Berlin, 23.06.2025. Im Rahmen der JugendPolitikTage 2025, veranstaltet von der Jugendpresse Deutschland, diskutierten am vergangenen Freitag rund 20 junge Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren drängende Fragen digitaler Sicherheit: Wie kann das Alter im Netz verlässlich überprüft werden? Welche Online-Dienste sollten altersbeschränkt sein? Und welche Rolle kann Altersverifikation beim Schutz vor sexualisierter Gewalt spielen? Unter dem Titel „Grooming, Sextortion & Co.: Wie Altersgrenzen online schützen können“ lud die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Kerstin Claus, gemeinsam mit weiteren Vertreter:innen des UBSKM-Amtes, zum interaktiven Workshop ins Berlin Congress Center.
Der Fokus lag dabei auf einem Austausch auf Augenhöhe: Junge Menschen brachten ihre Perspektiven, Erfahrungen und Forderungen ein – und lieferten wichtige Impulse für die Weiterentwicklung von Schutzkonzepten im digitalen Raum. „Kinder und Jugendliche brauchen sichere Räume im Netz – so wie sie sie auch offline haben sollten. Altersverifikation kann dabei ein wichtiges Instrument sein, wenn sie wirksam, verhältnismäßig und datenschutzkonform ausgestaltet ist“, betonte Kerstin Claus. „Wir wollen dabei nicht über, sondern mit jungen Menschen sprechen – sie können gut einschätzen, wo die Risiken liegen und wie Schutz gelingen kann.“
Der Workshop bot einen niedrigschwelligen Einstieg. In kurzen Inputs vermittelte das UBSKM-Team, welche Dimension das Thema hat: Digitale sexuelle Gewalt habe viele Gesichter und betreffe Kinder und Jugendliche erschreckend häufig. Laut aktueller Studien der Medienanstalt Nordrhein-Westfalen seien etwa 25 % der Kinder und Jugendlichen zwischen 8 und 17 Jahren bereits von Cybergrooming betroffen. Trotzdem blieben viele Schutzmechanismen im Netz bislang lückenhaft. Die derzeitigen Alterskontrolle im Netz beruhe meist auf Selbstauskunft – ein System, das leicht zu umgehen sei.
In Kleingruppen und der anschließenden Plenumsdiskussion diskutierten die Teilnehmenden engagiert und mit spürbarem Bewusstsein für die Komplexität des Themas. Gemeinsam sprachen sie darüber, wo Altersgrenzen im Netz hilfreich sein könnten und entwickelten Kriterien, die aus ihrer Sicht bei einer möglichen Überprüfung des Alters im Netz unbedingt beachtet werden sollten. Was dabei deutlich wurde: Die Jugendlichen verstehen sich nicht als passive Zielgruppe, sondern als aktive Gestalter:innen, die ihre Lebensrealität im Netz sehr genau kennen – und sich ernst genommen fühlen wollen. „Wir sind nicht die Jugend. Es gibt viele unterschiedliche Perspektiven, die gehört und dokumentiert werden sollten“, sagte Yola (20).
Die Beauftragte betonte gegenüber den jungen Menschen ihre Erwartungen an die Politik: Gesetzliche Regelungen müssten sich an bewährten Schutzmechanismen aus der analogen Welt orientieren und klare Regeln aufstellen. Junge Menschen hätten ein Recht auf sichere Räume auch im Netz, ohne dass deswegen ihre digitale Teilhabe in Frage gestellt werden dürfe. Deswegen brauche es differenzierte Lösungen, die gleichermaßen sowohl den Kinder- und Jugendschutz wie auch unsere demokratischen Freiheitsrechten berücksichtigen. Wiederholt wurden Themen wie Anonymität, informationelle Selbstbestimmung und der verantwortungsvolle Umgang mit persönlichen Daten auf Seiten der Teilnehmenden betont. „Mir sind Anonymität im Internet, Privatsphäre und Datenschutz ziemlich wichtig“, erklärte Nicolas (19) – und plädierte für Modelle, bei denen Plattformen möglichst wenig persönliche Daten erhalten. „Wenn Regelungen zu Altersgrenzen kommen, müssen diese Aspekte unbedingt mitgedacht werden.“
In der Diskussion über mögliche Modelle zur Altersverifikation brachten die Teilnehmenden unterschiedliche Ansätze ein – einige davon setzten auf eine Prüfung durch vertrauenswürdige Drittstellen oder auf eine gerätebasierte Altersabfrage. Pia (20) erläuterte ihre Idee so: „Am ehesten kann ich mir eine Alterskontrolle beim Einrichten eines Geräts, also zum Beispiel eines Smartphones, vorstellen. Dort muss man ja ohnehin Angaben machen – da könnte man auch das Alter mit angeben. Die Plattformen würden dann nur das bekommen, was sie wirklich brauchen: zum Beispiel ‚über 16‘ oder ‚unter 18‘.“
Ein zentrales Anliegen der Teilnehmenden war es, nicht nur über technische Lösungen zu sprechen, sondern über Verantwortungsfragen. Viele betonten, dass Technik allein nicht ausreicht, um Kinder und Jugendliche zu schützen – vielmehr brauche es umfassende Medienkompetenzvermittlung, niedrigschwellige Hilfeangebote und eine klare Fokussierung auf die Täterseite. „In bestimmten Situationen sind nicht die Kinder und Jugendlichen das Problem, sondern Erwachsene“, betonte Pia (20). „Deshalb sollte man überlegen, ob man nicht eher die ausschließen will – und nicht die Kinder und Jugendlichen.“
Hintergrund
Die Veranstaltung wurde vielfach von der intensiven öffentlichen Debatte rund Altersverifikationen und Social-Media-Verboten geprägt. Kerstin Claus sieht aktuell ein Zeitfenster, um endlich den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz deutlich zu verbessern. Sowohl auf Bundes- als auch auf EU-Ebene gebe es aktuell zahlreiche Initiativen, die auf eine wirksame Kontrolle von Altersgrenzen im Netz abzielen. Neben nationalen Initiativen, wie dem Koalitionsvertrag und den Forderungen von Ministerien, liefen auch auf EU- und internationaler Ebene konkrete Vorstöße zur Einführung verbindlicher Altersgrenzen und effektiver Altersverifikation. So plane die EU-Kommission ab Juli 2025 die Testphase einer Altersverifikations-App in mehreren Mitgliedstaaten.
Die JugendPolitikTage fanden zum mittlerweile fünften Mal statt. Sie bieten jungen Menschen eine Plattform, um auf Augenhöhe mit politischen Entscheidungsträger:innen und Expert:innen zu diskutieren. Das vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) geförderte Projekt stärkt nachhaltig die Jugendbeteiligung an zentralen gesellschaftspolitischen Fragestellungen.
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