Die Aufarbeitung von sexueller Gewalt in der Vergangenheit ist neben Prävention, Intervention und Hilfen ein wesentlicher Aspekt im Kampf gegen Missbrauch. Im Gegensatz zu einem Strafverfahren geht es nicht darum, einen Täter oder eine Täterin zu überführen und zu verurteilen, denn die Fälle sind oft verjährt. Umso wichtiger ist es aber für Betroffene, dass ihr Leid dennoch gesehen und anerkannt wird und dass die Gesellschaft aus diesen Fällen lernt, was Missbrauch in der Vergangenheit ermöglicht hat, beziehungsweise welche Reaktion und Hilfe warum ausgeblieben ist - und welche Konsequenzen im Kampf gegen Missbrauch aus diesen Erkenntnissen gezogen werden müssen.
Formen der Aufarbeitung
Im Wesentlichen sind drei Formen der Aufarbeitung zu unterscheiden, wobei diese nicht streng voneinander getrennt sind, sondern sich auch überschneiden können:
Bei der individuellen Aufarbeitung geht es um den einzelnen Menschen, der Missbrauch erlebt hat, und darum, wie er mit dem Erlebten umgehen und es möglichst auch bewältigen kann. Dazu kann gehören, über das vergangene Unrecht zu sprechen - in einem privaten oder auch öffentlichen Umfeld, aber auch im Rahmen einer Therapie. Auch die Zahlung einer „Entschädigung“, wie sie etwa von Betroffenen im kirchlichen Kontext beantragt werden kann, kann Teil der individuellen Aufarbeitung sein.
Unter institutioneller Aufarbeitung versteht man die strukturelle Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt innerhalb einer Institution (zum Beispiel in einer Kirchengemeinde oder einem Sportverein). Neben der Häufigkeit von Missbrauchsfällen in der betroffenen Institution befasst sie sich damit, welche Faktoren sexuellen Missbrauch vor Ort begünstigt haben und wie mit Betroffenen, aber auch den Tätern und Täterinnen umgegangen wurde.
Die gesellschaftliche Aufarbeitung hat insbesondere zum Ziel, das Thema sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und damit ein besseres Verständnis in der Gesellschaft zum Umgang mit dem Thema Missbrauch zu schaffen. Zudem soll sie dabei helfen, die Bedingungen für Betroffene, etwa in Hinblick auf Therapie und Unterstützung, zu verbessern.
Aufarbeitung in Deutschland
Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die größere öffentliche Wahrnehmung des Themas trägt dazu bei, dass immer mehr betroffene Menschen den Mut fassen, über das Erlebte zu sprechen und dieses offen zu thematisieren. Zugleich werden sich schrittweise auch öffentliche, kirchliche und private Stellen ihrer Verantwortung, die Hintergründe von sexueller Gewalt aufzuklären, bewusst. So beauftragen immer mehr Institutionen und Organisationen unabhängige Forschungsinstitute oder Kommissionen mit der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit. Die UBSKM unterstützt diese Entwicklung und bringt sie weiter voran - zum einen über die wichtige Arbeit der seit 2016 arbeitenden Unabhängigen Aufarbeitungskommission, zum anderen aber auch über den Abschluss konkreter Vereinbarungen mit Institutionen, wie etwa der Kirche.
Aufarbeitungsberichte
Hier finden Sie eine Übersicht der seit 2010 in unterschiedlichen Kontexten veröffentlichten Aufarbeitungsberichte:
Hier finden Sie eine Übersicht derzeit laufender Aufarbeitungsprojekte:
Aufarbeitung international
Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche geschieht weltweit. Länder wie Irland, Australien oder Kanada beschäftigen sich bereits seit den 1990er-Jahren mit der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in staatlichen, kirchlichen und privaten Institutionen. Vielerorts wurden inzwischen Kommissionen eingerichtet, die Betroffene anhören und das geschehene Unrecht historisch aufarbeiten.
Eine Übersicht dieser Kommissionen und ihrer Arbeitsaufträge finden Sie auf der Seite der Unabhängigen Aufarbeitungskommission.