Müssen wir Kinderschutz neu denken, Sonja Howard?
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[00:00:01.500] - Sonja Howard
Also wir haben teilweise Kinder, die dann auch schon älter sind und die abhauen, die versuchen sich Hilfe zu holen in der Schule von der Schulsozialarbeiterin, die auf sich aufmerksam machen, die krass auffälliges Verhalten zeigen in ihrer maßlosen Verzweiflung. Und der Staat, also die staatlichen Akteure, gehen immer wieder hin und sagen: "Das ist der richterlichen Beschluss, hier hast du zu leben." Und das kann so auf jeden Fall nicht sein. Da läuft was schief.
[00:00:26.520] - Nadia Kailouli
Hi, herzlich willkommen bei einbiszwei, dem Podcast über Sexismus, sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Ich bin Nadia Kailouli und in diesem Podcast geht es um persönliche Geschichten, akute Missstände und die Frage, was man tun kann, damit sich was ändert. Hier ist einbiszwei. Schön, dass du uns zuhörst.
[00:00:49.310] - Nadia Kailouli
Mein heutiger Gast ist eine alte Bekannte und eine Frau, von der ich sehr viel gelernt habe über das Thema sexuelle Gewalt, denn Sonja Howard war mein allererster Gast hier bei einbiszwei. Und das kann man ja mal ruhig sagen, ich war da damals nicht wenig aufgeregt. Ich fand es super, dass sie damals da war und eben ihre eigene Missbrauchsgeschichte erzählte und wie man mit Kindern über das Thema sprechen kann. Das ist jetzt anderthalb Jahre her und in der Zwischenzeit haben wir nicht nur über 50 Folgen einbiszwei gemacht. Auch Sonja war natürlich nicht untätig. Sie hat einen Verein gegründet, "In dubio pro infante" heißt der, und sie hat ein Buch geschriebe: "Im Zweifel gegen das Kind - wie Gerichte, Jugendämter und Polizei die Kinderrechte mit Füßen treten", heißt es und was darin steht, erzählt sie mir hier bei einbiszwei. Ich freue mich sehr, dass du da bist, Sonja Howard.
[00:01:37.250] - Nadia Kailouli
Ich freue mich so, weil Du warst unser allererster Gast bei einbiszwei.
[00:01:40.790] - Sonja Howard
Das ist für mich auch total special, also.
[00:01:43.160] - Nadia Kailouli
Es ist anderthalb Jahre her und ich finde es so toll, dass du wieder da bist, dass wir mit dir reden, denn es hat sich sehr, sehr viel getan in diesen anderthalb Jahren. Unter anderem, dass du demnächst ein Buch auf den Markt bringst. Und das Buch heißt "Im Zweifel gegen das Kind". Worum geht es?
[00:01:59.240] - Sonja Howard
Es geht im Großen und Ganzen um den nicht flächendeckend funktionierenden Kinderschutz in familienrechtlichen Verfahren in Deutschland und eigentlich auch europaweit und darüber hinaus.
[00:02:11.810] - Nadia Kailouli
Und dazu muss man sagen: Du bist keine Juristin, hast dich aber trotzdem da mit dieser wirklich sehr komplexen juristischen Frage beschäftigt. Warum?
[00:02:20.270] - Sonja Howard
Also ich bin ja jetzt seit acht Jahren Mitglied im Betroffenenrat. Und diese ganzen Themen rund um Gewalt in der Kindheit, die haben mich immer begleitet und klar Missbrauch auch. Und ich wusste ja aus eigener Erfahrung, dass das schon nicht so prickelnd ist mit Behörden und Versagen von Jugendämtern. Ich habe es ja selber erlebt in meiner Kindheit. Aber ich war tatsächlich so naiv und dachte, ja gut, das ist 20 Jahre her, das wird sich ja mittlerweile alles zum Besseren geändert haben und es hat sich bestimmt auch viel geändert, aber das war dann vor drei Jahren, dass ich anhand von einem Einzelfall, der mir zugespielt wurde, per E-Mail war das einfach eine betroffene Mutter, die gesagt hat: „Hey, eine Klinik hat nach eingehender Diagnostik einen Missbrauchsverdacht ausgesprochen und ich habe meinen Sohn verloren. Der wurde in Obhut genommen und zum mutmaßlichen Täter umplatziert." Und das war so ein krasser Fall, dass ich gedacht habe: „Okay, was ist denn da los?"
[00:03:13.640] - Nadia Kailouli
Wie kann das passieren?
[00:03:15.050] - Sonja Howard
Genau. Und wie du sagst, wenn man dann als Nichtjuristin da rangeht, das war krass. Ich habe auch vier Monate gebraucht, um überhaupt durchzublicken, was in diesem Fall bis dahin schiefgelaufen war. Und ich muss aber dazu sagen, ich hatte das Glück, dass ich eben Jurist*innen an meiner Seite hatte, die mir quasi peu a peu die einzelnen Verfahren erklärt haben. Und das ist schon gewaltig.
[00:03:37.610] - Nadia Kailouli
Jetzt wollen wir diesen Fall, glaube ich, einmal kurz wissen. Der wird ja wahrscheinlich auch in dem Buch eine Rolle spielen. Kannst du ein bisschen mehr erzählen? Also da war eine Frau, die hat sich an dich gewendet und hat gesagt: Hier bei meinem Kind ist mutmaßlich Missbrauch entdeckt worden. Dann wurde wahrscheinlich mutmaßlich gedacht, so es könnte der Partner dieser Frau sein. Warum wurde ihr das Kind weggenommen und warum in die Täterhände gebracht?
[00:04:01.790] - Sonja Howard
Also es ist so, dass dieses ganze staatliche System wirklich sehr gut funktioniert, wenn eben die mutmaßlichen Täter nicht Sorge berechtigt sind. Also wenn es um den Pfarrer geht, um was weiß ich Oma, Opa, egal wen aus der Familie. Aber sobald jemand das Sorgerecht hat, wird es tricky, weil viele Jugendämter und Gerichte dieses Vorurteil haben. Da muss ja dann Manipulation im Spiel sein und das ist jetzt im Zuge einer Trennung und es geht nur ums Sorgerecht und es geht quasi also so ein bisschen dieses Bild der rachsüchtigen Exfrau, die ihrem Expartner was anhängen will. Und diese Fälle gibt es natürlich. Ich habe einen Fall in meinem Bekanntenkreis, da ist das dann auch, da hat die Exfrau das versucht über die Schiene und das ist der geringste Prozentsatz, in dem das passiert. Und ich meine, wir wissen, wie oft Missbrauch passiert. Gerade in Familien und Haupttäter sind nun mal mit die leiblichen Väter. Es ist leider so, das habe ich mir auch nicht ausgesucht und es gibt aber trotzdem Jugendämter und Gerichte, die das nicht so auf dem Schirm zu haben scheinen und das auch nicht wahrhaben wollen. Und in dem ganz konkreten Fall war wirklich diese lange Liste. Wir sprechen immer drüber. Weißt du, die Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern, die man ernst nehmen muss, die Aussagen von Kindern, die man ernst nehmen muss. Und da gibt es wirklich so eine lange Liste von der Kita dokumentierte Auffälligkeiten, die nach den Umgangswochenenden beim Papa aufgetreten sind. Also es ist so offensichtlich eigentlich und da wurde jetzt in dem Fall eben nicht gesagt, im Zweifel entscheiden wir für das Kind, das auch sagt, ich möchte bei Mama sein, sondern es wurde diese ich sage mal schon wirklich sehr Frauen und letzten Endes auch Kinder feindliche Ideologie herangezogen. Ach, die rachsüchtige Exfrau hat ihr Kind irgendwie manipuliert und beeinflusst und deswegen kommt es weg.
