PODCAST | Folge 49 | Thomas Schüller

„Die Kirche hat sich bis in die jüngste Zeit angemaßt, über die Herzen und Betten ihrer Gläubigen entscheiden zu wollen.“




Wenn Sie diesen bereitgestellten Inhalt aufrufen, kann es sein, dass der Anbieter Nutzungsdaten erfasst und in Serverprotokollen speichert. Auf Art und Umfang der übertragenen bzw. gespeicherten Daten hat die UBSKM keinen Einfluss. Weitere Informationen zu den von FeedPress erhobenen Daten, deren Speicherung und Nutzung finden Sie in der Datenschutzerklärung des Anbieters.

Folge hier anhören

Das Interview der Folge 49 als Transkript lesen

[00:00:00.360] - Thomas Schüller

Wie viel Zeit haben wir?

[00:00:02.220] - Nadia Kailouli

Wie viel Zeit wir haben?

[00:00:02.910] - Thomas Schüller

Wie viel sollen wir denn reden?

[00:00:04.230] - Nadia Kailouli

Wir reden einfach mal, ich würde sagen, 30, 40 Minuten.

[00:00:07.572] - Thomas Schüller

Gut.

[00:00:07.680] - Nadia Kailouli

Super.

[00:00:08.340] - Thomas Schüller

Und ich soll möglichst nicht so professoral lang quatschen? Immer kurze Antworten, ne?

[00:00:11.810] - Nadia Kailouli

Nein, Sie antworten bitte so, wie Sie gerade sich danach fühlen.

[00:00:14.720] - Thomas Schüller

Ok.

[00:00:16.150] - Nadia Kailouli

Hi. Herzlich willkommen bei einbiszwei, dem Podcast über Sexismus, sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. einbiszwei? Ja, genau. 1 bis 2 Kinder sind in jeder Schulklasse in Deutschland sexueller Gewalt ausgesetzt. Wieso das so häufig passiert und was man gegen sexuelle Übergriffe tun kann, das erfahrt ihr hier bei einbiszwei. Ich bin Nadia Kailouli und in diesem Podcast spreche ich mit Expert*innen, Journalist*innen und Betroffenen. Wir reden über akute Missstände, Anlaufstellen und persönliche Geschichten. Wenn es euch damit aber nicht so gut gehen sollte. Wir haben in den Shownotes Telefonnummern und Hilfeangebote verlinkt, wo ihr Hilfe findet. Hier ist einbiszwei. Schön, dass du uns zuhörst.

[00:01:00.270] - Nadia Kailouli

Nestbeschmutzer oder auch gleich Antichrist. Wann immer sich der Kirchenrechtler Thomas Schüller zu Missbrauchsskandalen oder gescheiterten Reformbemühungen in der katholischen Kirche äußert, sieht er sich Hass oder auch gleich konkreten Drohungen ausgesetzt. Dabei ist er gar kein Feind der Kirche. Der studierte Theologe ist gläubiger Christ. Schüller ergreift immer wieder Partei für diejenigen, die missbraucht wurden. Äußert sich unerschrocken zu verkorkster Sexualmoral und verkrusteten Machtstrukturen. Ob die Kirche also noch zu retten ist? Das erzählt mir Thomas Schüller in dieser Folge. Und ich sage Herzlich willkommen, Thomas Schüller bei einbiszwei.

[00:01:33.480] - Thomas Schüller

Hallo! Guten Tag.

[00:01:33.960] - Nadia Kailouli

Herr Schüller, ich frage Sie auch "Du" oder "Sie"? Wie fühlen Sie sich? wohler?

[00:01:39.360] - Thomas Schüller

Ich bin Rheinländer.

[00:01:40.470] - Nadia Kailouli

Also du.

[00:01:41.280] - Thomas Schüller

Ja, genau.

[00:01:41.820] - Nadia Kailouli

Thomas, wir reden heute über die Kirche. Wann bist du das letzte Mal in die Kirche gegangen und hast gesagt, du glaubst jetzt gar nichts mehr.

[00:01:47.820] - Thomas Schüller

Das ist Gott sei Dank noch nicht passiert. Ich gehe aber immer seltener in die Kirche, weil ich das nicht mehr aushalte, was da vorne erzählt wird. Das ist natürlich auch das Schicksal eines Theologen und Kirchenrechtlers, dass er ordentlich Theologie studiert hat und dann ja manchmal da Sachen hört, wo er sagt, das ist nicht das Wort Gottes oder das ist jetzt wieder Angst einflößend oder das ist moralisch, das mag ich überhaupt nicht. Das ist vielleicht auch mit meiner rheinischen Herkunft verbunden, aber der Glaube ist mir noch nicht abhanden gekommen, das muss ich ehrlich sagen, obwohl ich das Schlimme ja seit vielen Jahren ständig jeden Tag um mich herum habe.

[00:02:18.980] - Nadia Kailouli

Genau. Du kümmerst dich um die Menschen oder die Menschen, die sexuellen Missbrauch erlebt haben in der Kirche, können sich an dich wenden und können mit dir auch im rechtlichen Sinne einen Weg für sich finden. Nichtsdestotrotz, sagst du, ist dir der Glaube noch nicht abhandengekommen, obwohl wir ja wissen, dass beim Thema Aufarbeitung der Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche nun einiges ja nun wohl nicht so gut läuft.

[00:02:43.170] - Thomas Schüller

Das ist wohl wahr. Also wir haben durch die MHG-Studie, aber viele andere Studien weltweit, gesehen, dass vor allen Dingen dieses klerikale männerbündische System, dass also nur Männer meinen, die Macht über Menschen zu haben, aber eine oft nicht integrierte Sexualität, weil die katholische Kirche ja auch meint, über die Sexualität des Menschen bestimmen zu können, dass nur einteilt in Mann und Frau und nur in Ehe, und nur da ist Sexualität legitim. Es gibt viele Ursachen, die die Kirche selbst verursacht hat, aber die haben eigentlich mit dem Evangelium kaum was zu tun. Aber die Kirche behauptet natürlich, das hätte was mit der Botschaft Jesu zu tun. Aber das kann ich als Theologe oder als gläubiger Mensch schon noch unterscheiden, was diese Institution im Namen Gottes meint den Menschen anzutun. Und die systemischen Ursachen, das sind die Dinge, an denen ich viel Arbeit und wo ich dann natürlich in der Begleitung der Betroffenen, ich rede nicht so gern von Opfern, von den Betroffenen eben sehe und versuche, denen ein Stück Gerechtigkeit und Selbstwert wieder zu geben, dass sie wieder aufrecht stehen können. Und das ist ungemein schwer.

[00:03:39.180] - Thomas Schüller

Bleiben wir doch einmal bei den Betroffenen. Wie bist du überhaupt dazu gekommen, als Theologe zu sagen: "Okay, ich bin Anlaufstelle im rechtlichen Sinne, eben auch für Betroffene, die sexueller Missbrauch innerhalb der Kirche erlebt haben"?

