PODCAST | Folge 53 | Lisa Marie Kreutz

„Kannst du mir auch mal privat ‘Reitstunden’ geben, ist noch das Harmloseste.”




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Das Interview der Folge 53 als Transkript lesen

[00:00:01.800] - Lisa Marie Kreutz
"Use Your Voice Equestrian", damit habe ich Ende 2019 gestartet. Und zwar ist es so entstanden, dass ich eine Nachricht bekommen habe auf Instagram, die ziemlich deutlich und dreckig beschrieben hat, was eine Person mit meinem Körper anstellen möchte und ich hatte ein Foto von mir und meinem Pferd gepostet in Reithosen. Das fand ich super schockierend, weil ich habe mich als Athletin einfach degradiert gefühlt.

[00:00:26.760] - Nadia Kailouli
Hi! Herzlich willkommen bei einbiszwei - dem Podcast über Sexismus, sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Ich bin Nadia Kailouli und in diesem Podcast geht es um persönliche Geschichten, um akute Missstände und um die Frage, was man tun kann, damit sich was ändert. Hier ist einbiszwei. Schön, dass du uns zuhörst.

[00:00:48.350] - Nadia Kailouli
Lisa Marie Kreutz ist erfolgreiche Springreiterin, liebt ihre Pferde und ihren Sport und sie ist angeekelt von sexualisierenden Kommentaren zu ihrem Aussehen in Reithosen, von sexistischen Sprüchen bei Reitpartys, von sexuellen Übergriffen. Mit 16 wurde Lisa bei einem Turnier vergewaltigt. 2019 geht sie mit ihrer Geschichte dann an die Öffentlichkeit. Lisa löst damit eine Welle aus: Über 1000 Betroffene melden sich bei ihr und berichten von sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt. Wie sie sich seitdem gegen sexuelle Gewalt im Reitsport einsetzt, erzählt sie mir jetzt. Herzlich willkommen bei einbiszwei, Lisa Marie Kreutz.

[00:01:25.370] - Lisa Marie Kreutz
Hallo, schön, dass ich hier sein darf.

[00:01:26.870] - Nadia Kailouli
Ja, ich freue mich auch richtig! Lisa, wir haben hier bei einbiszwei schon sehr oft über das Thema sexualisierte Gewalt im Sport gesprochen. Wir haben über die Safe Sport Studie gesprochen. Wir haben gesprochen mit Athleten Deutschland, heute sprechen wir über das Thema sexualisierte Gewalt im Reitsport. Und da dachte ich erst mal so: Ne, wie, was ist da denn los?

[00:01:50.000] - Lisa Marie Kreutz
Ja, das ist leider eine ganze Menge los. Also ich bin ja selbst eine betroffene Person. Ich glaube so richtig an die Öffentlichkeit gekommen ist das Thema mit dem Spiegel Skandal 2018, wo das erste Mal so gesamtgesellschaftlich dieses ganze Thema ein bisschen ins Visier gerückt ist und alle gesagt haben: "Oh okay, da passiert was, da ist irgendwas nicht in Ordnung." Und so kam das Thema an die Oberfläche eigentlich.

[00:02:15.290] - Nadia Kailouli
Vielleicht kannst du einmal zusammenfassen, was da 2018 eigentlich ans Licht gekommen ist.

[00:02:19.130] - Lisa Marie Kreutz
Da wurde eine junge Frau auf dem Turnier auch mit K.o.-Tropfen beeinflusst und dann im LKW. Also wir haben, so muss ich kurz erklären zu unserem Sport, wenn wir reisen, schlafen wir, also die wenigsten von uns schlafen dann im Hotel übers Wochenende, sondern die Pferde sind in Stallzelten untergebracht und wir schlafen im Wohnabteil des Pferde-LKWs, also der LKW, mit dem wir unsere Pferde transportieren. Da ist vorne eine kleine Wohnkabine drin. Da ist so das Nötigste, eine kleine Küche, ein kleines Badezimmer, eine Couch und ein Bett über der Fahrerkabine, das ist so ein Top-Sleeper. Also unser mobiles Haus, sag ich mal. Und sie hat eben, stand leider unter dem Einfluss von K.o.-Tropfen und wurde dann in diesem LKW leider vergewaltigt. Und das wurde auch dann von mehreren Personen, die dort mit beteiligt waren und so weiter und so fort. Und das wurde halt im Spiegel 2018 groß thematisiert und auf einmal wurde die Geschichte quasi publik und das hat natürlich für viel Aufsehen gesorgt.

[00:03:13.190] - Nadia Kailouli
Und daraufhin haben natürlich dann sich auch viele gemeldet, die von anderen oder ähnlichen Erfahrungen berichtet haben oder vor allem ging ja dann sozusagen die Debatte darum los okay, sexualisierte Gewalt im Reitsport...

[00:03:25.280] - Lisa Marie Kreutz
...Findet statt und genau das war dann so das erste Mal, dass das an die Oberfläche kam: „Okay, hier passiert was.“ Genau.

[00:03:31.880] - Nadia Kailouli
Wir wollen heute gar nicht so viel im Detail erzählen, was dir passiert ist, aber dir ist eben auch was sehr schlimmes passiert und ich würde das eher bei dir lassen, ob du das heute hier erzählen willst und das mit unseren Zuhörer:innen teilen möchtest?

[00:03:43.550] - Lisa Marie Kreutz
Ja, das ist sehr lieb. Dankeschön. Also für mich ist es kein Problem mehr darüber zu sprechen. Ich habe die Geschichte schon ein paar Mal erzählt. Also es ist halt auch zu einem Vorfall gekommen, da war ich 16 Jahre alt, auf einem Reitturnier mit einer fast gleichaltrigen Person, abends im Rahmen einer Party. Also es gibt so bei uns im Sport gibt es bei den Turnieren, bei den größeren Turnieren, gibt es abends manchmal so ein nettes Zusammensein, manchmal wird getanzt, manchmal nicht, manchmal ist das eher so ein bisschen geselliger. Und das war eben eine größere Party, auch mit viel Musik, viele Leute, viel Alkohol im Spiel, nicht bei mir, ich war 16, aber genau, und da ist mir das dann leider passiert.

[00:04:20.510] - Nadia Kailouli
Das heißt, du wurdest eben auf dieser Party vergewaltigt.

[00:04:23.450] - Lisa Marie Kreutz
Vergewaltigt, genau.

[00:04:25.040] - Nadia Kailouli
Und es gab für den Täter aber keine Konsequenzen.

[00:04:27.980] - Lisa Marie Kreutz
Es gab keine Konsequenzen für den Täter, genau, weil ich einfach super unaufgeklärt war. Also ich habe halt, das ist passiert und das war ganz schlimm und ich habe mich ganz fürchterlich gefühlt, aber es war nicht so, dass ich jetzt gewusst hätte, was soll ich tun? Ich war in so einer Hilflosigkeit drin. Ich wusste damals nicht, dass ich direkt die Polizei rufen kann, dass ich ins Krankenhaus kann, um Abstriche machen zu lassen oder dass ich am Turnier oder im Verband auch Ansprechpartner habe, wo ich sagen kann: "Hey, das und das ist mit der und der Person passiert." Und ich war halt 16 und wusste nicht, dass das vor Gericht gehen kann und wäre aber auch damals nicht in der Lage gewesen zu entscheiden, ob ich so ein Prozess überhaupt durchhalten würde, weil das ist natürlich nochmal eine sehr, sehr harte Sache und habe das dann totgeschwiegen tatsächlich. Also ich habe das mit mir selbst einfach ausgemacht und das auf meine eigene Art und verarbeitet, genau.

[00:05:15.590] - Nadia Kailouli
Würdest du sagen aus heutiger Sicht. Wie alt bist du, Mitte zwanzig?

[00:05:17.660] - Lisa Marie Kreutz
24.

[00:05:18.680] - Nadia Kailouli
24. Das heißt, es ist eigentlich gar nicht so lange her auch, muss man dazu sagen, aber trotzdem, so aus heutiger Sicht würdest du sagen: "Wie blöd eigentlich, dass ich in meinem Verein damals eigentlich nicht darüber aufgeklärt worden bin, dass wenn mir hier jemand zu nah kommt, dass ich das sofort melden kann, dass es Ansprechpartner gibt und so weiter." Würdest du es aus heutiger Sicht zu sagen, oder?