[00:05:44.420] - Nadia Kailouli
Jetzt wird uns der Buchtitel noch mal deutlicher gemacht: "Im Zweifel gegen das Kind", obwohl es ja eigentlich heißen sollte: „Im Zweifel für das Kind“. Jetzt ist natürlich die Frage, wie sollte man denn am besten dann für Kinder entscheiden? Also irgendeine Instanz muss ja die Entscheidung treffen. Ja, dann nehmen wir mal das Beispiel eben, da ist ein Paar, wo ein Kind entstanden ist in dieser Beziehung oder auch nicht oder ein Teil hatte schon ein Kind. Whatever. Jetzt nehmen wir mal das Beispiel, dass Juristen ja nicht emotional entscheiden, sondern nach einer Faktenlage und eben nach der Verteidigung der beiden Parteien. Jetzt, wenn der Mann natürlich den besseren Anwalt hat und damit dann handhaben kann und auflegen kann, sagen kann: "Sie hat ja schon mal das gemacht, dann wurde von meinem Mandanten schon mal das Telefonkabel zerschnitten, dann wurde schon mal dies und das gemacht." Und dann entscheidet dann so ein Richter und sagt: "Na ja, also die Frau ist natürlich nicht mehr ganz da. Das Kind wäre bei dem Mann natürlich besser aufgehoben." So, jetzt kommst du!
[00:06:38.700] - Sonja Howard
Ja, das ist eigentlich auch das größte Problem, dass tatsächlich manche Familiengerichte diese ganze Frage um das Kindeswohl mit dieser strafrechtlichen Brille betrachten. Also es geht quasi darum, was sind gesicherte Beweise? Und wir wissen das, in Missbrauchsfällen gibt es selten solche eindeutigen Beweise, außer es liegt kinderpornografisches Material vor, dass man wirklich sagen könnte, okay, das hat jetzt strafrechtliche Konsequenzen. Und diese Brille ist aber im Familienrecht, hat die ja gar nichts zu suchen. Es gibt aber wirklich, wie du sagst, dann Richter, die hingehen und sagen: "Okay, es geht jetzt hier um die Eltern:" Es geht um Mama versus Papa und das Kind, das gerät aus dem Blick. Und wir haben hier, das haben dann meine Co-Autorin und ich dann im Zuge unserer Recherchen dann auch herausgefunden, dass da einfach noch sehr viel Partanalismus auch vorherrscht. Also es geht sehr viel um: "Wir wissen, was das Beste für dich ist. Wir entscheiden auch über deinen Kopf hinweg." Und dabei steht das ganz klar in der UN-Kinderrechtekonvention: Kinder haben ein Recht gehört zu werden, die haben ein Recht mitzuentscheiden, wo sie leben. Und diese Kinderrechte, die werden einfach ausgehebelt. Also es wird dann quasi eine künstliche Kindeswohlgefährdung konstruiert und auf Basis derer werden dann Entscheidungen gegen den eindeutig geäußerten Kindeswillen getroffen. Oder es wird gar nicht erst eine Diagnostik gemacht und wir haben dann halt wirklich das Problem, also das ist wirklich ein Riesenproblem, wir haben teilweise zehn staatliche Akteure in so einem Fall drin, alle minder qualifiziert, die dann in eine Richtung in ihrem Confirmation Bias davon schießen und das Kind kommt wirklich unter die Räder. Also wir haben teilweise Kinder - in unserem Buch behandeln wir nicht nur Missbrauch, sondern allgemein häusliche Gewalt auch - und Kinder, die dann auch schon älter sind und die abhauen, die versuchen sich Hilfe zu holen in der Schule von der Schulsozialarbeiterin, die auf sich aufmerksam machen, die krass auffälliges Verhalten zeigen in ihrer maßlosen Verzweiflung. Und der Staat, also die staatlichen Akteure gehen immer wieder hin und sagen Das ist der richterliche Beschluss, hier hast du zu leben. Und das kann so auf jeden Fall nicht sein. Da läuft was schief.
[00:08:40.200] - Nadia Kailouli
Ja, jetzt muss man natürlich unterscheiden zwischen einem Kleinkind, einem Säugling und einem Jugendlichen. Und ich bin total bei dir, dass man sagt okay, mit einem 12-Jährigen oder mit einer 12-Jährigen muss man reden, bevor man dann für eine 12-Jährige eine Entscheidung trifft zum Beispiel. Bei einer 2-Jährigen sieht das doch wieder ganz anders aus, oder?
[00:08:59.340] - Sonja Howard
Ja, auf jeden Fall. Also es gibt dann auch Richter, die dann meinen, man kann so Kleinkinder anhören und das ist auch Quatsch. Also wenn ich jetzt denke, meine Jüngste ist jetzt fünf, je nachdem bei welchem Elternteil sie ist, sagt sie immer, sie möchte zum Anderen. Also wenn man da jetzt quasi einmal diesen Kindeswillen nur anhören würde und darauf dann so eine Für -immer-Entscheidung treffen würde, das wäre natürlich total Quatsch. Aber wir reden hier ja auch nicht von normalen Trennungssituationen, wo es nur um den Kindeswillen geht, sondern wir reden ja hier von Fällen, in denen es in vielen Fällen nachweisliche häusliche Gewalt gab, oft in Kombi mit Missbrauchsvorwürfen. Und dann wird quasi nicht gesagt: "Okay, nach Istanbul Konvention haben wir die häusliche Gewalt mit einzubeziehen und das Verfahren hat so und so zu laufen." Sondern es wird quasi die häusliche Gewalt unter den Tisch fallen gelassen, auch die Nachweise, die es gibt, teilweise sogar rechtsmedizinisch nachgewiesene Gewalt wird ignoriert, dann wird nur auf den Missbrauchsverdacht geguckt. Das heißt dann: "Ach ja, das können wir aber nicht zu 100% abklären." Und dann kommt wieder diese alte Ideologie dann rein.
[00:10:02.460] - Nadia Kailouli
Und jetzt muss man ja sagen, also wenn wir jetzt mal ganz kurz das Thema häusliche Gewalt und sexuelle Gewalt mal außen vorlassen und nur das Ehepaar nehmen, wo ein Kind involviert ist, das sich trennen will vor Gericht. Und das läuft ja in seltensten Fällen wirklich sauber, wenn man das Wort mal so sagen darf, ab. Ja, da ist immer Streit, da sind Verletzungen und so und am Ende sind die Kinder die Leidtragenden. Ich will nicht sagen, dass jede Scheidung am Ende das Kindeswohl gefährdet, ja. Oft gefährdet das Kindeswohl es eher, wenn die Eltern zusammenbleiben. Aber man kriegt es ja im Freundeskreis, im Bekanntenkreis durchaus mit, wie das eigentlich für so ein Kind dann ist, wenn da sich die Eltern trennen. Und man bekommt auch vor allem immer mit, dass das Kind so ein Spielball wird.