[00:03:52.950] - Thomas Schüller

Es gibt zwei Gründe. Der eine ist, ich war ja lange bevor ich Professor wurde, im kirchlichen Dienst. Ich war Leiter der Rechtsabteilung Kirchliches Recht in einer Zeit, wo diese Fälle von Bischof und Generalvikar aber noch nicht weitergegeben wurden oder nur vereinzelt. Also ich hatte mit diesem Thema zu tun und sehr prominente Fälle da auch, die mir überhaupt in meiner ganzen Unbedarftheit diese Schicksale erst vor Augen geführt haben. Ich habe immer versucht, weil ich auch Kirchenanwalt war, das ist ein anderes Wort für Staatsanwalt, also sexueller Missbrauch ist auch nach kirchlichem Strafrecht eine schwere Straftat. Und da habe ich damit zu tun bekommen, war aber immer eingebunden in ein Vertuschungssystem. Das hat mich kirre gemacht. Also ich war auch schockiert, als der Bericht über Limburg kam. In der Diözese war ich. Wie viele Fälle ich überhaupt nicht mitbekommen habe, weil man sie vor mir verborgen hat. Und dann kommt das zweite hinzu, ich bin Theologe, aber eben auch noch mal fachspezifisch ausgebildet als Kirchenrechtler. Da lernt man diese Normen kennen, lernt man auch die prozessrechtlichen Dinge kennen. Und dann hat sich schon in der Limburger-Zeit aus anderen Diözesen gezeigt, dass irgendwie ich so einen Namen hatte. Die katholische Kirche ist ein Dorf, das ich wohl adäquat menschlich, aber auch rechtlich gut mit den Leuten umgehe. Das war immer die Rückmeldung. Es gibt ja auch zum Beispiel viele Priester unter den Betroffenen sexualisierter Gewalt, die dann selbst von Priestern missbraucht wurden. Und so bin ich da in so eine Rolle reingekommen. Und ich habe mir gesagt, als ich dann Professor wurde in Münster, dass ich nicht die Beschuldigten vertrete, die haben Recht auf Verteidigung, aber ich will entschieden nur die Betroffenen vertreten mit meinem Insiderwissen, ich kenne die Kirche von Innen bestens und ich kenne mich auch in den Orden gut aus. Das müssen wir noch mal unterscheiden. Die Orden sind nämlich noch restriktiver, noch hartleibiger, was Entschädigung, was sie überhaupt sich einlassen auf deren Geschichten angeht. Und so sind mir dann über die Jahre viele, das ist dann so Mund zu Mund weiter sagen, sind mir viele zugefallen und wenn man mit einem Betroffen zu tun hat, auch wenn man den Fall geklärt hat, Entschädigungen oder die noch lebenden Täter sind überführt worden, sie bleiben ein Leben lang mit denen in Kontakt. Das ist eine lebenslang verbindende Geschichte, sodass ich irgendwann auch sagen musste, ich kann nicht alles übernehmen. Aber ich bilde ja jetzt in Münster Frauen und Männer aus, die selbst Anwältinnen, Anwälte werden. Und da legen wir einen großen Schwerpunkt darauf. Die nächste Generation übernimmt dann auch Aufgaben. Ich kann nicht die Welt erlösen.

[00:06:11.010] - Nadia Kailouli

Das wäre ein bisschen viel verlangt. Aber warum kann man der Kirche nicht abverlangen, dass sie ihre Missbrauchsfälle eben anders angehen, als sie es bisher tun? Warum kümmert sich der Staat dann nicht drum? Warum ist die Staatsanwaltschaft nicht da aktiv, so wie du aktiv bist? Man könnte ja meinen, du bist der Staatsanwalt, der da irgendwie mehr die Legitimation hat, sich drum zu kümmern als im staatlichen Sinne eben.

[00:06:35.700] - Thomas Schüller

Ja, das ist ein ganz wichtiges Thema, das Politische. Mir ist immer klarer geworden über die Zeit und das zeigen auch einzelne Studien mittlerweile, dass gerade in konfessionell homogenen Gebieten evangelisch/katholisch, es natürlich in den Zeiten 60er, 70er, 80er-Jahre, wo die Hauptbetroffenen-Gruppen, die sind heute 60, 70, zu finden sind, danach allerdings auch, dass das natürlich katholische Polizistinnen und Polizisten, katholische Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gab. Katholische Richterinnen und Richter, und die kannst du auch mit evangelisch tauschen, die äußerst mildtätig mit klaren Straftaten, wenn sie denn überhaupt gewählt wurden, umgingen. Es gibt eine Geschichte aus der Münsteraner-Studie, da hat ein katholischer Generalstaatsanwalt bei dem Bischof angerufen und gesagt: "In einer Stunde holen wir ihn." Der war ein Wiederholungstäter, der war schon mal verurteilt, ein Priester. "Oder ihr holt in." Und da hat der Bischof direkt seinene Dechanten losgeschickt und dann wurde der einfach versteckt. Also das hat es lange gegeben und es gibt also eine Beißhemmung der staatlichen Strafverfolgung überhaupt. Es gibt generell das Problem auch für Opfer sexualisierter Gewalt im nicht kirchlichen Kontext überhaupt, dass man ihnen glaubt. Also meine Erfahrung ist, dass auch staatliche Strafverfolgung mittlerweile sensibilisiert. Es gibt spezielle Kommissariate, aber das ist jetzt eine jüngere Entwicklung, dass die Betroffenen oft den Eindruck haben, ihnen wird nicht geglaubt und dann zurückweichen und sagen: "Die glauben mir auch nicht, da gibt es kein Vertrauen." Und die Kirche hat von ihrer großen gesellschaftlichen Bedeutung profitiert. Also wir haben jetzt das Beispiel mit Karl Lehmann, der war ja einer der Intellektuellen Deutschlands. Kardinal, Gelehrte, lustig, hat viele Preise bekommen und er war eiskalt zu Opfern sexualisierter Gewalt. Also die Kirche hat ja immer zwei Gesichter gehabt. Sie hat immer ihre Hinwendung zum Nächsten gezeigt, aber ihre Kleriker-Täter, die hat sie immer geschützt. Und es gab eine Justiz, die sich nicht getraut hat, dem nachzugehen. Insofern, da arbeite ich ganz viel dran, dass ich das immer deutlicher ins Wort fasse. Da krieg ich auch richtig Ärger mit manchmal. Landesjustizministern. Der FDP- Landesjustizminister in Rheinland-Pfalz, weil ich das zu Lehmann auch gesagt habe, es hätte sich ja keiner getraut, gegen Kardinal Lehmann vorzugehen, der so populär ist in der Bevölkerung. Oh, da war er sauer. Aber das ist ein Feld, wo Kirche sehr stark aufarbeiten muss. Kirche hat immer vertuscht, bis in die jüngste Zeit hinein. Selbst, als die Normen schon strenger waren. Aber der Staat ist dem auch nicht hinterher gegangen. Und meine Erklärung, warum auch bei Sportverbänden, in Schulen, auch in staatlichen Einrichtungen geschieht ja auch Missbrauch: Es ist einfach kein Wahlkampfthema. Damit kannst du keine Wahlen gewinnen. Wichtiger sind andere Politikfelder. Und das sind arme "Opfer". Jetzt sage ich es mal so. Das sind "Opfer", wie man auf dem Schulhof das oft als Schimpfwort hört. Und die haben keine Lobby, die haben schlicht und ergreifend keine Lobby. Und da kämpfe ich nicht nur, also ich begleite die Leute als Anwalt. Aber ich merke immer mehr, dass ich auch politisch aktiv werden muss und da nutze ich mal eine gewisse Bekanntheit/Popularität. Ich bin ja relativ medial bekannt und sag das dann auch in die Kamera oder beim Radiointerview und merke jetzt, in München war es die erste Durchsuchung mit richterlichen Beschluss im Erzbischöflichen Palais im Ordinariat. Und jetzt zeigen langsam erste Staatsanwaltschaften, dass es auch staatliche Instrumente gibt, um Beweise zu finden. Denn solange du nicht in den kirchlichen Räume, in die Archive reingehst, findest du ja keine Beweise. Und das ist jetzt aber eine ganz junge Entwicklung. Das sieht in anderen Ländern der Welt komplett anders aus.