[00:05:41.210] - Lisa Marie Kreutz
Jein. Also zum einen finde ich das super, dass es jetzt heutzutage so ist, dass wirklich Trainer, Eltern, ja Leute, die die Reitställe führen und so weiter dahingehend aufgeklärt und sensibilisiert werden und dann auch an die Kinder rangehen und sagen: "Hey, wenn dir was komisch vorkommt, dann sprich darüber und so weiter und so fort." Also es wird immer besser, weil so viel Aufklärungsarbeit Gott sei Dank mittlerweile bei uns im Sport stattfindet. Zu meiner Zeit damals, das war ja so gar nicht präsent. Also so blöd hätte ja auch keiner gedacht, ehrlich gesagt. Und ich ich weiß bis heute tatsächlich nicht, wenn es nicht passiert wäre, ob ich dann überhaupt verstanden hätte, was mir da gesagt wird in dem Alter, dass ich darauf aufpassen muss oder ob ich das denn schön gefunden hätte, dass es von mir weggehalten wurde, weil es ja so brutal und schlimm ist eigentlich dieses Thema. Aber ja, ich finde Aufklärungsarbeit natürlich gut. Für mich selbst hätte ich mich, dadurch, dass ich betroffen bin, hätte ich mich gefreut, wäre ich aufgeklärt worden, aber genau. Vielleicht habe ich aber auch diesen Blickwinkel nur, weil ich betroffen bin und weil ich weiß, wie schlimm das nachher ist, wenn das passiert.

[00:06:45.990] - Nadia Kailouli
Jetzt könnte man meinen, wenn das einem jungen Mädchen, einer jungen Frau eben passiert, dass man bei einem Turnier, wenn man verreist, in einer Gruppe, wo es um den Reitsport geht, wenn man da dann vergewaltigt wird, dass man sagt: "Okay, ich komme nach Hause, ich möchte da nie wieder hin, ich möchte nie wieder zurück in dieses System von Reiten, von zusammen wegfahren, von auf Turniere fahren", dieses Ganze einfach weg, weil es eben traumatische Erfahrungen sind und man damit auch verarbeitet und sagt: "Nee, ich möchte damit nichts mehr zu tun haben!" Bei dir ist es anders gekommen. Du bist heute professionelle Springreiterin.

[00:07:20.670] - Lisa Marie Kreutz
Ja.

[00:07:21.370] - Nadia Kailouli
Erzähl, wie ist der Schritt dahin gekommen, dass du mit 16 eben nicht gesagt hast: "Ich möchte nie wieder dahin zurück, wo mir so Schlimmes passiert ist!"?

[00:07:29.340] - Lisa Marie Kreutz
Also für mich ist das ganz einfach zusammenzufassen: Liebe gewinnt immer. Und für mich ist es so ich hatte schon als Juniorenreiter und Ponyreiterin, also U16 und alles was danach kommt immer eine sehr starke Bindung zu den Pferden, die ich hatte. Also das war für mich, ich war lieber im Stall als in der Schule und ich habe mich lieber mit Pferden umgeben als mit gleichaltrigen Personen. Und für mich war das so, mir ist das da zwar passiert, aber da kann mein Sport und mein Pferd ja auch gar nichts dafür. Und wenn ich dann von meinem Pony, damals ja noch Pony, gestanden hätte und ihm quasi in die Augen gucken, in die Augen geguckt hätte und gesagt hätte: "Okay, ich gebe dich jetzt weg, weil ich kann das nicht bewältigen, was drumherum passiert." Das hätte ich nicht übers Herz gebracht und das war einfach, ich wusste, bei mir zu Hause im Stall bin ich sicher, ich bin in der Regel am Turnier eigentlich auch sicher und meine Pferde haben mir unfassbar viel Kraft gegeben einfach. Das war so, ich habe anstatt dass es mich da rausgezogen hat, habe ich mich noch mehr in diesen Sog begeben, der mich zu meinen Pferden zieht und zu dieser Verbindung, weil die haben mir noch nie was Schlimmes angetan. Und es gibt so ein Sprichwort, das heißt: „Pferde sind die besseren Menschen“, und diese Verbindung, das, das hat mir sehr geholfen auch. Und da habe ich mich im Stall einfach normal gefühlt und das war einfach dann gar nicht präsent. Ich habe da gar nicht dran gedacht mehr und weil das einfach für mich das Schönste auf der ganzen Welt ist und ich einfach so dankbar bin, dass ich das erleben darf und dieses Leben führen darf, weil ich weiß natürlich auch, dass das ein riesen Privileg ist, diesen Sport ausführen zu dürfen. Gerade als ich noch minderjährig war und meine Eltern das finanziell gestemmt haben. Dafür war ich einfach dankbar. Und deswegen ja, Liebe gewinnt immer und das war einfach größer und stärker als das Schlechte, was mir passiert ist.

[00:09:10.920] - Nadia Kailouli
Und jetzt müssen wir gucken, wie wir das jetzt hinbekommen, eben mit dir darüber zu sprechen, dass du ja eben heute sehr, sehr sensibilisieren möchtest eben über sexualisierte Gewalt im Reitsport und das aber jetzt nicht unbedingt damit zusammenhängt, dass du eben damals als junge Frau vergewaltigt worden bist, sondern dass du unabhängig davon, so würde ich das jetzt mal sagen, eben sagst: "Ey, wir haben hier dennoch ein Problem mit sexualisierter Gewalt." Sei es eben Sprüche auf meinen Hintern in einer Reithose, sei es auf Trainer, Machtstrukturen und so weiter. Wie bekommst du das für dich hin, dass du eben nicht darauf reduziert wirst, gesagt zu bekommen: "Ach so, ja, du wurdest ja vergewaltigt und deswegen möchtest du jetzt darüber sprechen, dass wir aufklären müssen rund um das Thema sexualisierte Gewalt im Reitsport." Weil du liebst ja eben deine Pferde, du liebst das Reiten, es ist eine Leidenschaft, aber es ist ja eben auch vor allem wahnsinnig hartes Training.

[00:10:04.830] - Lisa Marie Kreutz
Ja, das ist richtig. Ich habe mich ehrlich gesagt in der ganzen Zeit, wo ich jetzt öffentlich aufkläre, noch nie darauf reduziert geführt. Also ich hatte immer das Gefühl, dass zumindest sportintern ich immer sowohl für meine sportlichen Leistungen, wenn es dann da eine gute gab, da eben für anerkannt wurde, aber eben auch viele Leute auf mich zukamen und sagen: "Hey, das ist voll cool, was du da machst!" Und so gerade Eltern sind da viel auf mich zugekommen haben gesagt: "Daran hätten wir gar nicht gedacht, aber wir haben diesen Beitrag gelesen oder wir haben dieses Interview gesehen und das ist gut, dass jemand drüber spricht!" Weil damals, ich habe 2019 damit angefangen, war das noch so ein sehr großes Tabuthema. Also es wurde gar nicht so viel darüber gesprochen und keiner wusste, okay, es gibt Ansprechpartner bei den Landesverbänden, es gibt Ansprechpartner bei unserem Dachverband und ich kann, wenn mir das passiert ist, mir auch sportintern sogar schon Hilfe besorgen. Oder zumindest sind da Leute, die können mich beraten in meiner Situation, egal ob ich jetzt selbst betroffen bin oder eben die Vermutung habe, dass jemand anderes betroffen ist. Oder mir kommt irgendwie ein Trainer komisch vor oder so was. Darüber wurde einfach damals gar nicht gesprochen.

[00:11:08.680] - Nadia Kailouli
Und damals ist erst ein paar Jahre her. Du sprichst von 2019. Das sind vier Jahre jetzt.

[00:11:13.900] - Lisa Marie Kreutz
Es sind vier Jahre, aber es hat sich in diesen vier Jahren in unserem Sport einfach unfassbar viel getan. Und das ist eine ganz, ganz tolle Sache, gerade die Verbandsarbeit. Das finde ich echt gut. Sie haben ja als erster deutscher Sportverband einen Betroffenenrat gegründet und ich war da auch Teil davon, aber ich musste mich aus Zeitgründen daraus leider ein bisschen verabschieden, weil ich habe es einfach mit dem Sport nicht mehr unter einen Hut gekriegt das alles zu 100 % machen zu können. Aber ja, ich finde das echt fortschrittlich im Reitsport inzwischen.