[00:10:57.800] - Sonja Howard
Wir haben ja für unser Buch auch wirklich so ein paar Best Practice Leute interviewt und da ist eine Familienrichterin hier aus Berlin dabei, mit der ich auf dem Nationalen Rat in der AG kindgerechte Justiz bin. Also das ist wirklich eine von den ganz tollen, die halt wirklich auch internationales Recht anwendet. Juhu! Und die sagt dann auch ganz klar: Es ist komplett utopisch, es wird den Eltern oft auferlegt zu sagen: "Ihr müsst jetzt die Paarebene von der Elternebene trennen." Und diese Richterin geht hin und sagt: "Wir haben hier frisch getrennte Leute mit einem riesen Berg an Schmerz. Du kannst die nicht in Mediationen zwingen. Du kannst die nicht zwingen, in irgendeiner Weise sich jetzt mal eben zusammenzureißen." Und deswegen richtet sie wirklich den Blick aufs Kind. Nimmt sich mehr Zeit als vorgesehen ist. Also jeder Richter hat halt diese 237 Minuten für ein gesamtes Verfahren dieser Art. Das ist nichts. Das ist ein anderes Riesenproblem, was wir tatsächlich haben, weil die, die ihren Job gut machen, können den nicht lang gut machen, weil sie hinten rein sind mit den Fällen. Das ist tatsächlich so. Und sie nimmt sich also mehr Zeit als angedacht wäre und macht dann eben auch so Sachen wie, dass sie dann vorschlägt, dass ein Kind einfach in so eine Trennungs-und Scheidungsgruppe kommt, wo die Kinder dann einfach mal weg sind aus diesem elterlichen Einflussbereich und dann lernen können: Ich darf beide lieben, auch wenn die beiden sich nicht mehr lieben.
Das muss auch mal jemand aussprechen, damit eben genau das nicht passiert, dass Kinder so zum Spielball werden und in diesen Loyalitätskonflikt kommen und denken, sie müssen jetzt hier irgendwie... Und Kinder denken ja eh immer, sie sind selber schuld. Und dann geht das auch. Und dann hat sie auch gesagt, wenn wir einen Fall haben, wo keine häusliche Gewalt im Spiel ist, wenn sie das garantieren kann, okay, es ist wirklich nur ein Streit und das Kind lehnt einen Elternteil ab. Und dann sagt sie auch ganz klar: Ich würde niemals auf diese bescheuerte Idee kommen, dieses Kind gegen seinen Willen zu zwingen, mit dem abgelehnten Elternteil Kontakt zu haben. Das ist Quatsch. Was sie dann macht, ist sie macht Pendel-Umgänge. Das bedeutet, es wird sich in einer Beratungsstelle, in einer psychologischen Stelle, also da gibt es verschiedene, je nach Bundesland, und dann treffen die sich abwechselnd quasi mit einer dritten neutralen Person, also das abgelehnte Elternteil und das Kind. Und dann können Briefe geschrieben werden und auch mal Geschenke ausgetauscht werden. Und erst wenn beide an dem Punkt sind, dass sie sagen: "Ja, okay, ich treffe mich jetzt wieder", dann geht es in die Richtung.
[00:13:18.440] - Nadia Kailouli
Genau. Ich wollte gerade sagen, es wäre doch am besten, wenn es eine never-ending Story wäre, weil Kinder entwickeln sich ja weiter. Und wenn sie jetzt am Anfang einer Trennung, weil sie vielleicht dann gerade gemerkt haben, Papa war jetzt aber richtig laut oder Mama hat einen Teller gegen die Wand geschmissen oder ich weiß es nicht, ich möchte lieber dahin oder dahin. Es kann sich ja innerhalb von Wochen oder Monaten natürlich auch wieder ändern. Wie geht man damit um?
[00:13:41.300] - Sonja Howard
Absolut. Es gibt. Das hat auch diese Familienrichterin Mari Weiß gesagt, so jeden Beschluss, den sie letzten Endes beschließt, das ist einfach nur, das ist ein Vorschlag und das wird jetzt mal gemacht. Und dann gibt es ein Überprüfungsverfahren. Und das sollten die Familiengerichte eigentlich auch, wenn sie so gut arbeiten würden wie sie sollten, sollten die das von sich aus auch machen. Immer wieder gucken: Ist das, was wir beschlossen haben, immer noch am Kindeswohl orientiert? Wie geht es denn dem Kind damit? Wenn das natürlich gemacht wird, dann ist es super. Wie du sagst, es ist normal, dass Kinder sich in so einer Hochkonfliktsituation erst mal intuitiv für einen Elternteil entscheiden, dann kommen charakterliche Unterschiede dazu. Es gibt auch Kinder in intakten Familien, die sich nur von Mama oder nur von Papa ins Bett bringen lassen. Das ist manchmal so und es kann sich auch wieder ändern. Und da müsste man einfach regelmäßig drauf schauen und ohne diesen krassen Zwang einfach.
[00:14:33.780] - Nadia Kailouli
Das sind jetzt alles so Sachen, wo wir als super Juristinnen - not. Ja, wir sind beide keine Juristinnen, aber unsere Theorien jetzt hier hinlegen und du natürlich noch mal mit viel Expertise, weil du mit sehr vielen Juristinnen und Juristen gesprochen hast zu diesem Thema. Die Realität zeigt ja aber auch Fälle, wie du eben eingangs schon gesagt hast, da läuft es ganz anders. Da gibt es tatsächlich Fälle von sowohl Männer als auch Frauen, Väter als auch Mütter, die von dem Rechtssystem eben so eine Entscheidung bekommen haben, dass das Wohl des Kindes da überhaupt gar nicht gesehen worden ist oder am Ende eine Entscheidung getroffen worden ist, wo das Wohl des Kindes eher gefährdet wird. Woran habt ihr das festgemacht? Habt ihr Fallbeispiele euch angeschaut? Habt ihr euch das ganze Familienrecht angeguckt oder wie seid ihr da in diese Recherchen gegangen?
[00:15:18.620] - Sonja Howard
Wir haben Akten studiert, bis sie uns zu den Ohren rauskam. Und das waren teilweise wirklich Stapel, also hunderte Seiten. Allein ein familienrechtliches Gutachten hat manchmal 300 Seiten. Das musst du erst mal lesen. Und die meisten Verfahren ziehen sich auch schon sehr lange, also da kommt was zusammen. Das Absurde ist, und das ist das, was so krass ist, wenn man diese Aktenanalysen macht, man kann genau zeigen, wo irgendjemand falsch abgebogen ist. Man kann teilweise genau sehen, das Kind hat das und das gesagt, das Kind hatte die Verhaltensauffälligkeiten. Hier ist eine Stellungnahme aus der Kita, aus der Schule vom Kinderarzt und trotzdem kommt am Ende was raus, was das alles komplett ignoriert. Also wo man sich denkt, wenn wir als Nichtjuristinnen das so klar nachvollziehen können, dann müsste ein Jurist das auch eigentlich machen. Und Gerichte haben ja auch eine Amtsermittlungspflicht. Die können nicht einfach sagen: "Ach, das Jugendamt sagt so, dann folgen wir dem", oder, "das Gutachten sagt so und so." Die haben eine eigene Amtsermittlungspflicht und das konnten wir eben leider auch feststellen, dass dieser oft nicht nachgegangen wird.