[00:09:50.010] - Nadia Kailouli

Wie reagiert man da auf dich? Also ist man froh, dass du da bist? Oder wünschte sich der ein oder der andere in der katholischen Kirche, dass Thomas Schüller gar nicht erst zum Vorschein gekommen wäre, weil man dich eher als Feind der Kirche sieht?

[00:10:04.590] - Thomas Schüller

Ja, es gibt sowohl, das ist interessant jetzt, also man würde denken, dass die Konservativen, die Rom-Treuen, die Bischofs-Treuen, die sagen auch: "Es ist mal gut mit dem Thema", wie man bei uns in Köln sagt. "Lass mal gut sein." Nö, es ist eine Wunde, die nie verheilen wird und wir müssen sie offenhalten, damit die Betroffenen ihren Schmerz auch wirklich frontal denen einen Kopf knallen können, denen das unangenehm ist, die natürlich auch die Zeche zahlen als heutige Verantwortungsträger für ein Verhalten ihrer Vorgänger. Es sind alles Männer, alles Bischöfe. Aber sie müssen dazu stehen. Das ist eine Schuldgeschichte. Und es gibt das auch in dem liberalen-, reformorientierten- Lager. "Reden wir doch lieber über die Liebe Gottes, reden wir lieber über grüne, christliche Politik. Es ist ja mal langsam gut, die kriegen ja ihre Entschädigung." Das ist nicht eine Frage der kirchenpolitischen Positionierung. Sondern auch die guten Liberalen, die muss man dann auch nochmal sortieren nach liberalen Bischöfen, wenn die vertuscht haben. "Aber die sind ansonsten so nette Bischöfe."

[00:10:58.260] - Thomas Schüller

Ne, und da bin ich zum Beispiel unbestechlich. Das ist auch der Jurist in mir. Wenn ein Bischof, ich nenne jetzt mal Namen, Bischof Bode von Osnabrück bis in die jüngste Zeit bei einer Beziehung einer gerade 14-jährigen mit einem Priester, der mit ihr schläft, sagt: "Die hätten eine Liebesbeziehung geführt." Bischof, schon die Terminologie ist falsch. Eine 14-Jährige kann keine Beziehung zu einem erwachsenen Mann haben. Das geht dann ab 17, 18, 19 kann das schon mal sein, zu einem 21-Jährigen, klar. Aber, da sage ich genauso, obwohl das ein Reformorientierter, ich bin eher ein kritischer Theologe, ich sage: "Das ist Vertuschung." Und der Bischof muss noch viel lernen bzw. sollte sich fragen, ob er nicht mal Verantwortung übernimmt. Aber das ist im katholischen Lager wirklich nicht nach rechts und links zu sortieren. Und insgesamt bin ich deswegen so ein bisschen nicht kritisierbar oder nicht packbar, weil ich halt zu lange in der Kirche war. Ich kenne die Kirche so von Innen. Ich war auch persönlicher Referent eines Bischofs. Ich kenne diese Gedanken und Machtstrukturen bis in die kleinsten Verästelungen und man kann mir nicht ein X für ein U vormachen, wenn mir irgendeiner aus dem Generalvikariat so und so sagt: "Aber es war gar nicht so." Und dann weiß ich genau, wie die Entscheidungswege sind. Die sind nicht in Lehrbüchern hinterlegt, die sind einfach geübte Praxis. Insofern bin ich ein bisschen gefährlich für die Bischöfe und bin aber nicht gut gelitten dafür, das muss ich sagen. Und ich kriege von, weil ich mich auch zu Reformthemen -  natürlich Frauenweihe und so -  bin ich natürlich eher ein linker Theologe. Also ich habe schon Phasen gehabt, wo ich unter Polizeischutz stand, gerade bei Woelki, zweimal. Ich habe zwei längere Phasen gehabt, ich hab das nicht so ernst genommen, aber ich habe ein Bruder der ist Jurist, also der ist Anwalt. Und der hat gesagt: "Spaß mal nicht so, du hast eine Familie." Und es gibt eine krasse Radikalisierung im rechten katholischen Lager, die auch vernetzt sind wieder mit der rechten politischen Szene. Ob die das tatsächlich machen würden? Aber die sagen auch: "Du bist ein Nestbeschmutzer, weil du immer die Betroffenen ins Wort fasst und mit den kämpfst gegen die Kirche, wird das dann immer gesagt, gegen die Kirche." Aber da bin ich, glaube ich auch, ein unerschrockener Rheinländer. Also Angst habe ich nicht, aber ich nehme die Hinweise dann ernst. Ich habe vor Tagen einen Brief bekommen. "Wir sind die Prätorianergarde des Kardinals von Köln. Und wenn wir dich bekommen, bist du tot." Das sind ganz mutige Leute.

[00:13:02.740] - Thomas Schüller

Das ist aber schon eine Morddrohung, die du da bekommen hast.

[00:13:05.980] - Thomas Schüller

Die muss man auch der Polizei dann geben und anzeigen. Aber das hängt dann mit dem Image, was so über mich besteht. Aber über die Jahre wird man da, also die machen mir keine Angst. Aber ich muss meine Familie schützen. Das ist der Punkt.

[00:13:19.660] - Thomas Schüller

Das sind jetzt aber schon, finde ich, sehr eindringliche Eindrücke, die wir hier bekommen. Was das bedeutet für jemanden, der sich eben dafür stark macht und einsetzt, eben als Theologe, als...

[00:13:31.840] - Thomas Schüller

Gläubiger Christ.

[00:13:33.160] - Nadia Kailouli

Genau, zu sagen: "Okay, ich, ich gehe weiter in die Kirche, ich glaube auch an die Kirche und an Gott."

[00:13:38.920] - Thomas Schüller

Nein, ich glaube an Gott, nicht an die Kirche.

[00:13:40.690] - Nadia Kailouli

Das lasse ich kurz hinten dran und führe meinen Satz zu Ende, weil ich diesem einem Punkt eben nicht zu wenig Aufmerksamkeit geben möchte. Dass du dir tatsächlich Feinde machst.

[00:13:49.250] - Thomas Schüller

Macht man sich.

[00:13:50.170] - Thomas Schüller

Und das ist natürlich erschreckend, weil du ja eigentlich jemand bist, aus den, ich sage es jetzt mal in Anführungsstrichen "eigenen Reihen", weil du willst die Kirche in dem Sinne ja nicht abschaffen, sondern reformieren. Kann man das so sagen?

[00:14:02.110] - Thomas Schüller

Ja, wenn sie denn noch reformierbar ist. Da bin ich mit anderen, zum Beispiel Maria Mesrian ist eine gute Freundin von mir, die sagt immer: "Reformieren bringt nix. Revolution!"

[00:14:10.120] - Thomas Schüller

Ja, die war ja auch bei uns, die Frau Mesrian.