[00:11:40.240] - Nadia Kailouli
Was glaubst du, warum war es gerade der Reitsport, der ja so ein Vorreiter eben in dem Betroffenenrat geworden ist, was eben Anlaufstellen betrifft, im professionellen Sport zu sagen: "Hier, wir haben den Betroffenenrat, wir haben hier Anlaufstellen!" Da sagen ja andere, das bräuchte es eigentlich überall, in jeder sportlichen Institution?

[00:11:59.620] - Lisa Marie Kreutz
Das ist eine sehr, sehr gute Frage. Ich glaube einfach aufgrund des Spiegelskandals, dass so ein bisschen ein gesellschaftlicher Druck entstanden ist vielleicht auch, weil es war ja sehr, sehr präsent, es wurde viel darüber berichtet und alle Leute im Reitsport haben darüber geredet und es war klar, es muss sich was tun. Und hinter den Kulissen gab es beim Dachverband schon jemanden, der sehr lange an dem Thema gearbeitet hat und auch Ansprechpartner war und so weiter und so fort. Aber dann hat der Verband vielleicht einfach gemerkt, okay, vielleicht tun wir gerade einfach noch nicht genug. Und das in Kombination mit ein paar Fällen, die beim Verband gelandet sind. Und ich glaube auch so ein bisschen meiner Arbeit, die ich öffentlich gemacht habe, hat dazu geführt, dass die gesagt haben, wir müssen das einfach noch viel, viel ernster nehmen, als wir bisher dachten. Und dann haben sie wirklich unfassbar viel getan, auch Workshops zur Prävention sexualisierter Gewalt und jetzt gerade, was gerade alles passiert. Sie haben Listen veröffentlicht für die ganzen Ansprechpartner. Also es gibt jetzt tatsächlich, wenn man nachschaut und sich Hilfe suchen will, findet man diese Listen, wo man sagen kann, okay, das sind die Ansprechpartner für die verschiedenen Bundesländer und so weiter. Ich glaube, sie haben es einfach aufgrund der Häufigkeit der Fälle, von denen sie dann mitbekommen haben und ein bisschen dem öffentlichen Druck einfach noch ernster genommen und das ist eine sehr, sehr gute Sache.

[00:13:11.140] - Nadia Kailouli
Du sprichst eben deine eigene Initiative auch die ganze Zeit an und zwar möchte ich die auch mal nennen. Du hast nämlich 2019 den Hashtag gegründet "Use Your Voice Equestrian". Vielleicht kannst du einmal selber erzählen, was es damit auf sich hat.

[00:13:23.110] - Lisa Marie Kreutz
Genau. Also „Use Your Voice Equestrian" ist...

[00:13:26.630] - Nadia Kailouli
Ha, das ist jetzt hier die schöne Korrektur meines nicht gut ausgesprochenen "equestrian". Das lassen wir jetzt ungeschnitten hier drin. Also "Use Your Voice Equestrian" bitteschön, was hat es damit auf sich?

[00:13:40.240] - Lisa Marie Kreutz
Genau, damit habe ich Ende 2019 gestartet. Und zwar ist es so entstanden, dass ich eine Nachricht bekommen habe auf Instagram, die ziemlich deutlich und dreckig beschrieben hat, was eine Person mit meinem Körper anstellen möchte. Und ich hatte ein Foto von mir und meinem Pferd gepostet in Reithosen. Und das fand ich super schockierend, weil ich habe mich als Athletin einfach degradiert gefühlt. Weil ich war, damals habe ich noch studiert. Ich war noch nicht so richtig Profi, aber ich habe schon leistungssportlich auf jeden Fall trainiert und bin zu internationalen Turnieren gefahren und habe mir wirklich auf gut Deutsch gesagt, den Arsch dafür aufgerissen, um weiter zu kommen, besser zu werden, besser reiten zu lernen und das Beste aus meinen Pferden und mir als Team rauszuholen und da mehrere Stunden am Tag rein investiert und dann kommt jemand und reduziert mich einfach so auf so eine dreckige Art und Weise auf meinen Körper. Das ist halt kein nett gemeintes Kompliment mehr gewesen, sondern war sehr sehr eindeutig und ich fand das im ersten Moment auch ekelhaft. Zweitens hat es mich aufgrund meiner Betroffenheit natürlich auch getriggert irgendwo und es hat mich wütend gemacht, weil ich wie gesagt, Athletin bin und ich möchte als Athletin wahrgenommen werden und nicht nur auf meinen Körper reduziert werden. Natürlich bin ich, ich bin eine Frau. Ich möchte auch attraktiv sein und auch als attraktiv wahrgenommen werden und wenn ich ein Foto von mir auf Instagram hochlade, dann bestimmt, weil ich meine, dass ich da gerade gut drauf aussehe und dass es mir ein paar Likes bringt und dann freue ich mich darüber, aber das ist ja der Sinn dahinter. Aber das fand ich echt frech und das hat mich so aufgeregt. Ich habe abends mit einer Freundin essen und ich habe ihr das erzählt und dann hat sie mir auch erzählt, dass sie auch oft solche Nachrichten bekommt und dann haben wir über andere gemeinsame Freundinnen gesprochen und dann ist uns aufgefallen, eigentlich jeder, den wir kennen, hat irgendwie so eine Geschichte, dass der.

[00:15:25.420] - Nadia Kailouli
Unabhängig vom Reitsport meinst du?

[00:15:27.880] - Lisa Marie Kreutz
Unabhängig vom Reitsport, das man allein, weil man diesen Sport ausübt, sexualisiert wurde. Und das fand ich ganz schön erschreckend. Und dann bin ich nach Hause gegangen und ich hatte damals, glaube ich etwa 600, 650 Instagram Follower und ich habe den Namen geschwärzt und das Profilbild geschwärzt und habe diese Nachricht gepostet und habe danach was gemacht, was ich vorher noch nie gemacht. Ich habe mir meine Handykamera vors Gesicht gehalten und ich habe einfach drauflos gequatscht und gesagt: "Hey, das ist heute passiert und ich finde das halt schlimm aus den und den Gründen", und habe mich da öffentlich darüber aufgeregt. Und dann haben mir ganz viele Leute geschrieben: "Ja, das kenne ich und das ist mir auch passiert", und haben ihre Geschichten dahingehend mit mir geteilt und ich durfte das auch anonym veröffentlichen. Ich habe dann Screenshots gemacht, habe die Namen und Profilbilder wieder geschwärzt, dass niemand sieht, wo es herkommt, also mit Absprache mit den Leuten natürlich, und habe das dann in meiner Story gepostet. Einfach um zu zeigen: „Ey es passiert so so oft, können wir da nicht irgendwas gegen tun?“ Und dann fing es auch an, dass mir Leute anfingen, ihre Geschichten zu erzählen, die mit sexuellen Übergriffen zu tun haben, mit sexualisierter Gewalt. Und das war dann so ein Moment, wo ich gesagt habe okay, wow. offensichtlich bin ich auch damit nicht alleine. Und ich hatte bis zu dem Zeitpunkt nicht darüber gesprochen. Also es gab so ein paar enge Freunde, die wussten, dass mir was passiert ist, aber nicht so genau, was passiert ist und habe das dann gelesen und ich habe auch alles beantwortet. Es waren an einem Tag tatsächlich über 1500 Nachrichten und ich habe sie alle beantwortet, weil ich wollte einfach respektvoll gegenüber den betroffenen Menschen sein und halt zeigen: „Hey, du bist nicht allein und du wirst gehört.“ Das war mir ganz wichtig. Und ja, dann häuften sich die Nachrichten, wo Betroffene von sexualisierter Gewalt mir geschrieben haben. Und dann habe ich gesagt: "Okay, wir müssen irgendwas tun!", und habe halt diesen Hashtag erfunden "Use Your Voice Equestrian" und gesagt, ich möchte jetzt öffentlich aufklären. Und ich habe gesagt: "Ja, ich bin auch betroffen von sexualisierter Gewalt und dafür gibt es Ansprechpartner und man kann sich Hilfe suchen und niemand ist allein."

[00:17:20.490] - Nadia Kailouli
Und vor allem wahrscheinlich auch erst mal zu sensibilisieren, wo fängt das an. Dass man sagt, ich poste hier ein Foto von mir in meiner Reithose, mein Trainingsoutfit und das diese Reithose und dein Hintern in dieser Reithose halt eben genutzt wird, um dir eben Nachrichten zu schreiben. Das sind ja dann nicht die einzigen Nachrichten geblieben, die du bekommen hast, sondern das ist ja eine never ending story gefühlt. Immer wenn du ein Foto postest, kommen ja immer weiter Kommentare.

[00:17:46.500] - Lisa Marie Kreutz
Inzwischen kann man das filtern auf Instagram, das finde ich, ist ein super Feature.

[00:17:50.100] - Nadia Kailouli
Dass du deine Nachrichten filtern kannst, oder?

[00:17:52.350] - Lisa Marie Kreutz
Man kann so gewisse Schlüsselwörter eingeben und dann kommen die Nachrichten und Kommentare nicht mehr durch.

[00:17:57.900] - Nadia Kailouli
Ah.

[00:17:58.710] - Lisa Marie Kreutz
Und das ist sehr, sehr cool. Ich habe sehr viel Ruhe seitdem.

[00:18:02.280] - Nadia Kailouli
Interessant. Welche Wörter hast du gefiltert oder welche?

[00:18:06.150] - Lisa Marie Kreutz
Kann man das sagen?

[00:18:07.410] - Nadia Kailouli
Hier kann man wirklich alles sagen.

[00:18:09.450] - Lisa Marie Kreutz
Okay so, "Arsch", "Titten", "Schwanz". Solche Sachen habe ich einmal komplett rausnehmen lassen.

[00:18:16.920] - Nadia Kailouli
Weil die Nachrichten dich ja komplett wirklich so erreichen. "Reiten" kannst du natürlich jetzt nicht rausnehmen.

[00:18:22.490] - Lisa Marie Kreutz
Kann ich ganz schlecht rausnehmen.

[00:18:24.000] - Nadia Kailouli
Weil das ist nun mal dein Fachgebiet, ein Pferd zu reiten. Aber gerade da bekommst ja eben auch oft das sexuelle Reiten hinterhergeworfen, nach dem Motto.

[00:18:34.470] - Lisa Marie Kreutz
Das ist der klassische Spruch: "Hey, du kannst ja auch mal auf mir reiten", oder: "du kannst mir ja mal Reitstunden geben" und so, das ist natürlich, aber...

[00:18:41.820] - Nadia Kailouli
Das das immer noch funktioniert oder man das immer noch rausschickt. Man fragt sich nun wirklich.

[00:18:46.470] - Lisa Marie Kreutz
Ja, also solche Nachrichten kriegen von mir dann auch nur einen Lacher und ein Augenrollen. Und ich denke "Oh man."

[00:18:51.020] - Nadia Kailouli
Genau. Aber eben, es gibt ja vor allem auch gerade junge Mädchen, die solche Nachrichten bekommen. Und deswegen ist es auch gut, dass wir darüber reden, so vermeintlich witzig das dann auch ist, dass man über die lacht, die so was rausschicken, aber sie können eben auch Schaden zuführen, gerade bei jungen Menschen, die eben noch nicht reflektiert oder stark genug sind zu sagen: "Ey, Grenzüberschreitung, geht nicht!", aber es geht nicht. Punkt. Du hast es gerade geschildert, wie viele Nachrichten dich erreicht haben und heute bist du eben bei Instagram mit weitaus mehr als 600 Followern unterwegs. Wir wollen mal ganz speziell auf den Reitsport gucken, abgesehen von der engen Hose, die ihr da tragt. Wo würdest du sagen, sind Faktoren, die den Reitsport dahingehend als Angriffsfläche von sexualisierter Gewalt zeigen? Wo liegen da die kritischen Punkte deiner Meinung nach als junge Frau, die eben profimäßig Reitsport betreibt, außer, also zum Beispiel. Ich fange noch mal von vorne an, pass auf: Würdest du zum Beispiel sagen, muss ich wirklich diese enge Hose tragen? Jetzt mal als Beispiel, auch wenn du dich damit wohlfühlst, wenn du sagst, ich bin da sehr selbstbewusst und zeige mich natürlich mit meiner Reithose auf meinem Profiaccount. Ganz klar. Gar keine Frage. Aber es gab ja zum Beispiel Athletinnen im Athletenbereich, die eben gesagt haben, wir wollen eben keine knappen Höschen mehr tragen, wir wollen eine lange Hose tragen.

[00:20:10.170] - Lisa Marie Kreutz
Ja, die Beachvolleyballerinnen haben zum Beispiel in einer Radlerhose dann ich weiß es gar nicht mehr, ob es EM oder WM war gespielt und die mussten 150 € Strafe pro Spielerin zahlen, weil sie sich gegen die Bikinihose gewehrt haben. Das finde ich echt Wahnsinn. Also ich finde bei uns im Sport, ich habe tatsächlich über diesen Aspekt noch gar nicht nachgedacht, weil ich fühle mich sehr, sehr wohl in meiner Reitkleidung und finde das gar nicht so schlimm. Also ich habe diesen Faktor eigentlich noch nie in Betracht gezogen, aber ich finde natürlich, grundsätzlich sollte sich jeder wohlfühlen. Das ist natürlich eine wichtige Sache. Aber was ich sonst bei uns im Sport sehe, es ist gar nicht so sehr die Kleidung. Es ist, gerade wenn wir jetzt zu den jüngeren Betroffenen gehen, Faktor Pferd. Also das Pferd kann als Druckmittel eingesetzt werden von Tätern und Täterinnen, dass sie zum Beispiel, angenommen, ich habe mit einem Trainer zu tun, der mir ein bisschen komisch vorkommt und der Täter ist so, dann gehen die oft so vor, dass sie halt die betroffene Person so ein bisschen abkapseln von der Familie. Man ist ja im Stall auch oft alleine mit seinem Trainer und so weiter und so fort. Und dann kommt es halt von Berührungen, die zu lange dauern, als die dauern sollten bis hin zum Übergriff. Und dann sagt der Trainer so was wie: "Ja, wenn du das wem erzählst, sage ich deinen Eltern, dass du dir keine Mühe gibst und dass sie das Pferd besser verkaufen sollten." Oder er stellt im Vorfeld seiner Schülerin oder seinem Schüler ein Pferd zur Verfügung und sagt: "Hier, du kannst mal das tolle, gute Pferd reiten, dass du weißt, wie sich das anfühlt und kommst damit weiter auf dem Turnier, im Sport und aber wenn du wem erzählst, dass ich dich anfasse, dann darfst du den nicht mehr reiten und dann ist eine Karriere vorbei!" So und so kann das leider Gottes bei uns im Sport passieren, indem halt einfach das Pferd als Druckmittel eingesetzt wird. Wie gesagt, man hat eine Bindung zu dem Tier. Das ist eine Partnerschaft, das ist der beste Freund, auch ein Stück weit und das will man natürlich auf keinen Fall verlieren.

[00:21:59.720] - Nadia Kailouli
Also auch wieder eine sehr perfide Täterstrategie, ein Druckmittel zu benutzen. In dem Fall dann eben das Pferd, weil man so eine intime Beziehung zu diesem Tier aufbaut, als Reiterin oder als Reiter.

[00:22:11.560] - Lisa Marie Kreutz
Ja. Und dann ist natürlich, dann sind da noch die Reiterpartys, die einfach Raum geben.

[00:22:15.980] - Nadia Kailouli
Da hat man natürlich auch sehr viel gehört, dass es da.

[00:22:18.110] - Lisa Marie Kreutz
Da hat man sehr viel gehört.

[00:22:18.500] - Nadia Kailouli
Das hat mich, da müssen wir mal ganz kurz drüber reden. Es gab eben Berichte darüber, auch, dass eben gerade auf Reiterevents, Reiterpartys, wenn man dann irgendwo zusammenkommt und das Wochenende da bei diesen Turnieren verbringt, dass sehr, sehr viel Alkohol konsumiert wird und dass diese Partys gerne auch mal eskalieren. Und da hab ich mich gefragt, warum ist es denn so? Also muss man, wenn man aufs Pferd steigt, am nächsten Tag nicht fit sein?

[00:22:41.780] - Lisa Marie Kreutz
Ja, sollte man, das ist richtig. Und ich persönlich, ich konsumiere auch keinen, also nicht exzessiv Alkohol am Turnier. Ich trinke abends gerne, wenn ich mit meinen Freunden zusammensitze mal ein Lillet Wildberry oder so, aber halt nie bis zur Besinnungslosigkeit, weil ich glaube, ich wäre am nächsten Tag gar nicht in der Lage, mein Pferd durch einen Parkour zu steuern. Ich muss mich schon auf alle meine Sinne verlassen. Andere stecken das besser weg und kriegen das halt trotzdem hin und man darf halt, also ich würde nicht sagen, man soll diese Partys verbieten, weil man muss es auch mal so sehen, wenn du ein Sportler bist, 100 % deiner Zeit investierst du in diesen Sport und du hast nicht die Zeit, am Wochenende irgendwie mal feiern zu gehen oder schon allein abends mal essen gehen wird meistens schwierig. Also du hast eigentlich nichts, außer das und die Partys am Turnier geben einem so eine Illusion von Freizeit ein bisschen. Und ich finde, solange das nicht komplett eskaliert, ist das auch total in Ordnung, dass die Leute da feiern und Spaß haben. Weil es sind ja nicht nur die Sportler, es sind ja auch das ganze Team, es ist, die Trainer sind da und manchmal auch Eltern oder Bekannte oder Ehepartner oder so und dann solle da doch alle zusammen gerne eine gute Zeit hast.

[00:23:44.960] - Nadia Kailouli
Das ist dann halt das gesellige Come together. Den Punkt verstehe ich natürlich, den habe ich so noch nie gesehen, dass man natürlich, wenn man so einen intensiven Sport ausübt, dass dann viel Freizeit draufgeht und gerade als junger Mensch man natürlich auch Bock hat, am Wochenende mal ein bisschen quer zu drehen.

[00:23:58.340] - Lisa Marie Kreutz
Und ich ehrlich gesagt muss jetzt einmal meine Kollegen in Schutz nehmen, weil die meisten Leute, die am Sonntag, Sonntag ist ja Finale, die den Grand Prix reiten, die sagen halt Samstagabend: "Du ein, zwei Bier, dann ist Schluss für mich, weil ich muss halt morgen Grand Prix reiten." Ja, das finde ich doch okay. Jeder kennt seine eigenen Grenzen und solange er niemanden anfasst, der das nicht möchte, soll er doch seinen Spaß einfach haben.

[00:24:19.790] - Nadia Kailouli
Und da liegt jetzt wahrscheinlich eben die Sensibilität irgendwie, dass man sagt okay, wir feiern hier zwar alle, aber nur weil wir hier feiern, heißt das nicht, dass du, Trainer, mir an den Hintern greifen darfst. Nur weil wir hier gerade eine wilde Party feiern. Denn egal wo, man feiert ja, jeder behält seine Hände bei sich. Aber gerade in solchen Verhältnissen, Trainer, Schüler oder keine Ahnung, wer da noch alles dabei ist, ist es ja eben dann doch schwierig zu wissen, wo sind da die Grenzen? Und gerade wenn ein Täter eben näher kommen will als er eigentlich darf, findet man natürlich auf so einer Party die bessere Gelegenheit dann wahrscheinlich.

[00:24:53.730] - Lisa Marie Kreutz
Ganz genau, da finde ich es aber wichtig, dass wir einfach eine Kultur des Hinsehens schaffen. Weil, wenn man auf einer Party eine Situation sieht, die einem komisch vorkommt, tut es keinem weh hinzugehen und zu sagen:  "Hey, ist gerade alles okay bei dir?" Und wenn die Person sagt: "Ja, ja, alles gut, geh mal weiter feiern", oder sagt: "Ne du, ich fühl mich gerade unwohl. Kann ich mit dir mitkommen?"

[00:25:11.580] - Nadia Kailouli
Ja, aber auch schwierig, oder wenn man unter Alkoholeinfluss steht und dann denkt man sich, das ist ja das, was so viele Frauen ja in der Vergangenheit eben auch angeprangert haben, dass sie so manipuliert werden von Tätern. Das gehört ja auch zu so einer Täterstrategie zu sagen: "Ich mach dich jetzt erst mal betrunken und dann habe ich es natürlich leichter, da an mein Ziel zu kommen und zwar mit dir rumzumachen oder irgendwie dich zu manipulieren oder so, dass du dann doch noch mal aufs Zimmer kommst." Und eben, dass die Verhältnisse eben nicht mehr klar sind: "Du bist mein Trainer, Du darfst mich eigentlich gar nicht jetzt fragen, ob ich mit auf dein Zimmer komme, weil du bist mein Trainer, so, nutz die Situation nicht aus, dass ich dir vertraue."

[00:25:47.590] - Lisa Marie Kreutz
Ja, klar. Also, da hast du zu 100 % recht. Das ist natürlich, Alkohol macht Leute, also, man hat einen leichteren Einfluss auf betrunkene Leute. Und das ist natürlich schlimm. Deswegen, das ist halt einfach ein schmaler Grat. Also ich würde die Partys nicht verbieten wollen, aber ich würde halt einfach sagen, man muss ein bisschen mehr auf sein Umfeld auch aufpassen und so. Also wenn ich auf einer Party bin, ich gucke immer, aber das ist vermutlich auch wegen meiner Vorgeschichte. Ich halte die Augen offen und bin bereit. Ja, deswegen ist es einfach wichtig zu sensibilisieren und aufzuklären.

[00:26:21.880] - Nadia Kailouli
Du hattest ja deine Geschichte irgendwann dann öffentlich gemacht. Hattest du auch Angst damals, als dir das passiert ist, als 16-jähriger zu sagen: "Okay, wenn ich das jetzt Leuten erzähle, kann es sein, dass man mir verbietet, vielleicht zu meinem Pferd zu kommen oder so"? 

[00:26:35.890] - Lisa Marie Kreutz
Gar nicht.

[00:26:36.370] - Nadia Kailouli
Die Angst hattest du damals nicht?

[00:26:36.910] - Lisa Marie Kreutz
Die Angst hatte ich überhaupt nicht. Ich glaube, wenn das, weil das war bei mir am Turnier. Die Person, die das getan hat, kam aus einem ganz anderen Bereich Deutschlands und hat überhaupt nichts mit meinem Stall, meinem Verein oder generell meinem sozialen Umfeld zu tun. Demnach war die Angst für mich nicht da, weil bei mir im Stall war ich sicher. So, zumindest mein Eindruck, ist auch nichts passiert, deswegen denke ich, entspricht das auch der Wahrheit. Aber ich kann verstehen, wenn ein Trainer der Täter ist, dass man Angst hat als junger Mensch, wenn man das dann jemandem erzählt, dass genau das die Konsequenz ist: "Ja, dann darf ich das nicht mehr machen." Und das ist dann sehr, sehr schwierig. Ich glaube, deswegen ist es wichtig, dass wenn man als Elternteil vielleicht die Vermutung hat: "Okay, irgendwas ist mit meinem Kind nicht richtig", und also "irgendwas ist komisch einfach und ich habe bei dem aktuellen Trainer kein gutes Gefühl." also das Bauchgefühl der Eltern ist meistens richtig. Dann einfach nachhaken und dem Kind auch liebevoll begegnen und sagen: "Hey, wir können auch einfach den Stall wechseln", und so. Und halt einfach da so ein bisschen vielleicht entgegenwirken.

[00:27:41.800] - Nadia Kailouli
Aber wahrscheinlich ist das auch das, was die Trainer dann so ausnutzen, weil sie halt wissen, so leicht wird es einem gar nicht fallen, dann zu sagen: "Ich möchte weg von dort." Man baut ja Beziehungen zu auch anderen auf.

[00:27:53.350] - Lisa Marie Kreutz
Man fühlt sich oft abhängig vom Trainer. Man denkt dann: "Ja, ohne den bin ich nichts. Wenn ich mit dem nicht mehr trainiere, dann wird aus mir nie was."

[00:28:00.250] - Nadia Kailouli
Könntest du denn sagen, du als Profi Springreiterin, auf welche Faktoren man achten muss, bevor man sich so einen Trainer holt? Also, es steht ja keinem auf der Stirn geschrieben, so: "Hallo, ich bin ein Täter". Und auch wenn ich jetzt hier nicht bin, also wir reden, dir ist das Schlimmste passiert, was einem passieren kann, ist die Vergewaltigung. Aber sexualisierte Gewalt  fängt schon viel, viel früher an. 

[00:28:22.600] - Lisa Marie Kreutz
Ja, das fängt schon ganz woanders an. 

[00:28:23.650] - Nadia Kailouli
Eben schon bei dem unangebrachten oder unerlaubten Griff auf die Oberschenkel oder auf dem Po beim aufs Pferd hieven. Also das sind ja schon die Faktoren, wo die Alarmglocken hochgehen sollten, dass das nicht erlaubt ist. Aber die Frage ist, könnte man Faktoren festschreiben, in so einem Sportverein, in einem Reitverein zu sagen: "Okay, wir gucken uns den Trainer erst mal an, um zu gucken, haben wir ein gutes Gefühl, dass der auch hier unsere Schülerinnen und Schüler aufs Pferd bringt?"

[00:28:53.670] - Lisa Marie Kreutz
Ja, also es ist auf jeden Fall so, wenn du den Trainerschein machst, inzwischen wird dann ein polizeiliches Führungszeugnis verlangt. Also man wird schon gecheckt. Das Problem ist, es gibt unfassbar viele Trainer und nicht alle sind auf dem Radar und nicht alle Trainer, die nicht auf dem Radar sind, also manche davon sind echt gute Trainer. Also das heißt, man kann jetzt nicht pauschal sagen, ja, ich möchte erst mal deinen Trainerschein sehen und ob da ein polizeiliches Führungszeugnis gut ist. Das wird ein bisschen schwierig, Aber ich finde ja, das ist einfach eine schwierige Geschichte. Also wenn du einen Trainerschein hast, wird dieses polizeiliche Führungszeugnis halt verlangt und nur weil du keinen Trainerschein hast, bist du deswegen gleich ein schlechter Trainer, sondern vielleicht auch ein ganz, ganz guter Trainer und willst eigentlich keinem was Böses. Da muss man, glaube ich, einfach ein bisschen ganz harmlos, wenn man Bedenken hat und sich da als Elternteil zum Beispiel absichern will, weil als erwachsener Mensch achtest du ja selbst drauf, wie geht die Person mit mir um, wo sind meine Grenzen? Das weiß ich ja dann und kann demnach dann reagieren oder mich jemandem anvertrauen. Und wenn ich jetzt aber Elternteil bin und gebe mein Kind in die Obhut eines Trainers, dann kann ich den ja auch ganz harmlose Fragen stellen und sagen: "Hey, wo warst du denn vorher und wie lange warst du denn da schon?" Und ich frag im Reitsport, die Reitsportwelt ist ein Dorf. Du kannst jeden fragen: "Hey, hast du was über den und den gehört?", und so und...

[00:30:10.090] - Nadia Kailouli
Wie kann ich mir das vorstellen? Ich habe ja wirklich überhaupt gar keine Berührungspunkte in diesen Reitsport, ja, überhaupt in Stall, gar nicht so. Und ich frage mich die ganze Zeit so, wie funktioniert das denn? Ist man da viel alleine? Gibt es eine Aufsichtsperson, die Kontrollgänge macht, die sagt: "Okay, heute haben wir bestimmt hier drei Mädchen auf dem Hof, die ihre Pferde sauber machen und wir brauchen eine Person, die jede halbe Stunde mal gucken geht." Gibt es so was?

[00:30:34.270] - Lisa Marie Kreutz
Das ist ganz unterschiedlich. Wenn wir jetzt in den Freizeitbereich gehen, in irgendwelche Freizeitreitställe, wo Leute paar mal die Woche hinkommen und irgendwie mit einem Schulpferd oder so im Kreis reiten, dann gibt es da inzwischen tatsächlich sehr engagierte Stallbesitzer, die da schon sehr ein Auge drauf haben, weil es eben schon Vorfälle gab, auch mit Stallangestellten und so. Also ich habe alles schon gehört, aber im Leistungssport ist es eher so: Du fährst ja auf die Turniere in deiner Gegend und du guckst dir sonntags die großen Springen an und siehst da die Leute, die die großen Springen mitreiten und die großen Springen im Optimalfall gewinnen. Und dann suchst du dir daraus jemanden aus, der jetzt dein Trainer wird, weil du genau das mal machen möchtest. Und dann sprichst du mit der Person oder deine Eltern sprechen mit der Person und dann macht ihr was aus und dann fahrt ihr da mal rüber zum Training oder in meinem Fall Ich bin halt bei meinem Coach im Stall und wir arbeiten den ganzen Tag miteinander und das ist halt ein sicheres Umfeld.

[00:31:28.810] - Nadia Kailouli
Weil du deinem Coach auch vertraust.

[00:31:31.150] - Lisa Marie Kreutz
Er ist ein ganz toller Mensch. Also mein Coach ist wirklich ein ganz, ganz toller Mensch.

[00:31:35.290] - Nadia Kailouli
Wie ist denn so die Reaktion von den Männern, jetzt mal. So wichtig das ja ist eben zu sagen: "Ey, wir müssen, wir können uns davor nicht mehr verschließen. Die Zahlen sprechen für sich und auch in unserem Sportbereich gab es eben sexuelle Übergriffe." Wie reagieren da Coaches, Trainer und so drauf? Bekommst du das irgendwie so gespiegelt, dass viele sagen so: "Ja ey, muss man ja aufpassen, dass man jetzt hier nicht zu lange im Stall ist oder so, weil dann bist du ja gleich einer von denen", oder so. Kriegst du so so Rückmeldung von den Leuten, also gerade von Männern, die sich angegriffen fühlen, weil wir jetzt sagen: "Sorry Leute, es ist zu viel passiert, wir müssen euch leider auch jetzt zu sehr oder ein bisschen genauer unter die Lupe nehmen."

[00:32:14.830] - Lisa Marie Kreutz
Also ich habe eigentlich sportintern nur positive Rückmeldungen erhalten, also alle finden das irgendwie ganz gut, dass ich aufkläre und versuche zu helfen und meine Geschichte halt auch teile. Ich habe ab und an mal Nachrichten von anderen Profireitern bekommen, die dann mich als Emanze betitelt haben und halt meinten, das wäre ja alles total überzogen und ich könnte ja inzwischen fast den halben Reitplatz in den Knast bringen und so Sachen musste ich mir dann anhören, aber da denke ich mir auch immer ja, na ja, also ich mache das, was ich mache aus einem Grund und ich finde, ich bin einfach im Recht, wenn ich sage: Ich finde das nicht gut, dass hier Leute teilweise vergewaltigt werden. Ich möchte was dagegen tun und ich möchte aufklären und sensibilisieren und Betroffenen vor allem auch helfen. Und dann gibt es wieder andere, die sagen, ja, ich würde die Sexualität verbieten wollen und das ist natürlich auch Quatsch. Ich denke mir, macht doch alle was ihr wollt, aber doch bitte einvernehmlich. Ich sage ja nicht, ihr dürft jetzt am Wochenende nicht mehr euren Spaß haben, sondern ich sage ja nur ihr habt Spaß, aber einvernehmlich und nicht auf Zwang.

[00:33:17.320] - Nadia Kailouli
Und akzeptiert die Grenzen.

[00:33:18.430] - Lisa Marie Kreutz
Und akzeptiert die Grenzen des Gegenübers. Ganz genau. Das ist es. Ja, aber sonst, ich habe eigentlich größtenteils von meinen Kollegen im Umfeld eigentlich nur positive Rückmeldungen. Also gibt es keinen, der irgendwie sagt: "Boah, das finde ich jetzt voll scheiße und du musst echt aufpassen", sondern alle wissen, das ist ein sehr kritisches Thema.

[00:33:34.600] - Nadia Kailouli
Aber trotzdem musst du ja als sehr junge Frau, wie ich finde, du bist eben 24 ja schon ganz schön was wegstecken. Also wenn du da über so öffentlich damit im Leben stehst, jetzt nicht nur mit deiner eigenen Geschichte, das meine ich gar nicht, sondern vor allem als ja, als eine, die aufklären will, die Präventionsmaßnahmen fordert, die sagt: "Okay, hier, wir müssen darüber reden, wir müssen irgendwie eine Anlaufstelle auch bilden." Da hast du dich ja überall dafür eingesetzt und dann kriegst du aber natürlich auch von anderen Leuten dann die Peitsche, die dann sagen: "Hier entspann dich mal, ja, ich will nicht, dass uns hier den Spaß verdirbst und du kannst den ganzen Reitplatz in den Knast bringen", oder was du da gerade gesagt hast. Ich finde, das ist jetzt auch nicht nichts, was man da verarbeiten muss als junge Frau. Wie gehst du damit um?

[00:34:20.770] - Lisa Marie Kreutz
Ja, das stimmt. Es ist teilweise schon hart, solche Sachen dann zu lesen oder zu hören. Aber ich habe das große Glück, dass ich nicht gerade auf den Mund gefallen bin und mir da in der Regel schon zu helfen weiß. Und ich kann das eigentlich ganz gut wegstecken. Also weil ich finde einfach, das ist ein Thema, das bietet wenig Raum zur Diskussion. Das ist ja für mich einfach eine Sache, die steht fest: Es ist nicht okay, Menschen zu vergewaltigen. Es ist auch nicht okay, jemanden anzufassen, der das nicht will oder jemanden auch verbal sexuell zu belästigen. Es ist nicht in Ordnung. Und dann ist das, was die Leute mir dann vorwerfen in dem Fall, das prallt einfach irgendwie ab, weil ich mir denke, das ist es ist eine Sache, die ist nicht verhandelbar. Und wenn du der Meinung bist, dann kann ich das, wenn du mir in der Art und Weise bin, das vermutlich auch leider nicht ändern mit einer ganz sachlich geführten Konversation, sondern dann ist das leider so. Aber ich für mich, ich kann das wegstecken, das macht mich nicht zu einem schlechteren Reiter, weil die Leute das sagen. Es macht mich auch vor allem nicht zu einer schlechteren Person, weil ich weiß, ich tue das Richtige und deswegen kann ich damit glaub ich ganz gut umgehen, Weil am Ende des Tages ist wichtig, dass ich in den Spiegel gucken kann. Das kann ich vielleicht sogar noch ein bisschen besser, seit ich mich für so eine Sache einsetzen darf.

[00:35:36.220] - Nadia Kailouli
Und das ist eben auch sehr wichtig, dass du dich dafür einsetzt, wie ich finde. Weil gerade beim Reitsport fängt man ja auch sehr, sehr jung an und da hat man eben noch nicht die, dass man sagt: "Ich bin jetzt hier nicht auf den Mund gefallen", weil man halt eben noch so jung ist, noch so klein ist, dass man die Erfahrung noch gar nicht gemacht hat, wie wehre ich mich eigentlich? Oder was bedeutet das eigentlich zu sagen: "Nein, das möchte ich nicht!" Wenn der Trainer sagt: "Komm, ich hab dich jetzt hoch", und die Hand geht eben an den Po, was ja eigentlich schon nicht okay ist. Was würdest du dir also wünschen, wie man im Reitsport eben jungen Menschen schon da klar macht, wo Grenzen sind? Ist es deiner Meinung nach zu früh oder müsste es schon bevor man aufs Pferd geht, müsste es da schon Aufklärungsunterricht geben für Eltern und für die Schülerinnen und Schüler? Oder wie würdest du das sehen?

[00:36:20.290] - Lisa Marie Kreutz
Ich finde es einfach. Das kommt jetzt darauf an, von welcher Altersklasse wir sprechen, weil ich finde es wichtig, dass Kinder in einer gewissen Form aufgeklärt werden. Ich finde es aber umso wichtiger, dass vielleicht bei den ganz Kleinen, sage ich mal, die gerade so anfangen und das erste Mal im Reitstall und so, dass die Eltern da auch so ein bisschen die Kontrolle haben und einfach ein bisschen auch mit hinschauen und genau mit den Leuten, wo sie die Kinder in die Obhut geben, wirklich auch Gespräche führen und einfach da ein Auge mit drauf haben.

[00:36:48.030] - Nadia Kailouli
Merkst du das jetzt bei, Instagram ist ja auch ein Kanal, der eher jetzt von den Kindern als von den Eltern benutzt wird. Obwohl, da sind wir ja dann eher dann bei Tiktok, aber merkst du, dass die Nachrichten, die dich erreichen, gerade auch von sehr jungen Menschen kommen? Oder sind es eher die Eltern, die dich anschreiben? Oder was würdest du sagen, was ist da so?

[00:37:06.780] - Lisa Marie Kreutz
Das Jüngste, da hat mir aber die Mutter geschrieben bei einem Mädchen, das war sieben Jahre alt, aber ansonsten sind da nach oben keine Grenzen gesetzt. Also mir haben wirklich Menschen aller Altersklassen geschrieben und.

[00:37:16.860] - Nadia Kailouli
Die schreiben dir dann von Erfahrungen, die sie gemacht haben?

[00:37:18.810] - Lisa Marie Kreutz
Die sie gemacht haben, genau. So war das da, als ich mit "Use Your Voice" gestartet habe und so die erste Welle, wo ich so viele Nachrichten bekommen habe. Das waren wirklich Menschen aller Altersklassen, auch Männer, die dann erzählt haben. 

[00:37:29.970] - Nadia Kailouli
Ja über die Männer, müssen wir ja auch sagen, über die haben wir jetzt noch gar nicht gesprochen. 

[00:37:32.700] - Lisa Marie Kreutz
Noch gar nicht gesprochen, aber das gibt es auch. 

[00:37:34.140] - Nadia Kailouli
Auch gerade der Reitsport eben wo Männer und Frauen auch gegeneinander antreten, glaube ich.

[00:37:38.940] - Lisa Marie Kreutz
Ja, wir sind die einzige und da bin ich ein bisschen stolz drauf, wir sind die einzige olympische Sportart, in der Männer und Frauen gleichberechtigt gegeneinander antreten.

[00:37:46.780] - Nadia Kailouli
Ja, genau. Deswegen sollten wir vielleicht jetzt auch mal über die Männer sprechen, die ja die gleichen engen Hosen tragen wie die Frauen und ja, durchaus auch Machtmissbrauchserfahrungen gesammelt haben, sexualisierte Gewalt erfahren haben. Hast du da auch Nachrichten bekommen?

[00:38:01.400] - Lisa Marie Kreutz
Ja, ich habe auch von ein paar Männern Nachrichten bekommen, die dann im Rahmen einer Party zum Beispiel auch abgefüllt worden. Und dann: "Komm, ich zeig dir mal meinen.." Also ich habe da eine spezielle Geschichte beziehungsweise ein Tatmuster. Ich habe die Geschichte in abgeänderter Form ein bisschen öfter gehört. Stallparties, die stattgefunden haben, wo dann Amateure eingeladen wurden zu den Profis auf den Hof und dann dabei sein durften und ein Teil davon sein durften von dieser Profi-Reitergang. Und dann haben sie die mit Alkohol abgefüllt und dann: "Ja komm, ich zeig dir mal mein Grand Prix Pferd", und dann blieb es leider nicht beim Pferd streicheln. So, das sind so Sachen, die ich gehört habe und das ist in der Pandemie passiert speziell.

[00:38:44.370] - Nadia Kailouli
Also, dass Profisportler Amateure eben eingeladen haben.

[00:38:49.350] - Lisa Marie Kreutz
Das Machtverhältnis als Profi ausgenutzt haben, das habe ich gehört.

[00:38:52.110] - Nadia Kailouli
Ja, okay, und das ist dann in dem Zusammenhang zur sexuellen Übergriffen kam?

[00:38:55.380] - Lisa Marie Kreutz
Ganz genau. Ja, also die die Story habe ich öfter gehört von verschiedenen Personen in verschiedenen Zusammenhängen und das ist aber dieser Tathergang, das fand ich schon schon krass.

[00:39:06.960] - Nadia Kailouli
Wenn wir jetzt noch mal auf diesen Machtmissbrauch auch gucken wollen oder dieses: "Ich lade dich ein in meine Welt", egal jetzt, welches Geschlecht dahinter steckt, aber ist es so eine elitäre Zusammenkunft von Menschen, die sich diesen Sport leisten können?

[00:39:23.280] - Lisa Marie Kreutz
Absolut nicht.

[00:39:23.580] - Nadia Kailouli
Nein? Die sich das, die das dann auch so ausnutzen und sagen: "Wir sind hier die Reitprofis." Ich weiß ja, das ist ja so ein bisschen auch ja dieses...

[00:39:30.810] - Lisa Marie Kreutz
Wir sind weniger elitär als das im Fernsehen dargestellt wird. Ganz klar.

[00:39:33.560] - Nadia Kailouli
Ist das so? Ich stelle mir auch vor, dass die die ganze Zeit die Champagnerflaschen da rumgehen.

[00:39:39.000] - Lisa Marie Kreutz
Das wäre wundervoll, aber so ist das leider nicht. Natürlich stehen auch Leute hinter dem Sport, die richtig Geld haben und da gibt es viele Leute, die einfach finanziell sehr gut bestückt sind, die den Sport selbst ausüben oder wo die gute Familien, wo die Kinder den Sport ausüben. Das gibt es natürlich, ja, aber es gibt auch, sage ich mal, die in Anführungszeichen normalen Menschen, die diesen Sport ausüben und dann halt als Bereiter irgendwo angestellt sind und die Pferde auf Turnieren vorstellen und so, also nicht jeder bei uns ist reich. Ich glaube, ich würde mich fast aus dem Fenster lehnen und sagen, es ist fast unmöglich mit diesem Sport reich zu werden.

[00:40:15.450] - Nadia Kailouli
Ja, aber dass das Geld halt eher aus der Familie dann eben kommt und ich habe mich jetzt eher so, ohne dass ich... Ich finde, jedem gebührt sein Euro, den er auch verdient hat. Alles gut so, aber ich habe mich gerade gefragt, ob das auch etwas ist, was man als Macht und Druckmittel ausnutzten kann dieses so: "Du kannst es dir ja nicht leisten dabei zu sein, aber ich lade dich gerne ein, aber dafür verlange ich dann natürlich auch eine Gegenleistung."

[00:40:39.490] - Lisa Marie Kreutz
Das habe ich so in der Form noch nicht gehört, also aber nur weil ich es nicht gehört habe, heißt das nicht, dass es nicht passiert, aber hat in meinem Kosmos so noch nicht stattgefunden.

[00:40:46.790] - Nadia Kailouli
Also ich kann es mir gerade gut vorstellen, dass Geld auch immer wieder etwas ist, was man als Druckmittel verwenden kann.

[00:40:53.510] - Lisa Marie Kreutz
In jedem Fall. 

[00:40:53.960] - Nadia Kailouli
Jetzt frage ich mich, was können wir tun, um da besser noch eine Sensibilität herzurichten? Und ich frage mich gerade, fängt es nicht schon damit an, dass wir zum Beispiel sagen: "Ach, das ist so ein Pferdemädchen"?

[00:41:05.660] - Lisa Marie Kreutz
Ah, dieser Begriff. Ich hasse diesen Begriff so sehr. 

[00:41:09.860] - Nadia Kailouli
Aber das ist ja, eigentlich ist es ja schon, da fängt es ja an, dass wir sagen: "Ey hallo, was soll das eigentlich?"

[00:41:14.960] - Lisa Marie Kreutz
Einfach die Kategorisierung eines Menschens und in diese Pferdemädchen Schublade zu stecken. Ich finde das sehr schwierig, weil ich finde auch immer auch dieser Begriff "Pferdemädchen", das degradiert so ein bisschen die Leistung, die wir eigentlich bringen. Und ja, ich würde mich halt einfach freuen, wenn auch unser Sport von der Gesellschaft ernst genommen wird. Das ist eigentlich alles, was ich dazu sagen kann.

[00:41:36.980] - Nadia Kailouli
Und obwohl eben auch in eurem Sport eben sexualisierte Gewalt stattfindet, man die Sportlerinnen und Sportler aber eben nicht sexualisiert!

[00:41:45.080] - Lisa Marie Kreutz
Ganz genau.

[00:41:46.040] - Nadia Kailouli
Wenn ich das mal so zusammenfassen soll. Lisa, ich weiß, dass du wieder zurück musst in den Süden, nach Stuttgart, glaube ich?

[00:41:53.720] - Lisa Marie Kreutz
Nach Stuttgart genau.

[00:41:54.250] - Nadia Kailouli
Ja, weil du heute für uns ja deine Trainingsphase kurz unterbrochen hast und dein Pferd heute ohne dich klarkommen musste.

[00:42:00.580] - Lisa Marie Kreutz
Natürlich.

[00:42:01.220] - Nadia Kailouli
Aber ich sage vielen, vielen Dank, dass du heute bei einbiszwei warst, dass du uns Einblick gegeben hast in den Profireitsport und so intensiv und aktiv aufklärst zum Thema sexualisierte Gewalt. Vielen Dank, Lisa.

[00:42:13.430] - Lisa Marie Kreutz
Vielen Dank, dass ich hier sein durfte.

[00:42:19.380] - Nadia Kailouli
Ja, Lisa hat uns jetzt mal so einen super Einblick gegeben in diesen Profireitsport und wie wichtig es ist, dass man eben in diesem Sportbereich auch über sexualisierte Gewalt spricht. Und ich fand es auch gut, dass Lisa gesagt hat, hier diese Reitpartys, darüber wurde ja auch des Öfteren berichtet, Alkoholkonsum, Grenzüberschreitung etc., dass es natürlich problematisch ist, aber ich konnte ihren Punkt eben auch sehr gut verstehen, dass sie sagt, ich will jetzt nicht, dass man uns die Partys wegnimmt, weil wir sind junge Menschen und wir wollen natürlich dann auch, wenn wir schon mal alle zusammenkommen, eben Spaß haben. Aber nichtsdestotrotz klar muss man wissen, wo sind da die Grenzen und dass man solche Veranstaltungen eben nicht ausnutzt. Aber ich kann es verstehen, wenn man sagt, ey Leute, lasst doch einfach mal auch ein bisschen Spaß beim Training haben.

[00:43:08.930] - Nadia Kailouli
An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz herzlich bei euch bedanken, dass ihr uns so treu zuhört und dass ihr auch bei schwierigen Themen dranbleibt. Wenn ihr wollt, dann folgt uns doch gerne, abonniert unseren Kanal und wenn ihr uns persönlich einmal schreiben wollt, dann könnt ihr das natürlich sehr gerne tun. Eine Email könnt ihr einfach schreiben an presse@ubskm.bund.de.

Lisa Marie Kreutz ist erfolgreiche Springreiterin, liebt ihre Pferde und ihren Sport - und ist angeekelt von sexistischen Sprüchen und sexuellen Übergriffen in der Szene. Deshalb hat sie die Kampagne „Use Your Voice Equestrian” gestartet.

Mehr Infos zur Folge

Mit 16 wurde Lisa Marie Kreutz bei einem Turnier vergewaltigt, 2019 geht sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit – und löst damit eine Welle aus: Über tausend Betroffene melden sich bei ihr und berichten von sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt. Für Lisa ist klar: Ich muss etwas unternehmen – sie startet die Kampagne Use your voice Equestrian” (Erhebe deine Stimme, Reitsport).

Was sich dringend im Pferdesport ändern muss und wie sie sich seitdem gegen sexuelle Gewalt einsetzt, erzählt sie bei einbiszwei.

WEITERE INFOS + HILFEANGEBOTE:

Instagram
@lisamariekreutz

Homepage von Lisa Marie Kreutz
Steckbrief | Lisa Marie Kreutz  

„Use Your Voice Equestrian”
Website zur Kampagne von Lisa Marie Kreutz

Youtube Video von Lisa Marie Kreutz zur Aktion
YouTube | “#uyvequestrian - Gegen sexualisierte Gewalt”

Pferdemädchen Podcast
Google Podcast | “#30 #uyvequestrian • Use Your Voice Equestrian mit Lisa Marie Kreutz”

Ein Artikel zur Gründung eines Betroffenenrat im Reitsport
Sportschau | Betroffenenrat im Reitsport - "Wir sind viele"

Deutsche Reiterliche Vereinigung. Bundesverband für Pferdesport und Pferdezucht:
Schutz vor sexualisierter Gewalt

Wer im Sport sexuelle Gewalt erlebt hat, kann sich an die "Ansprechstelle Safe Sport" wenden:
www.ansprechstelle-safe-sport.de
Telefonische Beratung 0800 11 222 00 Mo, Mi, Fr 10-12 Uhr Do 15-17 Uhr
per mail: beratung@ansprechstelle-safe-sport.de

einbiszwei – der Podcast über sexuelle Gewalt

einbiszwei ist der Podcast über Sexismus, sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt. einbiszwei? Ja genau – statistisch gesehen gibt es in jeder Schulklasse in Deutschland ein bis zwei Kinder, die sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Eine unglaublich hohe Zahl also. Bei einbiszwei spricht Gastgeberin Nadia Kailouli mit Kinderschutzexpert:innen, Fahnder:innen, Journalist:innen oder Menschen, die selbst betroffen sind, über persönliche Geschichten und darüber, was getan werden muss damit sich was ändert. Jeden Freitag eine neue Folge einbiszwei – überall, wo es Podcasts gibt. Schön, dass du uns zuhörst.

Wenn Sie Fragen oder Ideen zu einbiszwei haben:

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