[00:16:23.830] - Nadia Kailouli
Warum nicht? Also ich möchte jetzt nicht sagen aus mangelndem Know how, weil so ein Jura-Studium, bis man da sein erstes Staatsexamen hat, da muss man schon ein bisschen, da muss man mehr als 300 Seiten lesen, sag ich mal.
[00:16:34.300] - Sonja Howard
Hate to break it to you, aber man lernt im Jurastudium nichts über Kinderschutz. So, das bedeutet...
Ja, das heißt, du hast da einen Juristen sitzen, der, ich meine, es gab es eine Gesetzesreform, aber die Richter, die jetzt schon im Familienrecht tätig sind, ob die überhaupt wissen, was ein Trauma ist, wissen wir nicht. Also es gibt Richter, die beispielsweise sagen: "Na ja, Gewalt mitzuerleben ist ja nicht schlimm. Gewalt gegen die Mutter ist ja keine Gewalt gegen das Kind. Und natürlich muss das Kind jetzt in ein Wechselmodell, auch wenn es jahrelang Gewalt mit angesehen hat." Und wir wissen also aus der Bindungsforschung, aus der Traumaforschung, dass Gewalt miterleben müssen für ein Kind genauso ist wie Gewalt am eigenen Leib erleben. Das lässt sich auch alles nachweisen mit den ganzen Spiegelneuronen und so weiter. Und diese unwissenschaftlichen Glaubenssätze, die halten sich halt. Oder wenn ein Kind beispielsweise eine Angstbindung hat zu einem Täter, das gibt es ja auch. Also Kinder wissen instinktiv, dass sie auf ihre Eltern angewiesen sind zum Überleben. Das ist evolutionsbiologisch einfach so angelegt. Und wenn Kinder dann auch schon in den Jahren vorher erlebt haben, dass sie auf Gedeih und Verderb ihren Eltern ausgeliefert sind, dann versuchen sie sich gut zu stellen, auch mit einem gewalttätigen Elternteil.
Das bedeutet, das kann sein, dass du Täter und Kind in einen Raum setzt und das Kind rennt freudestrahlend auf den Vater zu und sagt: "Oh Papa, und ich habe dich so vermisst." Und dann siehst du das als nicht ausgebildeter Mensch und denkst: Das ist doch eine super Bindung. Ist doch alles super. Wenn dann so ein Richter die ganze Vorgeschichte unter den Tisch fallen lässt, häusliche Gewalt, die vielleicht sogar nachgewiesen ist oder wie ein Kind nach dem Umgang sich verhält, weil diese Kinder kollabieren dann nach dem Zusammentreffen mit dem Täter und versuchen das irgendwie mit sich klarzubekommen. Dann wird nicht am Kindeswohl orientiert entschieden. Also es ist wirklich so ein Flickenteppich aus mangelnder Qualifikation tatsächlich und auch sehr viel Überzeugung. Also wir hatten schon vor fast zehn Jahren hat der Rechtsmediziner Dr. Michael Tsokos und seine Kollegin Saskia Etzold von der Charité in Berlin, die haben das Buch "Deutschland misshandelt seine Kinder" rausgebracht und die haben in diesem Buch auch schon Fälle aufgezeigt. Fälle, wo ganz klar war, in dem erinnere ich mich an einen Fall, eine Mutter, die ihr Kind schwer misshandelt hat, die hat das auf eine glühende Herdplatte gesetzt und das waren so eindeutige Verletzungen, wo klar war: Okay, die Mutter lebt mit dem Kind zusammen, es muss die Mutter gewesen sein und die Rechtsmediziner haben ihr Gutachten geschrieben, haben gesagt: Das kann keine Fremd-Einwirkung sein, das kann kein Unfall gewesen sein. Und dann sitzt am Ende ein Richter und sagt: "Eine Mutter würde doch so etwas niemals tun", und schickt Mutter und Kind wieder nach Hause. Und das sind dann halt die Punkte, wo dann diese richterliche Unabhängigkeit einfach in richterliche Willkür ausartet. Und das kann nicht sein.
[00:19:20.290] - Nadia Kailouli
Ja, vor allem kann es nicht sein, dass ein Richter darüber entscheidet, obwohl es Dokumente gibt, die was anderes belegen aufgrund einer Theorie, die ein Richter dann sich zusammen baut und darauf basierend eine Entscheidung trifft. Das ist ja dann auch wieder eine Macht, die dann so ein Richter hat.
[00:19:37.660] - Sonja Howard
Auf jeden Fall. Und das ist auch Machtmissbrauch, ganz klar, der da passiert.
[00:19:41.080] - Nadia Kailouli
Das ist so irre, oder? Aber gucken wir mal gerade so auf Sorgerechtsstreits. Gerade Frauen, leider ja immer noch, ist ja oft so, dass sie eben nicht in einer finanziellen unabhängigen Partnerschaft leben, sondern das klassische Familienmodell ist immer noch: der Mann geht arbeiten, die Frau bleibt zu Hause, kümmert sich ums Kind, dann kommt der große Knatsch. Der Mann ist super erfolgreich, da ist die finanzielle Absicherung da. Während die Frau irgendwie seit zehn Jahren nicht im Job ist und so schnell auch keinen Job findet, sprich sie findet keine Wohnung. Sie kann dem Kind eben nicht die bestimmte Quadratmeterzahl an Wohnungen geben. Dies, das, wir kennen das. Wo liegt jetzt hier das Problem in unserem Familienrechtssystem?
[00:20:20.740] - Sonja Howard
Eigentlich gibt es ja das sogenannte Kontinuitätsprinzip, was eben auch beim Kindeswohl mit reinspielt. Und da geht es dann darum, wo das Kind eben am meisten betreut wurde, wo die engste Bindung besteht. Das wäre dann in so einem Fall eben die Mutter, weil sie war mit dem Kind zu Hause. Und gute Richter erkennen das. Die erkennen das und die entscheiden dann okay, nach Kontinuitätsprinzip, da geht es dann auch nicht darum, dass der Vater beispielsweise jetzt in der Ehewohnung oder so bleibt, sondern da geht es wirklich darum zu wem hat das Kind die engere Bindung? Und dann wird dann auch gesagt: Okay, das Kind zieht mit der Mutter aus, weil die Bindung ist eben wichtiger als der lokale Standort des Kindes, sage ich mal. Und gute Richter machen das so.
[00:20:59.440] - Nadia Kailouli
Habe ich jetzt zu viele blöde Filme gesehen, wo ich gesehen habe, dass am Ende doch der schlechte Richter da öfter drüber entscheidet, oder?
[00:21:05.980] - Sonja Howard
Das Problem ist, wir haben keine Zahlen dazu. Also wir, die jetzt in dem Bereich tätig sind, wir wissen jetzt mittlerweile, dass es so ein paar Gerichtsbezirke in Deutschland gibt, da häufen sich die Fälle, die gegen das Kindeswohl sind. Ach, ich sage es jetzt einfach mal rund ums OLG Hamm, rund ums OLG Zelle. So, da kommen einfach immer weiter Fälle rein und die werden alle ähnlich miserabel entschieden. Und ja, und dann gibt es andere Bereiche, da läuft es wirklich sehr, sehr gut, da hört man auch nie was davon. Und wenn mans dann was hört, dann sind es Gute. Und das sind dann halt auch die Richter, die dann bei uns auch in den ganzen Gremien mit drin sitzen, weil die wissen halt, wie man den Job richtig macht.
[00:21:42.640] - Nadia Kailouli
Jetzt muss man wahrscheinlich einmal ganz kurz sagen, okay, wir reden hier über Kindeswohl. Ist das deiner Meinung nach Definitionssache oder ist das klar definiert?
[00:21:51.880] - Sonja Howard
Es ist nicht klar definiert natürlich. Und das ist auch immer so ein bisschen, eine Juristin, mit der ich sehr gut zusammenarbeite, die sagt immer, das ist so ein bisschen Bauchgefühl-Rechtsprechung, was da passiert an den Familiengerichten. Ich meine, wenn man ein frisches Trennungskind fragt, ja, was möchtest du? Dann will das Kind, dass Mama und Papa wieder zusammen sind. Und dann ist schon so klar, die Trennung an sich entspricht jetzt schon nicht zu 100 Prozent dem Kindeswillen und das Kindeswohl ist hier ganz kurz beeinträchtigt, bis es sich dann halt mit der neuen Lebenssituation gefügt hat. Es gibt aber natürlich Sachen, die ganz klar Kindeswohl schädlich sind. Also ich würde quasi eher das Pferd von hinten aufzäumen und sagen: Was geht denn einfach gar nicht? Und da reden wir von Vernachlässigung, dass das Kind nicht regelmäßig zu essen bekommt, krass mangelnde Hygiene, körperliche Gewalt natürlich auch psychische Gewalt in Form von, dass das Kind immer nur angeschrien und abgewertet wird oder auch dieses Silent-Treatment, dass man aus Strafe tagelang nicht mit einem Kind spricht und ihm Liebe und Fürsorge vorenthält und natürlich sexueller Missbrauch. Das sind diese großen kindeswohlgefährdenden Aspekte. Und da gibt es natürlich immer noch Abstufungen. Also ich bin niemand, der sagt, weil jetzt in einem Streit mit einem Teenager einmal die Hand ausrutscht, dass man jetzt sofort erziehungsunfähig ist und dieses Kind ins Heim muss. Das ist kompletter Quatsch. Also wir machen alle Fehler in irgendeiner Art in der Erziehung unserer Kinder. Aber es gibt eben durchaus Familien, die sind einfach durchweg dysfunktional. Und die Kinder erleben eben jeden Tag irgendeine Form der Gewalt. Und da sollte der Staat natürlich eingreifen.
[00:23:23.360] - Nadia Kailouli
Und jetzt haben wir es. Wie sollte man denn am besten eingreifen, wenn man in einer Familie eben lebt als Kind, wo von beiden Elternteilen eine Überforderung ist, ein mangelnder Wille oder ein mangelndes Können an Fürsorge und die Fürsorgepflicht verletzt wird stetig bei dem Kind. Was jetzt? Dann greift das Jugendamt ein und sieht halt: Okay, ihr Kind ist hier nicht gut aufgehoben bei ihnen beiden. Ja, sie sind beide nicht gute Eltern, wenn wir das jetzt mal so sagen können. Und jetzt kommt eben das Familiengericht. Wie entscheidet man denn dann für dieses Kind?
[00:23:58.300] - Sonja Howard
Der Punkt ist, es gibt ganz viele Möglichkeiten der Hilfe, die unser Staat vorgesehen hat, bevor ein Kind aus einer Familie rauskommt. Also eine SPFH, eine sozialpädagogische Familienhilfe beispielsweise, die dann so und so viel Stunden pro Woche dann in dieser Familie mitlebt, für ein paar Stunden am Tag schaut oder auch pro Woche. Also da sind wir dann wieder bei der Mangelfinanzierung von Jugendämtern und so weiter. Aber theoretisch also gibt es diese Möglichkeit. Wichtig ist einfach, dass man es daran macht. Es gibt Kinder, die leiden so sehr zu Hause, die sagen auch ich will weg. Also es gibt ja auch Kinder, die alleine zum Jugendamt laufen und sagen: "Ich halte es nicht mehr aus zu Hause." Da müssen wir nicht diskutieren, was da Kindeswille und Kindeswohl ist. Dann gibt es Kinder, die natürlich ihre Eltern lieben, auch wenn sie versagen. Also viele Kinder lieben ja ihre Eltern wirklich fast egal, was die ihnen antun. Und dann kann man natürlich auch, selbst wenn ein Kind aus einer Familie raus muss, da kann man dann sagen: Okay, wenn das Kind Umgang möchte, das Kind, dann kann man natürlich sagen, okay, wir machen Umgangskontakte. So viel wie das Kind die braucht und wie viel dem Kind gut tun. Und wenn jetzt quasi so ein kindeswohlgefährdendes Verhalten vorlag, dass man sagt, man kann Eltern und Kind nicht alleine lassen, dann gibt es immer noch die Form der begleiteten Umgänge. Aber ich sage, also ich aus meiner Kinderschutz Perspektive sage ganz klar, all diese Tools sollten nur eingesetzt werden, wenn das Kind das dann auch möchte. Aber, und da sind wir wieder bei dem Buch, was dann manche Richter machen und sagen das Umgangsrecht der Eltern, das ist in Stein gemeißelt und das Kind hat sich zu fügen. Und auch wenn das Kind den Umgang nicht will, dann erzwingen wir diesen Umgang. Das geht gar nicht. Das kam jetzt in unserem Buch nicht so vor. Aber wir haben ja zum Beispiel auch Kinder, die dann in einer Pflegefamilie leben, super glücklich sind, super gut dort angekommen sind und die sagen: "Ich möchte mit meinen leiblichen Eltern nichts mehr zu tun haben." Es gibt am laufenden Meter Fälle, in denen auch diese Kinder in den Umgang zu den leiblichen Eltern gezwungen werden, auch wenn sie danach zusammenbrechen. Und dann hast du Lehrer, die genau wissen am Montag, dieses Kind ist so durch, aha, am Wochenende war wieder Umgang. Was ist das? Was wird hier gemacht mit Kindern? Warum werden die so ignoriert? Warum wird so auf ihrem Willen herumgetrampelt? Und die Kinder zeigen, dass sie darunter leiden.
[00:26:13.050] - Nadia Kailouli
Ja, ich glaube, du sprichst da gerade nämlich so einen Punkt an. Die Eltern empfinden ja auch Schmerz, wenn sie merken, das Kind lehnt mich ab als Mutter, als Vater. Und vielleicht ist da noch nicht mal Gewalt passiert, sondern einfach ein nicht erreichen zwischenmenschlichen, einer emotionalen Beziehung. Und dieses Kind wendet sich ab, weil es irgendwie, ja warum auch immer. Und jetzt ist da natürlich ein Familienrecht. Ja, da ist das Sorgerecht für dieses Kind und dieses Kind will aber nicht. Aber du bist eben noch nicht volljährig und du kannst ja nicht selbst bestimmen, dass du da nicht mehr sein willst. Vor allem, wenn eben nichts vorgefallen ist bei dir zu Hause. Und die Eltern erleben so einen Schmerz und sagen: "Komm doch nach Hause, wir sind doch deine Eltern." Also müssen wir einfach klar bekommen, dass die Eltern einfach kein Recht auf ihre Kinder haben, vielleicht?.
[00:27:00.450] - Sonja Howard
Das ist lustig, dass du das ansprichst. Ich habe ja selber vier Kinder und ich habe immer gesagt, meine Kinder gehören nicht mir und ich habe auch kein Anrecht auf meine Kinder. Ich habe kein Anrecht auf ihre Zeit und auf ihre Liebe, so. Wenn ich es irgendwo verkackt habe, dann habe ich das selber auszulöffeln. Ich würde natürlich nicht so weit gehen zu sagen, dass man jetzt, gerade wenn wir in die Teenager-Jahre gucken, ich meine, da habe ich mir auch schon sonst was anhören dürfen zu Hause, dass man da jetzt sagt Oh, das Kind möchte jetzt gerade nicht mehr und tschüss weg. Nein, aber jetzt mal im Ernst. Es steht aktuell immer noch das Elternrecht über den Kinderrechten. Und das liegt daran, dass wir einfach glauben als Erwachsene, dass wir die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Kinder werden oft als Objekt gesehen, dass man in irgendeiner Weise fair vermeintlich aufteilt zwischen den Eltern. Und dann gibt es jetzt Gerichte, die sagen: Boah, das Wechselmodell, eine Woche hier, eine Woche da, das ist jetzt der Goldstandard und wir schleusen jetzt alle Verfahren durch und jedes Kind kriegt ein Wechselmodell aufgezwungen. Wechselmodell ist super, wenn das Kind das will. Ich hätte keinen Bock, eine Woche hier zu leben, eine Woche da. Das wäre mir zu stressig. Ich würde sehr gerne Besuche machen, aber ich würde zum Beispiel ein festes Zuhause bevorzugen.
[00:28:10.480] - Nadia Kailouli
Ja, du, es gibt Kinder, die müssen ja alle zweieinhalb Tage wechseln. 50/ 50.
[00:28:14.670] - Sonja Howard
Es gibt Richter, die entschlossen haben, dass drei Monate alte Säuglinge abgestillt werden, damit das Wechselmodell durchgezogen wird. Entschuldigung, aber da müssen wir nicht über das Kindeswohl mehr diskutieren. Das ist einfach nur reiner Irsinn.
[00:28:27.220] - Nadia Kailouli
Das ist doch Quatsch. Also das sag sogar ich als ne, ich weiß gar nicht, was das heißt, wenn man ein Kind stillt und so. Aber das ist ja nun wirklich. Also halten wir fest, das Elternrecht steht über dem Kinderrecht.
[00:28:43.080] - Sonja Howard
Genau. Es gibt, es gibt ein Elternrecht und das wird eben oft höher gewichtet als die Kinderrechte, die ja gelten. Also das ist eben dieses Internationale, die UN-Kinderrechtskonvention
[00:28:54.570] - Nadia Kailouli
Und das ist halt immer das. Man wird ja auch so erzogen in unserer Gesellschaft, dass die Eltern eben als Erziehungsberechtigte natürlich auch die Entscheidungspflicht für Kinder übernehmen und dementsprechend dann auch oft so ein Machtgefälle wieder kommt: Ich habe Macht über dieses Kind. Klar sind da Eltern auch in der Sorgfaltspflicht für ihre Kinder irgendwie, aber das sind natürlich auch alles Begriffe: Recht, Pflicht.
[00:29:17.160] - Sonja Howard
Weißt du, der Witz ist, wenn wir jetzt gerade dieses Umgangsrecht anschauen, was dann viele haben, auch wenn sie es eigentlich nicht haben sollten, weil es dem Kind nicht gut tut. Es gibt keine Umgangspflicht. Es gibt ein Umgangsrecht. Es gibt keine Umgangspflicht, also zumindest keine, die durchgesetzt wird. Also wenn ein Elternteil sagt, ich habe keinen Bock auf mein Kind, dann ist das so.
Der Staat geht nicht hin und zwingt einen absent Dad, einen Vater, der keine Lust hat, eine Mutter, die keinen Bock hat auf ihr Kind, zwingt die nicht in Umgang mit ihren Kindern. Die werden auch nicht mit Polizeigewalt vom Schulhof gezerrt und umplatziert aus ihrer neuen Familie mit der neuen Frau und den neuen Kindern und gesagt: "Hier hast du noch Kinder aus der vorigen Ehe, kümmer dich erst mal die." Nein, das macht der Staat nicht. Warum? Wird jedem sofort klar. Bindungen, Liebe, das alles lässt sich nicht erzwingen und deswegen machen wir es mit Erwachsenen nicht. Aber wir machen es mit Kindern, weil wir denken so, die Kinder gehören uns und wir wissen, was das Beste ist. Und viele sind noch alte Schule: "Kindeswillen brechen zu deinem Besten". Das erinnert zu Recht an die schwarze Pädagogik der Nazizeit. Wenn man das Kind nur lang genug einordert, dann wird es das schon irgendwann verstehen, dass das jetzt das Beste ist für das Kind.
[00:30:17.160] - Sonja Howard
Und sie sind noch alte Schule Kindes Willen brechen zu deinem Besten. Das erinnert zu Recht an die schwarze Pädagogik der Nazizeit. Wenn man das Kind nur lange genug einordnet, dann wird es das schon irgendwann verstehen, dass das jetzt das Beste ist für das Kind Und mein Gott.
[00:30:32.790] - Nadia Kailouli
Mein Gott, du merkst gerade, du gibst uns hier so viel Input, so dass das hier nicht einfach nur sich mal zwei Fälle angeguckt ist und sich das Familienrecht angeguckt ist, sondern das geht noch mal viel, viel tiefer in Strukturen und Systeme, die bis heute nicht aufgebrochen worden sind. Und teilweise zum Glück, du hast eine super Richterin eben schon angesprochen, wo du sagst zum Glück, die nimmt sich Zeit, die versteht das. Und es gibt natürlich zum Glück auch viele andere Familienrechtler, die da eine Sensibilität und einen Blick drauf haben. Aber nichtsdestotrotz sind wir im Jahr 2023 anscheinend immer noch nicht so weit, dass wir für uns ganz klar definiert haben, was bedeutet eigentlich zum Wohle des Kindes zu entscheiden, obwohl das ja total wichtig ist, weil ich meine, du bist im Betroffenenrat dabei. Ich sitze jetzt hier seit anderthalb Jahren und spreche mit Leuten über das Thema Gewalt, sexuelle Gewalt, psychische Gewalt bei Kindern. Das zieht Schleifen bis ins hohe Alter. Und wenn man da nicht rechtzeitig irgendwie guckt, dass es den Kindern gut geht, dann haben wir ein ganz anderes Problem in unserer Gesellschaft, weil die da einfach irgendwann auch nicht mehr rauskommen. Bei manchen klappt es zum Glück. Sehen wir an dir. Können wir auch ganz offen sagen. Du bist ja Selbstbetroffene. Schau, du sitzt heute auch hier und setzt sich ein und stehst mit beiden Beinen im Leben, aber wir kennen natürlich beide auch Fälle, wo das eben nicht so ist.
[00:31:43.600] - Sonja Howard
Und es war auch nicht leicht.
[00:31:44.860] - Nadia Kailouli
Ja.
[00:31:45.790] - Sonja Howard
Und es bleibt auch anstrengend. Und es hätte halt nicht sein müssen. Also wenn halt der Staat dann schon mal rein, also Einblick hat in eine Familie und dann halt seinen Job nicht richtig macht. Das sind dann halt Kollateralschäden, die einfach nicht sein müssen. Ich möchte eine Sache noch sagen, weil die sind im Zuge unserer Recherchen uns dann auch aufgefallen. Das ist so ein Selbstläufer geworden. Und zwar gab es einen Kinder-und Jugendpsychiater in den USA namens Richard Gardner, der das sogenannte elterliche Entfremdungs-Syndrom erfunden hat. Das ist unwissenschaftlich, das ist auch nicht anerkannt in Fachkreisen, eigentlich. Und was dieser Mann gemacht hat, der hat quasi alle Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung genommen. Also in Sorgerecht, Streitigkeiten und quasi wenn das Kind PTBS Symptome gezeigt hat aufgrund häuslicher Gewalt oder was auch immer, der hat die umgedeutet in: Das Kind wurde manipuliert. Also je mehr sich ein Kind zum Beispiel gewehrt hat, in den Umgang zu gehen mit dem abgelehnten Elternteil, umso mehr war das für ihn ein Zeichen dafür, dass das bevorzugte Elternteil dieses Kind manipuliert hat. Und das heißt, seine ganze Ideologie, die er da aufgebaut hat, die ging eben hauptsächlich gegen Mütter. Ich habe seine Bücher gelesen, das sind Handbücher für Missbrauchstäter, wie sie vor dem Familiengericht gewinnen können. Dann sagt er, dass Missbrauch völlig normal ist, dass wir alle irgendwie im Grunde pädophil sind. Die einen können sich halt zusammenreißen, die anderen nicht. Und dass selbst wenn Missbrauch vorgefallen ist, also selbst wenn es nachgewiesen wurde, ist das ja gar kein Grund, Kind und Täter zu trennen. Und man muss immer mit der ganzen Familie zusammenarbeiten. Und er ist sogar hingegangen und hat ganz klar gesagt, man muss die Mutter davon abhalten, den stattgefundenen Missbrauch gegen ihren Ex-Mann zu verwenden und eine, wie hat er das formuliert, Schmierkampagne gegen den Ex-Partner zu fahren, nur wegen dem Missbrauch. Und das sind die Sachen, die dieser Mann geschrieben hat. Der wird heute noch zitiert. Obwohl das wirklich kompletter Bullshit ist.
[00:33:42.340] - Nadia Kailouli
Lebt der noch?
[00:33:42.340] - Sonja Howard
Nein, der hat sich das Leben genommen. Der hat selber als familienrechtlicher Gutachter Kinder in den Umgang mit gewalttätigen Tätern gezwungen. Und zwei seiner Schützlinge haben sich das Leben genommen, weil sie es nicht mehr ausgehalten haben. Und trotzdem wird dieser Mann in manchen sehr radikalen Bubbles auch hier in Deutschland gefeiert. Es gibt Professoren, Sozialwissenschaftler, die seine Theorie weiter verbreiten. Dann heißt das Eltern-Kind-Entfremdung. Wir haben vorhin drüber gesprochen: Ja, Manipulation gibt es, aber in Fällen, in denen Gewalt vorgefallen ist und in denen ein Kind von Missbrauch spricht, haben wir es nicht mit irgendeiner Entfremdung zu tun, sondern mit Gewalt. Und diese Menschen, die gehen aber wirklich hin und sagen quasi Kinder, die sich da wehren und die Kinder, die von Gewalt berichten, sind manipuliert. Und es ist irre.
[00:34:28.120] - Nadia Kailouli
Also ihr habt da... Ihr seid auf Sachen gestoßen, wo man gar nicht glaubt, dass das noch in irgendwelchen Schriftstücken weitergegeben wird. Mein Gott. Sonja, wer sollte euer Buch lesen?
[00:34:36.460] - Sonja Howard
Alle. Nein, ganz im Ernst. Deshalb alle, weil das betrifft nicht nur Fachmenschen, die das eigentlich wissen müssen, was alles schief läuft. Und das betrifft auch nicht nur Eltern mit Kindern, die da eben rein... Das ist die Fallhöhe. Das, was wir in diesem Buch beschreiben, das ist die Fallhöhe jeder Partnerschaft mit Kind. Das müssen wir uns bewusst machen. Wir wissen nie, ob wir mit einem Täter oder Täterin zusammen sind. Und wir können, wenn wir Kinder haben, jederzeit ein Fall aus diesem Buch werden. Das muss uns klar sein. Aber das Buch, das müssen eigentlich auch Leute lesen aus dem Umfeld, weil das Umfeld weiß oft gar nicht, was abgeht. Wir haben nämlich das Problem, dass wir als Gesellschaft so ein bisschen unter kognitiver Verzerrung leiden, weil wir durch die Medien aufbereitet immer nur die Fälle mitbekommen, in denen das Jugendamt zu spät eingegriffen hat oder Kinder sogar zu Tode gekommen sind. Und dann denken wir immer, wenn der Staat wo eingreift oder wo irgendein Kind rauszerrt, dann muss ja Holland in Not sein. So dieses Bild haben wir. Wir sind nicht so, dass wir sagen: „Ne Moment mal, hier wird gerade ein Kind, das um sein Leben brüllt und sich festhält und festklammert an der Treppenstufe...", Ich habe Videos gesehen, es ist wirklich schlimm. Es ist wirklich unterirdisch, was abgeht teilweise, "wird von zehn Polizisten hier in ein Auto gezerrt. Was ist hier eigentlich los?"
[00:35:53.770] - Nadia Kailouli
Ja, aber echt mal!
[00:35:54.880] - Sonja Howard
Und das Umfeld, das müsste da viel mehr auch einspringen und sagen: Ich schreibe jetzt mal eine eidesstattliche Versicherung, also eine Stellungnahme, wo ich sage, was ich beobachtet habe in den letzten Jahren hier zwischen Mutter und Kind oder Vater und Kind. Ich beziehe mal Position und sage, dass ich glaube, dass hier irgendwas falsch läuft. Das ist immer noch keine Garantie, dass man das Kind dann am Ende rettet. Aber mischt euch ein. Wir brauchen Zivilcourage und Zivilcourage kommt auch von Wissen. Und das Wissen um das, was falsch läuft, ist elementar, um dann in solchen Fällen, auch wenn ich eine Lehrerin bin oder ein Kita-Erzieher, dann sagen zu können: Also hier läuft was ganz gewaltig schief und ich halte auch nicht meinen Mund darüber und ich rufe an und ich gehe zu Politikern. Politiker ignorieren das Problem auch immer noch sehr gerne.
[00:36:40.720] - Nadia Kailouli
Eine Frage muss ich dich jetzt noch fragen, weil du bist ja auch im Betroffenenrat. Du sitzt ganz nah an der Politik. Jetzt sind wir mitten auf Sparflamme. Du hast gerade die Jugendämter angeguckt. Also die Bundesregierung, die spart und spart und spart. Und es betrifft dann doch eher die sozialen Bereiche, wo gespart werden soll. Mit welchem Blick schaust du gerade auf die Jugendämter und die sozialen Einrichtungen, die sich gerade für das Kindeswohl einsetzen? Und vor allem jetzt, wenn wir über die Kindergrundsicherung sprechen, da wurde ja auch lange gestritten, wie viel Geld dies, das, trallala. Mit welchem Gefühl gehst du gerade so durch den Tag?
[00:37:13.960] - Sonja Howard
Ich bin sehr sauer, weil schon wieder jetzt auch mit dieser komischen Unterhaltsreform, die da jetzt gerade besprochen wird, das ist alles auch wieder so am eigentlichen Problem vorbei. Also es wird immer so ein bisschen... Es ist alles so oberflächlich und es geht nicht in die Tiefe. Also wenn ich mir überlege, das mit der mangelnden Qualifikation, das hat zum Beispiel Julia von Weiler sagt das seit zehn Jahren von Innocence in Danger: Wir brauchen Qualifikation von Sozialarbeitenden. Und es kommt nicht an, warum? Kinder kosten erst mal Geld und bringen natürlich so in einer Legislaturperiode kein Geld. Das heißt, die fallen da auch schon mal hinten runter ein bisschen. Und was die Politik eben auch verkennt, das sind die Folgekosten von diesen ganzen traumatisierten Kindern, die zu traumatisierten Erwachsenen werden, die eben nicht so leistungs- und erwerbsfähig sind, wie wir das alle gerne hätten in unserer Wirtschaft. Und ich finde es total asozial, überhaupt über einen Kostenfaktor zu sprechen, wenn wir über Kinderschutz reden. Aber wenn dir schon die Kinder egal sind, dann guck dir wenigstens die Kosten an und ich würde mir wünschen, dass der Bundestag mal einen Monat so geballt über die ganzen Missstände im Kinderschutz redet, wie über Corona diskutiert wurde, von vorne bis hinten. Wirklich. Einmal, dass jeder sagt: Okay...
[00:38:31.810] - Nadia Kailouli
Ja, ich sage ja immer: Wer bei Kindern spart, zahlt in der Zukunft drauf.
[00:38:35.620] - Sonja Howard
Das ist auch so. Aber weißt du, was das größte Problem ist? Wir haben ja hier nicht nur mit Behördenversagen zu tun, sondern auch mit Justizversagen. Und ich glaube, dass die Politik ganz große Angst hat, das Thema Justizversagen anzusprechen, weil wir haben ja die Gewaltenteilung und das ist ja auch ein hohes Gut, ist auch alles schön und gut. Und ich glaube, die haben Angst, in eine Richtung gepackt zu werden, so: Oh, die zweifeln unseren Rechtsstaat an. Weißt du, das hat dann immer auch dieses Geschmäckchen so ein bisschen. Aber ganz im Ernst, Leute, wie ich schon gesagt habe, wenn richterliche Unabhängigkeit in richterliche Willkür und Machtmissbrauch ausartet und ich will antworten für die Jugendlichen, die mir schreiben und sagen: "Sonja, wenn du siehst, dass mir Unrecht getan wird, warum kannst du mir nicht helfen? Warum kann mir niemand helfen? Ich bin abgehauen von zu Hause. Ich werde immer wieder zurückgezerrt zu einem Menschen, bei dem ich nicht leben möchte, weil ich mich unwohl fühle. Wo sind denn meine Kinderrechte?" Und ich möchte antworten für diese Kinder.
[00:39:31.300] - Nadia Kailouli
Es ist aber gut, dass du da bist, dass du wieder da bist. Nach so langer Zeit. Vielen, vielen Dank für deine Recherchen, auch an deine Kollegin, die damit recherchiert hat, für deine Impulse, die du heute hier gesetzt hast. Und vielleicht sehen wir uns in anderthalb Jahren wieder.
[00:39:45.560] - Sonja Howard
Who knows?
[00:39:46.550] - Nadia Kailouli
Sonja Howard. Vielen Dank.
[00:39:48.040] - Sonja Howard
Dankeschön.
[00:39:51.980] - Nadia Kailouli
Da spricht man mit einer Nichtjuristin und auf einmal versteht man die Justiz. So ging es mir mit dem Gespräch mit Sonja. Und welchen Satz ich wirklich gut fand, war dieses Beispiel, das sie aufgemacht hat: Es gibt ein Umgangsrecht von Eltern, aber es gibt keine Umgangspflicht von Eltern, während Kinder man dazu verpflichtet, mit ihren Eltern Zeit zu verbringen, auch wenn sie diese nicht wollen. Also diese Kausalität da drin finde ich schon interessant und damit trifft sie, finde ich auch vor allem einen Punkt, dass man Eltern nicht verpflichten kann, mit ihren Kindern in den Umgang zu gehen und Zeit zu verbringen in dem Sinne, aber dass man Kinder dazu verpflichtet, dass sie bei Eltern Zeit verbringen, wo sie sich gar nicht wohlfühlen.
An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz herzlich bei euch bedanken, dass ihr uns so treu zuhört und dass ihr auch bei schwierigen Themen dranbleibt. Wenn ihr wollt, dann folgt uns doch gerne, abonniert unseren Kanal und wenn ihr uns persönlich einmal schreiben wollt, dann könnt ihr das natürlich sehr gerne tun. Eine E-Mail könnt ihr einfach schreiben an Presse@ubskm.bund.de.
Beim Kinderschutz läuft einiges falsch. Zu oft werden Kinderrechte und ihre Wünsche nicht beachtet. Bei einbiszwei sprechen wir mit Sonja Howard über das System und wo man ansetzen kann für eine Verbesserung.
Mehr Infos zur Folge
Bei Scheidungen leiden die Kinder am meisten. Selbst die Kleinsten werden teilweise von ihrer Hauptbezugsperson getrennt oder müssen ständig von Elternteil zu Elternteil ziehen. Die Gerichte tun dem keine Abhilfe. Obwohl es das deutsche Familienrecht sowie die EU-Grundrechte Charta vorsieht, bleibt der Wille des Kindes im Trennungsfall der Eltern oft unberücksichtigt.
Bei welchem Elternteil das Kind bleibt, wird häufig über dessen Kopf hinweg entschieden. Dabei wird auch nicht vor dubiosen psychologischen Theorien haltgemacht, um die Rechtsprechungen zu begründen.
Ein Zustand, der für die Kinderschutzexpertin Sonja Howard unhaltbar ist. Das Justizsystem berücksichtige die gesetzlichen Rechte des Kindes oft ungenügend, so Howard. Im Trennungsfall sollte das Kindeswohl ausschlaggebend sein für die Entscheidung, bei welchem Elternteil das Kind bleibt.
Schon zum zweiten Mal ist Sonja Howard nun zu Besuch bei einbiszwei. Dieses Mal hat sie ihr neues Buch mitgebracht. In acht Erlebnisberichten liefern Howard und die Journalistin Jessica Reitzig darin eine schockierende Bestandsaufnahme dessen, was Eltern und ihren Kindern im Konfliktfall vor Gericht passieren kann. „Im Zweifel gegen das Kind“ weist auf die dringende Reformbedürftigkeit unseres Rechtsstaates hin, zeigt aber auch Lösungsansätze auf.
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