[00:14:12.760] - Thomas Schüller

Also, ich bin noch nicht ganz so weit, aber ich sehe viele Beharrungstendenzen, dass man nicht von der klerikalen Macht abgeben will. Ich spreche jetzt darum immer von Entmächtigung. Die Bischöfe müssen entmächtigt werden. Das hat so ein bisschen revolutionären Touch. Nein, aber noch mal, dass nicht gelitten sein. Ich erzähle eine kurze Episode. Ich habe im Südwestfunk zu einem dramatischen Missbrauchsfall im Bistum Speyer was gesagt. Da hatte eine Kollegin von Ihnen sehr seriös recherchiert, hatte mir auch die Unterlagen gezeigt. Das war jetzt nicht aus dem Bauch heraus, und ich habe sogar noch sehr moderat gesprochen. Ich habe also gesagt: "Eindeutig nicht gute Behandlung. Dieser Fall ist uns aber bestens bekannt. Heute ist das Bistum, ich nenne es jetzt bewusst mal nicht, eigentlich schon auf einem guten Weg, aber Sie müssen mal langsam aufarbeiten." Es war sogar für meine Verhältnisse sehr besonnen und nicht so pointiert, wie ich es sonst sage. Dann kriegte ich plötzlich ein Anruf von dem dortigen Generalvikar, also der Behördenchef, auch ein Priester. Und der hat versucht, mich richtig rund zu machen. Da war genau diese Aggression, von der du gerade gesprochen hast, da und da war auch so der Punkt: "Wie kannst du unsere Kirche so kritisch darstellen? Unsere Juristen sind persönlich verletzt." Dann habe ich gesagt: "Das sind verbeamtete Leute, die müssen damit umgehen, wie jeder in seinem Beruf, dass man auch kritisch hinterfragt wird für das, was man tut." Und wenn ich das höre, "die sind verletzt" und dann schaue ich mir die lebenslange Überlebensstrategie der Betroffenen an, dann sage ich, dann ist mir deren Verletzung aber so was von egal, denn die müssen sich auf deren Seite stellen. Und es war ein sehr lautstarkes Gespräch. Da habe ich gemerkt,  jetzt - die noch jüngere Generation von Generalvikar und ich bin jetzt schon 62, die sind jetzt so Mitte 50, Anfang 50, die fallen wieder in diese alten Muster zurück. Kirche muss geschützt werden. Man darf das gute Bild der Kirche nicht besudeln, nicht kritisch anschauen. Und da reagiere ich mittlerweile trotz der Gelassenheit über die vielen Jahre dann auch rabiat. Dann werde ich auch laut.

[00:15:55.720] - Nadia Kailouli

Okay, jetzt gucken wir mal, wie laut du heute hier bei uns wirst.

[00:15:59.200] - Thomas Schüller

Hier schreie ich nicht.

[00:15:59.800] - Nadia Kailouli

Ich hole es jetzt aus meinem Hinterkopf wieder nach vorne, und zwar: Du glaubst an Gott, nicht an die Kirche. Wir haben, glaube ich, nicht so viele Hater hier als Zuhörer*innen. Aber ihr lasst ihr bitte den Thomas in Ruhe, wenn er jetzt mal erzählt, was denn an der Kirche schief läuft und was sich verändern muss, damit man noch an die Kirche glauben kann.

[00:16:17.470] - Thomas Schüller

Zunächst mal glaube ich, dass die katholische Kirche, wir reden ja über die katholische Kirche, das ist meine Kirche, dass sie überhaupt die eine Hälfte der Menschheit überhaupt mal ernst nimmt, nämlich Frauen. Das ist der erste Punkt. Die meisten, die vor mir sitzen, sind weibliche Studierende, die Religionslehrerin/ Pastoralreferentin werden wollen. Und denen sage ich klipp und klar: "Seid ihr euch eigentlich bewusst, dass ihr immer einen Mann als Chef habt und der nicht, weil er klüger, besser, leitungsstärker ist, sondern weil er zufällig angibt, verspricht, auf Sexualität zu verzichten und dafür ein klerikales Leitungsamt bekommt. Ihr werdet immer einen Mann vor euch haben." In jedem anderen Berufsfeld soll es an sich anders sein. Wir wissen, da gibt es auch Defizite. Das ist der erste Punkt, also wir sind eine Männerkirche, die die Hälfte der Menschheit ausschließt und das der erste Punkt, der mich sehr stört. Und das sage ich jetzt nicht nur, weil es so en vogue ist, sondern weil ich selbst drei Töchter habe und die mir das natürlich auch so sagen. Und das ist auch gut so! Und weil ich das auch von meinem Menschenbild her, das heißt ja einer der ersten Sätze im Alten Testament: "Als Mann und Frau erschuf er sie." Also Gott ist die Ebenbilder, dann ist Gott auch Frau. Also, wenn man es mal so ganz ein bisschen platt runterbrechen kann. Und das zweite ist: Klerikale Macht. Warum müssen nur die Macht haben in der Kirche, die geweiht sind? Weil doch alle Getauften, so ist es unser Glaube, in der Taufe auf den Geist Beistand bekommen, also selbst das Evangelium lesen können. Und selbst wenn sie das für sich als Glauben annehmen, daraus handeln können. Und das ist das größte Pfund aller christlichen Kirchen, dass wir nicht darauf schauen, welche Hautfarbe, welche Rasse, welche Nationalität, welche geschlechtliche Identität oder sexuelle Präferenz jemand hat, sondern wir schauen einfach bedingungslos auf diesen Menschen, der für uns ein Ebenbild Gottes ist. Und das ist, finde ich, eine ganz tolle Botschaft. Aber die Kirche schafft Unterschiede. Und dann steht sie, dass der nächste Punkt, immer wieder auf der Seite der Mächtigen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es gibt aber auch Kirchen wie in Lateinamerika, Befreiungstheologie, die sich dann auf die Seite derer der Armen gestellt hat, aus der Botschaft des Evangeliums und dann von der eigenen Kirche verfolgt wurde. Der gerade verstorbene Joseph Ratzinger, Papst Benedikt später, hat ja gnadenlos die Befreiungstheologie verfolgt, die sich also radikal auf die Seite der Armen gestellt haben. Ich finde viel vom Evangelium verstanden haben, sich entmächtigt haben, aber den wurde dann plötzlich Kommunismus vorgeworfen. Das ist, das sind also eine ganze Menge. Und noch ein Punkt, den sage ich auch ganz offen, der hat was ganz entscheidend unserem Thema zu tun. Die Kirche hat sich bis in die jüngste Zeit angemaßt und das ist, so habe ich Copyright drauf, über die Herzen und Betten der Menschen - ihrer Gläubigen - entscheiden zu wollen. Also, ich habe eine Mutter, die ist weit über 90 geworden, fünf Kinder das Leben geschenkt und als sie nach fünf Kindern jetzt, relativ spät erst Mutter geworden, mein Vater war nicht so einsichtig und meine Mutter ist dann zum Pastor gegangen, hat gesagt: "Alles was recht ist, also fünf Kinder in sieben Jahren". Und dann sagt meine Mutter, hat er ihr im Beichtstuhl gesagt: "Immer weiter, immer weiter." Und dann denke ich mir: "Mit welchem Recht entscheiden Männer über das Sexualleben von Frauen und über die Zahl der Kinder und ob sie überhaupt Kinder bekommen sollen?" Also diese krude, menschenfeindliche Sexualmoral. Das hat mich schon schon vor dem Theologiestudium eigentlich schon immer sehr bewegt und mich gefragt: " Willst du das wirklich machen?" Aber ich habe in einem sozialen Brennpunkt meinen Zivildienst gemacht. Wir mussten damals noch lange dienen -  18 Monate. Und ich wollte eigentlich Jura studieren und habe dann gesagt: "Nee, also es ist so spannend, wie die hier glauben und wie die sich solidarisch zeigen in einem Kölner Brennpunkt und habe ganz spontan Theologie gesagt." Ich bereue es auch nicht, aber ich würde sagen, ich habe es mit großer Jungmänner- Naivität getan. Also da bin ich heute ernüchtert. Ja klar, das ist die Berufserfahrung.

[00:19:45.490] - Thomas Schüller

Jetzt hast du sehr viele Punkte angesprochen, die sehr viele Menschen in Deutschland, wir bleiben jetzt mal in Deutschland, dazu bewegt hat, zu sagen: "Ich trete aus aus der Kirche. Ciau." Wie ernst nimmt die Kirche das ,deiner Meinung nach, dass immer mehr Menschen hier in Deutschland sich der Kirche abwenden?

[00:20:02.540] - Thomas Schüller

Es gibt zwei Reaktionsweisen. Das hängt auch mit der Fragmentierung der deutschen Bischöfe zusammen. Es gibt eine kleine konservative Gruppe, ich nenne sie ganz positiv "konservativ". Ist ja eigentlich kein schlimmer Begriff. "Das Gute bewahren" heißt das ja wörtlich. Und es gibt eine reformorientierte Gruppe, denen geht das sehr nahe. Also es ist ja auch eine neue Generation da. Es sind junge Männer in meinem Alter, früher wird man nicht Bischof, denen das im Herz brennt. Also, die haben genauso Freunde wie ich. Also, ich komme aus einer klassischen Kölner katholischen Pfarrei mit Kumpels, mit denen ich katholische Jugendarbeit gemacht und Messdiener war, die bis vor kurzem in Gemeinden aktiv waren, treten aus, weil sie in Köln den Woelki nicht mehr abhaben können und dessen Umgang mit den Menschen. Und das brennt dann auch diesen Bischöfen schon im Herz. Das ist denen nicht egal. Und dann gibt es aber auch, nicht nur bei den Bischöfen, auch bei den Kirchenleitungen, Leute, die sagen: "Was sind das nur so laue Katholiken, die haben noch nie was geglaubt. Lieber  gesundschrumpfen und dann den heiligen Rest haben, ist ja ein biblisches Bild, den heiligen Rest, die dann "Burning Persons" sind. Das ist ja auch in der Manager-Sprache. "Burning Persons", die brennen für das Evangelium. Und das sind Leuchttürme, die dann die "wahren Menschen" zum katholischen Glauben bringen. Also es ist auch hochgradig ideologisch aufgeladen und denen ist es dann relativ egal, dass so viele austreten. Aber, dass muss man sagen, die Austrittszahlen sind so dramatisch hoch, und es treten ja die Kirchensteuerzahler jetzt aus. Es zahlen ja nur ungefähr 45 % überhaupt Kirchensteuer, das muss man wissen, und das wird jetzt langsam auch zu einem fiskalisch-, finanziellen Problem. Da reagieren sie dann.

[00:21:31.490] - Thomas Schüller

Da reagieren sie. Wenn es, wenn es das gute alte Geld...

[00:21:35.150] - Thomas Schüller

Was noch reichlich fließt. Wir Babyboomer sind ja alle getauft, im Westen zumindest.

[00:21:40.910] - Thomas Schüller

Da gab es was für.

[00:21:42.170] - Thomas Schüller

Ja und die Babyboomer sind alle getauft und sind jetzt auch in der Bildungsoffensive der 60er, 70er Jahre haben wir alle Abitur gemacht und studiert und wir geben jetzt die fetten Kirchensteuern rein. Aber wenn wir mal in Ruhestand sind.

[00:21:54.260] - Nadia Kailouli

Inwieweit kümmert sich denn die katholische Kirche um ihren Nachwuchs? Wenn die sagen: "Ach, wir schrumpfen doch dann gesund und dann behalten wir den starken gläubigen Kern", die, die das ja alles eben nicht, ich sage jetzt mal, "verteufeln", sondern immer noch das Gute in der Kirche sehen und eben solchen Sätzen dann Glauben schenken wollen wie: "Das war eine Liebesbeziehung mit einer 14-jährigen." Inwieweit ist der Nachwuchs ein Thema? Weil es gibt immer mehr junge Menschen, die sagen: "Auf gar keinen Fall trete ich da ein. Wenn überhaupt, gucke ich, dass meine Eltern da austreten."

[00:22:24.350] - Thomas Schüller

Es gibt keinen Nachwuchs, das muss man so deutlich sagen. Also früher gab es so eine Regel, sobald  ein Elternpaar da war und einer oder eine katholisch war, gab es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass dieses Kind getauft wird. Das ist vorbei. Selbst in konfessionell noch einigermaßen geprägten Regionen, das dieser Punkt, also die werden einfach nicht mehr getauft. Das zweite ist der Austritt, da haben wir grad drüber geredet. Und das bedeutet einfach auch, die Kirchen haben ja noch unglaubliche Strukturen, Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Kindertagesstätten, in manchen Regionen Monopolstrukturen, sie bekommen auch nicht mehr das Personal dafür. Sie waren immer ein attraktiver Arbeitgeber, weil sie gut entlohnt haben mit dem besonderen Arbeitsrecht, klar. Aber das ist jetzt das nächste Fiasko. Selbst wenn Sie die besten Finanzkonditionen anbieten, ist Kirche so unattraktiv, dass sie nicht die besten Leute vom Arbeitsmarkt bekommen, im katholischen Krankenhaus nicht den besten Chirurgen, die beste Hand Chirurgin. Also auf mehreren Ebenen bricht das gerade dramatisch zusammen. Und vor allen Dingen in 2030, wenn die ganzen Babyboomer einmal durch sind, dann ist jetzt schon klar, dass insgesamt die Kirche gut um 1/3 dynamisiert, um die auszuzahlen geschrumpft sein wird. Und dann wird man sehen, was noch von ihr übrig bleibt und welche Sozialgestalt sie haben wird.

[00:23:34.460] - Thomas Schüller

Warum ist es denn dennoch so wichtig, dass wir zum Beispiel heute unter anderem darüber reden, was sich verändern muss und wie die Kirche sich in Zukunft ab heute eben mit ihren Missbrauchsfällen beschäftigen muss? Weil, wie wir wissen, gefühlt kommt alle paar Wochen was Neues ans Licht.

[00:23:51.860] - Thomas Schüller

Demnächst Freiburg, noch ein paar Tage.

[00:23:53.840] - Thomas Schüller

Es hört nicht auf. Und die Frage ist natürlich, wenn der Nachwuchs oder die Zukunft im Nachwuchs überhaupt nicht gesichert ist, wie steht es dann im Allgemeinen um die Zukunft der Kirche? Warum ist es dann so wichtig, dass wir noch so ausführlich darüber sprechen?

[00:24:06.740] - Thomas Schüller

Es ist deswegen wichtig, weil es jeden Tag neue Betroffene gibt, weil es hört nicht auf, weder in Kirche noch im Sport, noch in der Schule, noch in den Familien als Haupttatort. Und da muss man fairerweise sagen, in der Präventionsarbeit hat sich eine Menge getan. Da setzt die Kirche mittlerweile Standards. Wobei es dann auch wiederum Kirchengemeinden gibt, die sagen: "Woah, ist mir viel zu viel." Das ist der eine Grund. Zweitens, sie muss ihre Schuldgeschichte aufarbeiten, damit sie wieder glaubwürdiger wird. Ich sage es komparativisch. Und drittens, das sage ich jetzt schon als gläubiger Mensch auch, dass Sie, wenn sie das wirklich offen und ehrlich aufarbeitet und sich wirklich auch dazu stellt und auch den Betroffenen entsprechend die Ressourcen zur Verfügung stellt, auch materiell, ich sage das ausdrücklich, auch materiell, aber sie überhaupt erst mal wahrnimmt, ernst nimmt und ihnen Stimme in ihren Reihen gibt, dann kann sie vielleicht zum Punkt X, auch wenn sie weniger ist an Zahl, ich mache jetzt keine Verkündigungssendung hier, aber ich glaube schon wirklich an diesen Jesus Christus und das ist mir ein Vorbild. Und die Botschaft ist weiterhin gut. Und darum würden ja auch nicht so viele in verschiedenen christlichen Kirchen an diesen Jesus Christus glauben. Aber das ist mir auch nicht egal. Aber trotzdem sage ich, sie kann das nur, wenn sie diese Geschichte wirklich, ohne auf das eigene Ansehen zu schauen, aufarbeitet. Aber das ist das eine und das andere ist aber um der Betroffenen willen, die mir wie so oft sagen: "Jeden Tag kämpfe ich sprichwörtlich ums Überleben." Das sieht man denen übrigens nicht an, wenn sie denen auf der Straße begegnen würden. Aber deswegen kann dieses Thema einfach nicht aufhören und man muss dann, es gibt so ein Bild beim Paulus, der komplizierte Briefeschreiber im Neuen Testament, der Intellektuelle, der hat da so ein schönes Bild, was ich manchmal benutze "Stachel im Fleisch". Also, dass man immer piesackt, sagt man im Rheinland, dass man einfach nervt, bis sie es denn mal gelernt haben. Und in dem Kontext, da gebe ich zu, habe ich eine Agenda, gebe ich offen zu. Diese Dinge, über die wir eben gesprochen haben, diese verkorkste Sexualmoral, diese Frauenfeindlichkeit. Es gibt eine ganz verbreitete Frauenfeindlichkeit im Klerus, die tun so liberal und nett und so. Aber wenn sie unter sich sind, also sie können sich nicht. Wohl nicht. Mein erstes dienstliches Gespräch als 31 jähriger junger Mann war in einem Priester-Conveniat, eine Zusammenkunft von Priestern da waren noch junger Priester dabei, 1993. Ich habe nicht geglaubt, was ich da höre. Also,...

[00:26:18.820] - Nadia Kailouli

Na, sag mal was.

[00:26:19.790] - Thomas Schüller

Ja, na, das ist...

[00:26:22.650] - Nadia Kailouli

Doch. Wir dürfen hier alles sagen.

[00:26:26.340] - Thomas Schüller

"Schlampen, Frauen sind doch nur Menschen zweiter Klasse, fürs Kaffee holen sind sie gut." Dann brachten natürlich fromme kfd-Frauen, das ist die katholische Frauengemeinschaft, natürlich auch die Schnittchen. "Dafür sind sie gut", wir würden sagen, chauvinistische Sprüche.

[00:26:38.550] - Nadia Kailouli

Ja.

[00:26:39.090] - Thomas Schüller

Und ich war da erschrocken, weil ich bin schon in einer Zeit groß geworden: Frauenbewegung, Friedensbewegung. Wir waren ja schon immer, wir waren ja schon feministisch-sozialisierte männliche Studierende. Und ich habe gedacht: "Ich bin hier in 50er-Jahren gelandet, im Kohl-Zeitalter." Gut, Kohl war auch noch Kanzler zu der Zeit, aber in so einer alten CDU-Mentalität, so Hinterzimmermänner, bisschen müffelnd, nicht gut gekleidet, nicht gut riechend und es war für mich erschreckend. Das habe ich dann aber, ich war nie auf den Mund gefallen und ich habe glaube ich auch nie meinen Mund gehalten. Dann habe ich auch gesagt, dass ich das für absolut widerlich finde, was sie hier sagen. Und dann und dann wussten sie, da kommt jetzt mal ein anderer.

[00:27:15.120] - Nadia Kailouli

Und wurde dann auch gesagt: "Ist doch nur Spaß, jetzt stell dich nicht so an."?

[00:27:17.250] - Thomas Schüller

Ja, genau. Genau, "das war ja nur Spökes." Nein, also die Frauenfeindlichkeit, oder wenn dieser Papst Franziskus, dieser charmante Lateinamerikaner mit italienischen Wurzeln, irgendeinen vom marianischen Prinzip erzählt, dass Frauen, dass Muttersein von der Natur in die Wiege gelegt sei und mehr nicht das Leiten, sondern das Empfangen das Entscheidende sei. Also, wenn ich dann diese Frauenbilder mitbekomme und denke: "Also, so habe ich meine Töchter nicht erzogen." Also das sind so Dinge, da kämpfe ich gegen.

[00:27:48.870] - Nadia Kailouli

Nun kann man ja auch nicht sagen, dass die Kirche oder die katholische Kirche im Speziellen sich dieser Thematik gar nicht stellt und die Schotten komplett dicht macht, sondern sie zeigt sich ja durchaus hier und da motiviert aufzuarbeiten, offen damit zu sein, zu sagen: "Wir arbeiten auf. Wir sprechen darüber." Und damit einhergehend gibt es den synodalen Weg. Vielleicht kannst du uns den einmal erklären, was da genau dahinter steckt?

[00:28:11.490] - Thomas Schüller

Das hat was mit unserem Thema ganz entschieden zu tun. Die sogenannte MHG-Studie, das sind die Initialen der Forschergruppen. Die haben ja systemische Ursachen identifiziert, die in der katholischen Kirche besonders sexualisierte Gewalt gegenüber Kinder, Jugendlichen, Schutzbefohlenen, Erwachsenen, und ich ergänze - Frauen -  das ist das nächste Thema, was noch als nächste Welle kommt, befördert hat. Das ist eine krude Sexualmoral, die priesterliche Lebensform kombiniert mit dem Zwangsentzug von Sexualität. Ist das lebbar? Dann die Machtfrage, also dieses Männerbündische. Und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat dann noch das vierte Thema "Frau" reingebracht. Also, auch die Frage war ja von Frauen und ob das ein gutes Gegengewicht gäbe? Also, da gibt es allerdings Betroffene, die sagen: "Ah, ihr instrumentalisiert unser Schicksal, um eure schon immer vorhandene theologische Agenda jetzt umzusetzen." Das ist der eine Vorwurf. Das sagen die Konservativen auch. Aber es sind die systemischen Ursachen. Und deswegen ist der synodale Weg ein Format, wo Bischöfe mit Gläubigen jetzt die letzten drei Jahre beraten haben, vorbereitet mit Papieren, Arbeitspapier, Handlungsempfehlungen, um an diese Ursachen heranzugehen. Crux ist, römisch-katholisch geht nur weltweit denkend. Da haben wir immer einen Papst, haben immer Rom, wir sind ja keine Nationalkirche. Und da hat es dann in den drei Jahren auch heftige Rüffel aus Rom gegeben, auch vom Papst. Und da wird gesagt: "Über Frauenfrage dürft ihr gar nicht reden, nur Männer werden geweiht. Sexualmoral? Nein, das geht nicht an, das schwule und lesbische Paare segnet." Wir reden von Segen, wir reden und nicht von Eheschließung. Segen, es wird alles gesegnet. Wir sind sehr segensfreudig in der katholischen Kirche. Aber Menschen, die sich lieben, die das schönste Leben, was es überhaupt gibt, nämlich ihre Liebe in Freiheit ohne Gewalt, die können wir nicht segnen. Hallo, ja? Ich war 16 Jahre Schwulen und Lesben-Beauftragter im Bistum Limburg. Ich habe eine kleine...

[00:29:57.870] - Nadia Kailouli

"Auch das noch!" Sagen jetzt einige, wahrscheinlich.

[00:29:59.370] - Thomas Schüller

Ja, die gibt es heute noch. In Frankfurt, Maria Hilf, da gab es lesbische Frauen, aber auch non-binär, die ganze geschlechtliche Vielfalt, die es gibt. Und die hatten da ihren geschützten Ort, um ihren Glauben zu feiern. Und da sind die ganzen Rechtskonservativen immer gegen vorgegangen. Und wir haben da gekämpft, auch gegen Rom. Die wurden da immer denunziert. Und noch einmal, das ist ein wichtiges Thema, was man aufgreifen muss. Und da haben die Römer auch interveniert und gesagt: "Das geht nicht." Und dann kommt dann so ein krudes Bild: "Sexualität ist nur dann gut, wenn Mann und Frau grundsätzlich bereit sind, in der gelebten Sexualität auch Kindern das Leben zu schenken." Als würde Sexualität nur darin bestehen, Kinder das Leben zu schenken, als gäbe es Sexualität nur in Form von genitalen Sexualität, als gäbe es nicht in den verschiedenen Phasen eine Liebesbeziehung, die dann reifer und persönlicher wird. Auch Phasen, wo Sexualität vielleicht nicht mehr die Dominanz hat, aber wo es sich auch wieder verändert.

[00:30:50.910] - Thomas Schüller

Und von einem "Kinderwunschzentrum" wollen wir jetzt noch gar nicht anfangen.

[00:30:54.270] - Thomas Schüller

Genau, also das sind so Punkte, und da knirscht es im Gebälk. Es gibt eine große reformorientierte Gruppe der Bischöfe, die sind mutig. Ich habe das als Kirchenrechtler deswegen kritisiert, weil man bewusst, im Unterschied zur evangelischen Kirche, wo die ja wirklich mit abstimmen dürfen, entscheiden dürfen, da ist ganz gut, die durften nur die Bischöfe beraten, das war unverbindlich. Und ich habe gesagt: "Leute, habt doch mal den Mut, endlich eure Macht abzugeben und die Frauen und Männer zu engagieren, dass die auch mitentscheiden dürfen." Und das fand ich kritisch, weil Leute investieren Lebenszeit, Engagement auch ihren intellektuellen Fähigkeiten  und am Ende können die Bischöfe den Daumen heben oder senken und müssen sich dafür überhaupt nicht erklären. Und jetzt haben sie den Prozess abgeschlossen und machen jetzt einen Synodalausschuss. Und dann haben mich die Verrückten jetzt reingewählt, mich, den Oberkritiker.

[00:31:41.580] - Nadia Kailouli

Na, das ist doch aber gut, oder?

[00:31:42.510] - Thomas Schüller

 Ja, ich weiß noch nicht, ob ich..

[00:31:44.130] - Nadia Kailouli

Oder wollen Sie sich einfach so das "Amen" holen von dir?

[00:31:47.340] - Thomas Schüller

Meine Sorge ist, dass Sie versuchen, mich einzuhegen in ihre kirchlichen Strukturen. Aber ich möchte meine Unabhängigkeit bewahren und dass ich so offen rede wie bisher. Also, und gleichzeitig weiß ich, dass viele Leute sagen: "Endlich einer, der nicht aus diesem engeren Kreis und Zirkel kommt und der, bisher wenigstens immer, hoffentlich nicht krakeelig, sondern mit Argumenten versucht hat, die Missstände anzuprangern."  Ja, das ist der Synodale Weg.

[00:32:08.800] - Nadia Kailouli

Also höre ich da raus, du bist noch gar nicht so sicher, ob du da jetzt mit einsteigen willst oder nicht?

[00:32:13.440] - Thomas Schüller

Ich habe gefragt: "Was sind eure Themen! Was sind die Termine? Was ist die Grundlage unseres Arbeitens? Ist das verbindlich?" Ich meine, dass ist Lebenszeit, die man investiert, das ist Ehrenamt.

[00:32:24.000] - Nadia Kailouli

Muss man auch mal sagen.

[00:32:24.600] - Thomas Schüller

Vielleicht sollte auch mal sagen, nicht weil ich mich loben und preisen will, aber diese ganze Begleitung der Betroffenen mache ich auch ehrenamtlich. Ich könnte viel Geld verdienen, mit der anwaltliche Vertretung von beschuldigten Priestern, könnte ich viel Geld verdienen. Mache ich nicht. Ich bin Professor, wir sind privilegiert, auch vom Gehalt. Das muss man so deutlich sagen. Ich komme aus einer nichtakademischen Familie. Aber das ist ein wichtiger Punkt. Und wenn diese Rahmenbedingungen stimmen sollten, dann werde ich wohl mitmachen, weil, ich meine, wenn Leute einen wählen, dann sollte man das auch wahrnehmen. Die haben sich dabei gedacht, aber ich werde das kritisch weiter begleiten. Ich war jetzt bei einer wissenschaftlichen Tagung, da kam ein Bischof, den ich schätze, Bischof von Essen auf mich zu, Bischof Overbeck, und sagt nur: "Und jetzt musst du brav sein." Ich sage: "Nix da."

[00:33:05.670] - Nadia Kailouli

Nix da. Das hat man jahrzehntelang gehört, ja, so funktioniert es nicht mehr.

[00:33:10.440] - Thomas Schüller

Wenn ein jüngerer Mann mir sagt, ich soll mit Ü60 brav sein. Nein, das haut nicht hin.

[00:33:14.640] - Nadia Kailouli

Das haut nicht hin. Zum Glück nicht. Also, was haben wir heute mitgenommen? Also, es braucht Frauen in der Kirche, in der katholischen Kirche.

[00:33:21.820] - Thomas Schüller

Die sind aber schon fast alle weg. Also, ist für Sie als Frau das attraktiv?

[00:33:27.660] - Nadia Kailouli

In die Kirche zu gehen?

[00:33:28.230] - Thomas Schüller

Ja, mit diesen Strukturen?

[00:33:29.950] - Nadia Kailouli

Nein. Also, ich bin, meine Eltern sind beides Marokkaner. Das heißt, ich bin eher muslimisch-geprägt großgeworden. Aber meinen Eltern war zum Beispiel immer wichtig, dass ich, also meine Eltern sind aus Marokko nach Deutschland eingewandert, dass wir Kinder zum Beispiel in den Unterricht, in den Religionsunterricht gehen.

[00:33:45.810] - Thomas Schüller

In den christlichen Religionsunterricht?

[00:33:46.380] - Nadia Kailouli

In den christlichen Religionsunterricht. Dann war ich in der Mädchenjungschar dabei. Ja, musste ich durch, weil für meine Eltern war das Teil der Integration. Hat ja auch gut geklappt. Aber was ich zum Beispiel nie verstanden habe, war die Beichte, weil ich dachte: "Wie, da baust du Scheiße?" Dann setzt du dich in so eine Kammer und dann sagst du: "Das habe ich gemacht." Und irgendeiner sitzt dann dahinter und sagt: "Jesus Christus ist mit dir und alles ist vergessen und vergeben. Ciau.

[00:34:10.770] - Thomas Schüller

Als bräuchte es noch so einen Mann in der Kiste, der dir als Mittler zu Gott sagt: "Dir ist vergeben." Wenn man doch ein Gewissen hat, kann man das schon auch direkt mit dem, wenn man dann an eine Transzendenz glaubt. "Ich habe Mist gebaut, es tut mir leid und ich sorge dafür, sollte es Schaden gegeben haben, das ich ihn gut mache." Dann sind eigentlich so Basics des Miteinanders, das ist konfessionell unabhängig.

[00:34:29.340] - Nadia Kailouli

Also ich hatte schon viele Momente, wo ich gerade bei Trauungen in der Kirche war, von Freunden, wo ich gedacht habe: "Mensch, das sind aber wirklich schöne Worte, die da dem Brautpaar mitgegeben werden." Das hat mich dann schon berührt.

[00:34:41.610] - Thomas Schüller

Ja, das hat schon etwas mit der...

[00:34:42.780] - Nadia Kailouli

Das war es dann aber auch.

[00:34:44.310] - Thomas Schüller

Ja, es gibt schon die Botschaft, ist das noch alles gut? Zweitens, die katholische Kirche hat schon auch so ein Pfund der Riten-Kompetenz. Das heißt, sie hat so eine Art, Liturgie zu feiern, die den ganzen Mensch als, nicht nur als kognitiv arbeitende Menschen berührt, sondern auch mit den Gerüchen, Weihrauch, Kerzen, was die Sinne anspricht. Aber das ist darf nicht zu Sozialromantik mutieren, sondern dahinter muss Substanz kommen und vor allen Dingen: Kirche ist dann erst wieder ernst zu nehmen, wenn sie die Menschenrechte achtet. Also die Basics, die in einem demokratischen Welt-Standard. Und die gelten ja nicht, es gibt ja keine Glaubensfreiheit. Es gibt, wenn du einmal katholisch bist musst du plötzlich  Männern gehorchen. Also, das ist ein langer Weg noch. Und ich werde die Mutation, glaube ich, nicht erleben, auch wenn ich so alt werde wie meine Mutter. Aber ich werde trotzdem bis, hoffentlich bis, ich noch denken kann, dafür kämpfen, dass sie etwas menschenwürdiger wird, diese Kirche. Etwas näher an der Botschaft orientiert ist.

[00:35:42.510] - Nadia Kailouli

Und wir sind ganz froh, dass du uns ein bisschen hast teilhaben lassen an diesem Weg, den du seit Jahren gehst und hoffentlich noch viele, viele Jahre weiterhin gehst. Ich sage: Thomas Schüller, vielen, vielen Dank, dass du heute bei uns warst, bei einbiszwei.

[00:35:53.580] - Thomas Schüller

Danke für das Gespräch.

[00:35:58.190] - Nadia Kailouli

Ja, ich habe jetzt gar nicht so viel zu sagen zu dem, was Thomas schon alles gesagt hat. Er hat vieles auf den Punkt gebracht und ich finde es wahnsinnig mutig, dass jemand, der ja schon Morddrohungen bekommen hat, wie er uns ja heute geschildert hat, daran festhält, zu sagen: "Sorry Leute, dass was passiert ist, das muss aufgearbeitet werden. Und als gläubiger Christ stelle ich mich dennoch gegen die katholische Kirche und sage, was ist."

An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz herzlich bei euch bedanken, dass ihr uns so treu zuhört und dass ihr auch bei schwierigen Themen dranbleibt. Wenn ihr wollt, dann folgt uns doch gerne, abonniert unseren Kanal und wenn ihr uns persönlich einmal schreiben wollt, dann könnt ihr das natürlich sehr gerne tun. Eine Email könnt ihr einfach schreiben an presse@ubskm.bund.de.

„Nestbeschmutzer“ oder „Antichrist“ – wenn sich Thomas Schüller zu Missbrauchsskandalen oder gescheiterten Reformbemühungen in der katholischen Kirche äußert, gibt es Hass oder auch gleich Morddrohungen. Ist die katholische Kirche noch zu retten?

Mehr Infos zur Folge

Gerade erst hat das Erzbistum Freiburg eine Studie zu sexualisierter Gewalt vorgelegt. Die Experten gehen von mehr als 250 Priestern als möglichen Tätern und mehr als 540 Betroffenen aus. Und sie sehen Hinweise auf Vertuschungen. Für Kirchenrechtler Thomas Schüller ist dabei das Verhalten des früheren Freiburger Erzbschofs Robert Zollitsch besonders schockierend: „Die völlige Ignoranz von Zollitsch, der als einer der dienstältesten Personalchefs schlimmste Missbrauchsfälle gedeckt und Täter geschützt hat, ist erschreckend”, sagt Schüller nach der Vorstellung des Missbrauchsberichts im Erzbistum Freiburg.

Die römisch-katholische Kirche wird nicht nur hier, sondern gleich in mehreren Ländern vom Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Amtsträger erschüttert. Die Aufarbeitung ist umstritten, viele Betroffene sind empört. Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Die verpflichtende Ehelosigkeit und die eingeforderte sexuelle Enthaltsamkeit ihrer Priester (Zölibat), die Ablehnung der Frauenpriesterschaft und das Verhältnis zu Sexualität und Macht stehen in der römisch-katholischen Kirche zur Diskussion.

Der Kirchenrechtler Dr. Thomas Schüller hat dazu eine klare Haltung. Er setzt sich für Betroffene und für eine weitreichende Umstrukturierung der Kirche ein, unterstützt weitgehende Reformbemühungen und kritisiert Bestrebungen der Kirchenleitung, auf klerikalen Machtpositionen zu beharren. Im September 2021 teilte er mit, dass er und andere Theologen in stark zunehmendem Maß persönlichen Angriffen „bis hin zur Androhung von Gewalt“ ausgesetzt seien.

Dabei ist Thomas Schüller gar kein Feind der Kirche. Der studierte Theologe ist gläubiger Christ. Aber weil er immer wieder Partei für diejenigen ergreift, die missbraucht wurden und sich unerschrocken zu Frauenfeindlichkeit, verkorkster Sexualmoral und verkrusteten Machtstrukturen äußert, gilt er vielen konservativen Gläubigen als „Nestbeschmutzer”.

WEITERE INFOS + HILFEANGEBOTE:

Thomas Schüller bei Wikipedia
Wikipedia | Thomas Schüller

Thomas Schüllers Profil bei der Uni Münster
Katholisch-Theologische Fakultät | Thomas Schüller

ARTIKEL ÜBER THOMAS SCHÜLLER

Artikel über Reformen durch synodalen Weg
Tagesschau | Schwer errungene Reformen

Artikel zum synodalen Weg und über die Erneuerung der Kirche
ZEIT | Katholiken ringen zum vorerst letzten Mal um die Erneuerung der Kirche

Thomas Schüller spricht über seinen Glauben, Fehler der Kirche und Rainer Maria Woelki
Rheinische Post | „Ich gehe der Kirche nicht verlustig“

In diesem Artikel spricht Thomas Schüller über Androhung von Gewalt
Katholisch.de | Nach Angriffen: Schüller kündigt "Auszeit" bei Kommentierung an

einbiszwei – der Podcast über sexuelle Gewalt

einbiszwei ist der Podcast über Sexismus, sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt. einbiszwei? Ja genau – statistisch gesehen gibt es in jeder Schulklasse in Deutschland ein bis zwei Kinder, die sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Eine unglaublich hohe Zahl also. Bei einbiszwei spricht Gastgeberin Nadia Kailouli mit Kinderschutzexpert:innen, Fahnder:innen, Journalist:innen oder Menschen, die selbst betroffen sind, über persönliche Geschichten und darüber, was getan werden muss damit sich was ändert. Jeden Freitag eine neue Folge einbiszwei – überall, wo es Podcasts gibt. Schön, dass du uns zuhörst.

Wenn Sie Fragen oder Ideen zu einbiszwei haben:

presse@ubskm.bund.de

Webanalyse / Datenerfassung

Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs möchte diese Website fortlaufend verbessern. Dazu wird um Ihre Einwilligung in die statistische Erfassung von Nutzungsinformationen gebeten. Die Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden.