verteilung zwischen den Geschlechtern machen Mädchen etwa zwei Drittel der Betroffenen von sexuellem Missbrauch aus und Jungen etwa ein Drittel. In einzelnen Studien wird auf eine große Zahl betroffener Jugendlicher hingewiesen, die sich nicht einem der beiden Geschlechter zuordnen. Repräsentative Untersuchungen zu sexueller Gewalt gegen Mädchen und Frauen mit Behinderungen (15- bis 65-Jährige) weisen darauf hin, dass diese zwei- bis dreimal häufiger sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend ausgesetzt sind als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt.