Podcast | Folge: 73 | Dauer: 30:01

Was muss nach der Missbrauchs-Studie in der evangel. Kirche passieren, Marlene Kowalski?

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[00:00:02.010] - Marlene Kowalski

Ich hoffe und denke, das ist angekommen, dass es kein weiter so gibt nach der ForuM-Studie, dass es nicht möglich ist, jetzt zu sagen, okay, wir regen uns jetzt einen Monat lang auf und dann wieder Dienst nach Vorschrift, sondern dass jetzt wirklich alles in die Hand genommen werden muss.

[00:00:18.020] - Nadia Kailouli

Hi, Herzlich willkommen bei einbiszwei, dem Podcast über Sexismus, sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Ich bin Nadia Kailouli und in diesem Podcast geht es um persönliche Geschichten, um akute Missstände und um die Frage, was man tun kann, damit sich was ändert. Hier ist einbiszwei. Schön, dass du uns zuhörst.

[00:00:41.690] - Nadia Kailouli

"Missbrauch. Das gibt es doch eigentlich nur da drüben bei den Katholiken." Das war so ungefähr die Haltung, wenn man mit Mitgliedern der evangelischen Kirche über Missbrauch sprechen wollte. Aber das geht seit Ende Januar nicht mehr, denn da wurde die sogenannte ForuM-Studie vorgestellt, die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der evangelischen Kirche und in der Diakonie untersucht hat. Und das Ergebnis? Das ist auch nicht besser als bei den Katholiken. 2225 Fälle und 1259 Täter und Täterinnen wurden bisher entdeckt. Dies sei aber nur die Spitze der Spitze des Eisberges, so Wissenschaftler. Dr. Marlene Kowalski leitet die Fachstelle "Aktiv gegen sexualisierte Gewalt" bei der Diakonie und gehört dem Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt an, das sich im kommenden Jahr intensiv damit beschäftigen wird, was die Ergebnisse der Studie für die Diakonie und die evangelische Kirche bedeutet, das besprechen wir jetzt mit Marlene.

[00:01:32.300] - Nadia Kailouli

Herzlich willkommen bei einbiszwei, Marlene Kowalski. Schön, dass du da bist.

[00:01:35.840] - Marlene Kowalski

Ich freue mich.

[00:01:36.560] - Nadia Kailouli

Du bist die Leiterin der Fachstelle Aktiv gegen sexualisierte Gewalt bei der Diakonie.

[00:01:41.360] - Marlene Kowalski

Richtig.

[00:01:42.140] - Nadia Kailouli

Erstmal super, dass es das gibt, finde ich. Aber was macht ihr da genau?

[00:01:46.520] - Marlene Kowalski

Also vielleicht kann man sozusagen anfangen damit, noch mal zu sagen, was ist eigentlich die Diakonie? Das ist vielleicht ja gar nicht so bekannt. Wir sind sozusagen der soziale Dienst der Evangelischen Kirche in Deutschland. Das heißt, wir kümmern uns um soziale Belange mit evangelischem Profil. Bei uns arbeiten etwa 600.000 Menschen und 700.000... Also 600.000 Hauptamtliche, 700.000 Ehrenamtliche. Das heißt, 1,3 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten unter dem Dach der Diakonie. Und uns geht es als Sozialverband darum, eben soziale Themen auch zu bedienen mit Einrichtungen wie Kitas, Altenpflegeeinrichtungen, Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Und die gibt es sozusagen alle in unserem Namen. Und wir im Bundesverband hier in Berlin sind dafür zuständig, sozusagen das zu koordinieren. Und jetzt ganz speziell in der Fachstelle "Aktiv gegen sexualisierte Gewalt" geht es darum alle Themen im Bereich Prävention, Aufarbeitung, Betroffenenbeteiligung zu koordinieren und voranzubringen.

[00:02:47.870] - Nadia Kailouli

Also dass ihr sozusagen diese Themen natürlich auch in die Einrichtungen reinbringt, dass ihr guckt, haben die Kitas, einen Ansprechpartner für Mitarbeitende zu diesem Thema? Wird aufgeklärt und so? Ist das so die richtige Richtung?

[00:03:00.080] - Marlene Kowalski

Absolut genau. Wir machen das natürlich als Bundesverband, vermittelt über die Landesverbände. Unsere Ansprechpartner*innen sind erst mal die Landesverbände. Aber dort geht es ganz konkret darum wie können wir Prävention zum Beispiel verbessern? Aber natürlich auch jetzt im Kontext der ForuM- Studie. Wie können wir Aufarbeitung noch besser machen? Da sind ja sehr viele Empfehlungen drin, wie wir auch als Kirche und Diakonie noch besser werden in diesem Thema. Und das schauen wir uns jetzt ganz genau an.

[00:03:26.720] - Marlene Kowalski

Okay, du hast die ForuM-Studie schon angesprochen, da sprechen wir gleich auch drüber. Da geht es eben um die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der evangelischen Kirche. Da reden wir gleich drum. Aber gib uns vielleicht noch mal einen konkreteren Einblick. Wenn du jetzt sagst, wir haben 1,3 Millionen Mitarbeitende sowohl im Ehrenamt als auch im Hauptamt, da kann man sich mitunter vielleicht vorstellen, dass selbst unter den Mitarbeitern natürlich auch es zu sexualisierter Gewalt kommt. Seid ihr selbst auch für eure Mitarbeiter sozusagen Anlaufstelle, um zu sagen: "Wir gucken, dass ihr in einem Arbeitsfeld arbeitet, wo ihr geschützt seid vor sexualisierter Gewalt"?

[00:04:00.560] - Marlene Kowalski

Das ist ein sehr wichtiges Thema, weil wir wissen sozusagen, zum einen gibt es unter den Mitarbeitenden Übergriffe, es gibt auch Betroffene und da ist es uns wichtig, sozusagen Strukturen zu haben, wie auch Betroffene bei uns im Haus Personen finden, auch, wo wir mit sozusagen jetzt einer Anlaufstelle kooperieren, auch einer Externen, wo sich Personen eben auch hinwenden können bei uns im Haus. Es gibt natürlich auch die Gleichstellungsbeauftragte usw., aber das ist für uns ein extrem wichtiges Thema. Auch dass wir Schutzstrukturen schaffen, dass im Haus Menschen, Menschen sicher sind.

[00:04:33.410] - Nadia Kailouli

Gibt es Beispiele, wie solche Schutzstrukturen aussehen können?

[00:04:36.920] - Marlene Kowalski

Na ja, ich glaube das ist auch was, was uns jetzt ForuM, ich muss es noch mal sagen, auch noch mal so deutlich zeigt, was für mich eine, finde ich sehr wichtige Erkenntnis war, dass es eben auch wichtig ist, einen Kulturwandel zu dieser Kultur der Achtsamkeit hinzubekommen. Also dass man sagt, es reicht nicht, nur Schutzkonzepte zu haben, sondern es braucht einen ganzen Kulturwandel im Sinne von Führungsethik im Sinne von sozusagen wie können wir miteinander auch umgehen, wie können wir auch Beziehungen thematisieren. Und das ist etwas, was wo wir auch noch besser werden müssen.

[00:05:09.410] - Nadia Kailouli

Jetzt merke ich schon die ForuM-Studie, die ist dann doch gerade auch präsenter in deinen Gedanken. Wir können auch direkt darüber sprechen. Vielleicht magst du einmal sagen, was die ForuM-Studie genau mit sich gebracht hat, was sie jetzt genau ist.

[00:05:20.900] - Marlene Kowalski

Was es ist. Es ist eine. Also es ist einfach sehr präsent, weil es die letzten Wochen sozusagen uns sehr dominiert hat in unserer Arbeit und ich glaube man auch die Erkenntnisse würdigen sollte, auch in der Kritik, die da drin steckt. Es ist sozusagen eine sehr große Studie, die die letzten drei Jahre gelaufen ist und die sexualisierte Gewalt in evangelischer Kirche und Diakonie untersucht hat, mit einem sehr breiten multi-methodischen Design mit sehr vielen beteiligten Hochschulen und Institutionen, die in sechs Teilprojekten eben verschiedene Aspekte von sexualisierter Gewalt untersucht haben, sowohl als aus historischer Perspektive, aus Betroffenenperspektive, aus Perspektive, was begünstigt sozusagen Täterhandeln zum Beispiel, aber auch aus quantifizierender Sicht? Was wissen wir auch über Fallzahlen in Kirche und Diakonie?

[00:06:11.680] - Nadia Kailouli

Wenn wir auf die Zahlen mal blicken, dann hat diese Studie viele total umgehauen, weil die Zahlen nicht gering sind. Das sind Betroffene von über 2500, das sind Täter von über 1200. Da denkt man sich so, warum hat es jetzt drei Jahre gebraucht, um diese, ja, diese Empörung dann durch diese Studie loszulassen? Wenn das drei Jahre dauert, kann man sich vorstellen, dass innerhalb dieser drei Jahre ja schon klar geworden ist, okay, wow wir sprechen hier wirklich von immens vielen Fällen und wir können jetzt uns nicht mehr davon freisprechen, dass auch in der evangelischen Kirche eben systematisch missbraucht worden ist.

[00:06:47.860] - Marlene Kowalski

Ja, und das ist eine wichtige Erkenntnis. Also wir wissen, dass diese 2225 Betroffenen, die dort sozusagen auch stehen, dass die nur ein Teil sind und das war eine wichtige Erkenntnis, auch noch mal zu sehen, sozusagen, dass auch in der Vergangenheit eigentlich immer drei Narrative gab die, die dazu geführt haben, dass sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie auch verdrängt worden ist. Das war nämlich zum einen sozusagen der Verweis auf die katholische Kirche mit der rigiden Sexualmoral, mit den starren Hierarchien, die doch viel mehr das Problem hat mit dem Zölibat usw, was wir ja in der evangelischen Kirche und Diakonie nicht haben und wo wir dann gesagt haben, wir sind ja aber so progressiv und liberal und deswegen haben wir das Problem nicht. Das zweite Narrativ war dieser Verweis auf Einzelfälle und das Dritte eine Historisierung. Also: Das war damals in der Heimerziehung sozusagen ein Problem und heute ist das nicht mehr Thema, und damit immer auch eine Negierung von strukturellen Risikofaktoren, die es in der evangelischen Kirche und Diakonie gibt, die auch heute systematisch Missbrauch ermöglichen und begünstigen.

[00:07:52.990] - Nadia Kailouli

Aber noch mal zurück dazu: Wäre es nicht besser gewesen, schon vor der Veröffentlichung dieser Studie sich zu positionieren als evangelische Kirche und zu sagen: "Wir haben hier ein Riesenproblem! Das, was wir jetzt schon herausgefunden haben, ist erschütternd." Anstatt jetzt nach drei Jahren damit rauszukommen und zu sagen: "Wir sind..", also weißt du, wie ich meine? Weil so eine Zahl entwickelt sich ja nicht von Beginn der Studie und Tag X, wo man sie veröffentlicht, das hat sich ja entwickelt und die Erkenntnisse auch entwickelt. Du wirst jetzt natürlich auch aufpassen müssen vielleicht, was du sagst, Ich weiß es nicht, aber nichtsdestotrotz denke ich mir so, war das nicht ein bisschen spät?

[00:08:31.150] - Marlene Kowalski

Ja, ja, ja, also. Und das ist auch eine, finde ich, bittere Erkenntnis, die die Studie zeigt, auch noch mal den Spiegel vorhält. Das auch, und das hätte ich auch anders eingeschätzt, ich war ja lange in der Wissenschaft und habe sozusagen lange auch das Thema begleitet aus einer forscherischen Perspektive und dachte immer, dass auch in Kirche und Diakonie das Thema schon viel früher aktuell ist. Und jetzt die Studie hat auch gezeigt, durch sozusagen eine umfangreiche Diskursanalyse, auch zum Beispiel der Pressemitteilungen, dass das Thema eigentlich erst ab 2018 wirklich präsent im öffentlichen Diskurs war, obwohl es seit 2010 auch in der evangelischen Kirche Fälle gab, also natürlich auch davor, aber sozusagen da schon eine prominente Aufdeckung mit dem Fall in Ahrensburg und damit auch ein öffentliches Bewusstsein, dafür ist das doch sehr lange sehr zurückgehalten bespielt worden und dass, es gab natürlich Anstrengungen von einzelnen Personen, aber diese breite Thematisierung, das da müssen wir noch besser werden und das war noch nicht ausreichend. Auch wenn es sehr viele, sehr engagierte Leute gab, hat das nicht gereicht.

[00:09:36.910] - Nadia Kailouli

Aber die Frage ist, kann man, also wann wird die evangelische Kirche besser? Du hast jetzt gerade den Kampf von Einzelpersonen genannt. Eine saß schon hier bei uns Katharina Kracht zu Gast, eine Betroffene von Missbrauch in der evangelischen Kirche. Sie sagte dann auch: "Ich glaube euch gar nichts mehr. Ich setze überhaupt nicht mehr auf euch", auf die evangelische Kirche, weil die Aufarbeitung eben so ist, wie sie ist.

[00:09:58.330] - Marlene Kowalski

Das ist natürlich eine Variante und ich verstehe das auch, wenn Betroffene sagen und wir wissen ja auch aus vielen Betroffenenberichten, dass es eine eine zutiefst erschütternde Erfahrung ist, in einer Institution, die Schutz bieten soll, Missbrauch zu erfahren. Eine Instrumentalisierung, eine Manipulation auch des eigenen Selbst und sozusagen hier auch zutiefst sozusagen verletzt zu werden und dann sich auch von der Institution abzuwehren, das ist auch eine verständliche Reaktion. Aber wir haben auch Betroffene, die sagen, entgegen dieses Narrativ sozusagen, wir wollen trotzdem mithelfen, dass hier Aufarbeitung möglich ist, zum Beispiel eben im Beteiligungsforum sexualisierte Gewalt, wo Betroffene und kirchliche und diakonische Beauftragte zusammen an jetzt auch allen Lösungen arbeiten, die es für die Fragen rund um sexualisierte Gewalt gibt.

[00:10:49.740] - Nadia Kailouli

Aber genau da wird ja vielen Betroffenen dann von Seiten der evangelischen Kirche auch so ein bisschen die Steine in den Weg gelegt, dass sie sagen: "Wir wollen mithelfen, wir wollen hier aktiv für eine transparente Aufarbeitung sorgen." Und dann sagt die evangelische Kirche, aber: "Nee, nee, aber bitte nach unseren Spielregeln, weil wir wollen keine Täter nennen", zum Beispiel, ja, "wir können nicht garantieren, dass wir alle Betroffenen entschädigen." Zum Beispiel, also, wie geht man damit um?

[00:11:12.030] - Marlene Kowalski

Also mir wäre jetzt neu, dass jemand sagt, wir wollen nicht alle Betroffenen entschädigen. Also das wäre schon...

[00:11:16.770] - Nadia Kailouli

Aber es gibt keine klare Regelung, oder?

[00:11:18.960] - Marlene Kowalski

Doch, doch, doch, doch, doch, doch. Es gibt die Anerkennungskommission in allen Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden. Es gibt auch seit 2019 eine Musterordnung. Und es gibt jetzt noch eine Überarbeitung dieser Musterordnung, um eben zu einer Vereinheitlichung noch mal zwischen den Landeskirchen beizutragen. Denn natürlich ist das unsäglich, wenn Betroffene in einer Landeskirche andere Beträge erhalten als in einer anderen. Das ist was, wo wir unbedingt sagen, das muss reformiert werden. Und das ist extrem wichtig, dass das hier auch wirklich auch zu zu tiefgreifenden Reformen kommt für die Betroffenen.

[00:11:54.360] - Nadia Kailouli

Was war denn dein erster Eindruck, als du die Studie das erste Mal in den Händen hattest?

[00:11:58.350] - Marlene Kowalski

Was mir jetzt bei der Studie, die mir irgendwie ja die, die mir doch noch im Kopf sehr präsent ist, was mich, glaube ich auch noch getroffen hat und wo ich denke, was eben wirklich auch mit Hinblick auf manche Betroffene eine Erkenntnis ist, die uns zu denken geben sollte und die uns auch beschämt, ist, dass eben Betroffene auch in der Vergangenheit oft als Gegenüber konstruiert wurden, dass sozusagen es auch bei uns in den Landeskirchen, in den diakonischen Landesverbänden eher ein Abarbeiten als ein Aufarbeiten gab und dass es deswegen auch wichtig ist, auch die Mitarbeitenden, die wir haben, in den Landesverbänden und in den Landeskirchen so zu schulen und zu sensibilisieren, dass sie eben auch betroffenensensibel agieren können. Wir haben viel mehr Betroffene, als das uns bewusst ist. Auch auch bei uns in unseren Einrichtungen. Menschen, die, die dort arbeiten und die selbst Betroffene sind. Und hier glaube ich, so eine Kultur zu schaffen, wo Betroffene auch,also wo wir generell Betroffenen sensibel sind. Das finde ich, ist eine Aufgabe, die, die wir auch noch haben, jetzt, jetzt, in Zukunft.

[00:12:59.430] - Nadia Kailouli

Jetzt habe ich hier in diesem Podcast einbiszwei schon des Öfteren über das Thema sexualisierte Gewalt, sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche gesprochen und ich habe mich sehr oft erwischt, dass ich immer darüber gesprochen habe, "Missbrauch in der Kirche" und mich dann selber immer korrigiert habe und gesagt habe: "in der katholischen Kirche", muss ich mich heute noch korrigieren oder kann ich einfach sagen "Missbrauch in der Kirche"?

[00:13:18.120] - Marlene Kowalski

Ich würde schon sagen, es ist was anderes. Also ich würde schon sagen, es gibt natürlich bestimmte Strukturen, die, die ähnlich sind wie die Bedeutung auch von Seelsorge, die Bedeutung sozusagen dieses gemeinsamen Verhältnisses, was man sozusagen auch oder dieser gemeinsamen Ausrichtung auf den Glauben, die natürlich etwas begünstigt, auch spirituellen Missbrauch. Aber ich glaube schon, dass es hier auch noch mal andere Strukturen gibt in der evangelischen Kirche, die, die das begünstigen. Ein spezifisches Milieu auch der Geschwisterlichkeit, wo man sozusagen sehr viel Nähe auch hat, was dann natürlich auch instrumentalisiert werden kann auf eine besondere Art und Weise. Und das ist etwas, wo wir merken, dass es wichtig ist, hier auch noch mal genau hinzuschauen.

[00:14:01.800] - Nadia Kailouli

Wie schaut man denn ab jetzt genauer hin? Weil das sind ja Fälle aus der Vergangenheit. Es kommen aber natürlich, das kennen wir, wenn es einmal ins Rollen kommt, kommen immer mehr Fälle. Das können wir auch vielleicht von der evangelischen Kirche erwarten. Und vor allem haben sich ja diese Strukturen, die du gerade zum Beispiel auch angesprochen hast, diese Geschwisterlichkeit, ja, diese Nähe, die ist ja jetzt nicht anders als vor ein paar Jahren oder paar Jahrzehnten. Also das System Kirche nach, ob jetzt evangelisch oder katholisch ist ja, ist ja eine Institution, die so weitergelebt wird. Was wird denn verändert? Wird was verändert? Wird anders hingeschaut?

[00:14:36.960] - Marlene Kowalski

Also ich würde schon sagen, dass jetzt uns noch mal ganz speziell gezeigt wurde, was Probleme sind. Also auch in der Aktenführung, in der Dokumentation, aber auch, dass es, das fand ich sehr markant noch mal, dass es über viele Jahre auch wirklich täterschützende Strukturen gab, also dass sich die Kirche eher um Täter gekümmert, bemüht hat in Seelsorge und Fürsorge, dass auch Täter von der Landeskirche in die Diakonie versetzt worden sind, damit, wenn sie ihre Ordinationen verloren haben, dass sie dort dann noch weiterwirken können oder dass sie von Landeskirche zu Landeskirche oder Kirchenkreis zu Kirchenkreis versetzt worden sind und damit immer auch ein System begünstigt wurde, was eben eher Täter geschützt hat als Betroffene. Ich habe jetzt erst vor einer Woche erfahren, dass ich eigentlich meine ganze Jugendarbeit mit einem Täter verbracht habe, der sozusagen in einer anderen Kirchengemeinde übergriffig geworden ist und sexualisierte Gewalt an einem 15-jährigen Mädchen verübt hat. Und dann dort entlassen wurde und von unserem Superintendent wieder aufgenommen wurde, wieder in der Kinder und Jugendarbeit eingesetzt wurde. Und das ist jetzt 20 Jahre her. Da war ich irgendwie 14, 15, aber das zeigt, dass es hier über viele Jahre doch auch eine Bagatellisierung des Problems gab. Und wenn man das jetzt aufdeckt und anspricht, ist das ein erster Weg, auch nochmal zu zeigen, wie viele Menschen haben auch in Verantwortung wirklich versagt. Und ich glaube, wir haben eine enorme Vertrauenskrise jetzt. Also das ist, also da steht ja ganz viel auf dem Spiel, aber ich glaube, da muss man jetzt wirklich alles aufdecken. Also der Leiter der ForuM-Studie, Martin Wazlawik, hat gesagt, dass der beste Weg aus der Krise ist, der Wirklichkeit ins Auge zu blicken. Und wenn man jetzt eben scheibchenweise nur die Wirklichkeit aufdeckt, dann führt das zu einer Dauerhaftigkeit der Krise. Und ich glaube, unsere Aufgabe ist es jetzt, dieses Vertrauen, was ja auch verloren gegangen ist, weil wir eigentlich eine Institution sind, die, wir leben davon, dass Menschen uns vertrauen, dass sich Menschen uns anvertrauen oder ihre Angehörigen uns anvertrauen. Und wenn sie dieses Vertrauen verlieren, dann, dann ist das für uns existenzbedrohend letztlich. Und wir müssen das zurückgewinnen. Und das können wir aber nur, indem wir radikal alles, alles auf den Tisch legen.

[00:16:55.530] - Nadia Kailouli

Ich würde das gern mal in Zahlen festlegen, was du gerade gesagt hast: "existenzbedrohend, das Vertrauen verlieren." Also 2003 waren es noch fast 26 Millionen Mitglieder in der evangelischen Kirche und Ende 2022 waren es 19,15 Millionen. Da sieht man, die Menschen distanzieren sich systematisch von der auch evangelischen Kirche. Ist deine Sorge groß, dass jetzt mit der Erkenntnis dieser ForuM- Studie noch mehr Menschen den Weg aus der evangelischen Kirche gehen?

[00:17:26.520] - Marlene Kowalski

Klar. Also die Sorge habe ich und ich ich glaube auch, dass es, wenn es nicht uns gelingt, überzeugend auch das Vertrauen wiederzugewinnen. Also, dass man jetzt was tun muss. Wir sind ja schuldig geworden als Institution, wir haben als Institution, als Kirche, Diakonie versagt. Die Menschen dort haben auch versagt, das Thema über lange Jahre hinweg auch adäquat zu zu bearbeiten. Und dass es dann nur verständlich wäre, wenn Menschen auch sagen: "Ich kehre sozusagen dieser Institution den Rücken". Und das dürfen wir aber nicht nicht zulassen. Ich glaube, wir müssen aber auch die Sorgen der Menschen ernst nehmen, die jetzt sagen: "Ich will aber wissen, wie, wie geht ihr das jetzt an!" Und dass wir da sageb, wir wollen einfach, wir nehmen diese Studie sehr ernst, wir lesen sie sehr. Das ist eine 800 Seiten Studie, eine sehr umfangreiche Auswertung, auch mit einem Blick auf wirklich unsere ganze Praxis, Kultur. Das ist nicht, das kann man nicht schnell einfach mal lesen und dann sofort Schlussfolgerungen ziehen, sondern man muss sich das auch erst mal alles vergegenwärtigen. Und das machen wir jetzt auch zusammen mit Betroffenen und dann aber eben auch Konsequenzen zu ziehen und zu überlegen, wie können wir es schaffen, hier auch Vertrauen wiederzugewinnen? Indem wir eben zum Beispiel konsequent aufarbeiten, also jetzt im Dezember ist die gemeinsame Erklärung verabschiedet worden zwischen EKD, Diakonie und der UBSkm zur Aufarbeitung, wo es darum geht, dass jetzt in den nächsten 15 Monaten unabhängige Aufarbeitungskommissionen gegründet werden, wo Betroffene ganz, ganz grundlegend mit beteiligt werden und wo dann auch klar wird, dass, die sind auf Dauerhaftigkeit angelegt und Aufarbeitung geht weiter. Das hört jetzt nicht mit ForuM auf, sondern ForuM war ein Meilenstein, war nicht der Anfang, nicht das Ende. Aber es geht jetzt weiter.

[00:19:14.280] - Nadia Kailouli

Aber was kann man jetzt aus den letzten Jahren lernen der Aufarbeitung? Vor allem die letzten drei Jahre, wo man sich ja intensiv eben damit auseinandergesetzt hat, mit der, mit der Studie. Ist jetzt nicht so, dass die evangelische Kirche das Thema nicht vorher schon auf der Agenda hatte, das ist schon klar. Aber nichtsdestotrotz macht sich dennoch ja bei Betroffenen, nicht bei allen, aber bei einigen, das ist ja auch eine Stimme, so ein Unmut breit und sagt so: "Ja, was macht ihr denn jetzt, außer dass ihr sagt, es erschüttert euch? Ihr seid bestürzt, ihr seid betroffen. Darüber hinaus Wie geht es denn jetzt ganz konkret weiter?" Also wo kann die evangelische Kirche jetzt handeln, dass sie die Fehler, die die katholische Kirche in der Aufarbeitung gemacht hat, nicht macht?

[00:19:52.560] - Marlene Kowalski

Das ist ganz wichtig, dass wir uns nicht in Betroffenheitsrhetorik verlieren. Also ich denke, dass man man darf jetzt nicht zu lange erschüttert sein, man muss jetzt auch weitermachen. Und das sind eben zum Beispiel genau diese Aufarbeitungskommission, wo Betroffene auch breit, sozusagen wo Betroffenen auch angeboten wird und Betroffene dazu eingeladen werden, sich zu beteiligen, egal ob sie sich selbst als kirchennah oder kirchenfern positionieren. Das ist ja auch manchmal so ein Diskurs sozusagen wie nah oder fern steht jemand auch jetzt noch der der evangelischen Kirche. Und das darf aber nicht verschleiern, dass es eigentlich jetzt darum geht, dass wir sagen, wir brauchen zur Aufarbeitung auch betroffene Personen. Die sollen eben auch in diesen Betroffenenforen ganz substanziell mit beteiligt werden und da wollen wir das. Auch viele Stimmen, also ich glaube, es gibt ja auch nicht den oder die Betroffene, sondern das ist ja immer eine große Heterogenität, zu Recht. Und das wollen wir ja auch. Wir wollen nicht Betroffene, die nur sagen: "Ihr macht ja schon alles toll." Sondern im Gegenteil Betroffene hatten von jeher in der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt immer die die Aufgabe, leider sozusagen auch Aufarbeitung voranzubringen und Institutionen zu mahnen und Institutionen auch auf den Weg zu bringen. Das war übrigens auch eine Kritik aus der Studie, dass wir oft eher reaktiv aufarbeiten, also nicht, initiativlos, nicht eigeninitiativ, sondern oft dann, wenn es einzelne Fälle gibt, dann sozusagen auch aktiv werden. Und das heißt natürlich, wir müssen auch da noch noch weiter vorangehen. Aber das ist ein Punkt, also Aufarbeitung. Wir müssen in der Anerkennung, dass die Anerkennungsleistungen auch vereinheitlicht werden, aber natürlich auch in Prävention, Schutzkonzeptentwicklung, Führungskultur. Ich glaube, es hat sehr, sehr viel mit Führung auch zu tun, wie Menschen in Einrichtungen auch führen, aber eben auch mit einer grundlegenden, einem grundlegenden Verständnis von Nähe und Distanz. Wenn wir über theologisches oder auch diakonisches Handeln sprechen, geht es ja immer um Beziehungen. Und Beziehungen sind ja erstmal auch etwas sehr, sehr Gutes, etwas sehr förderliches. Nur sie müssen eben auch grenzachtend gestaltet sein, dass hier klar ist, sozusagen ich, ich muss meine eigenen Grenzen und vor allen Dingen die des Gegenübers erkennen und und immer auch respektieren und das viel stärker zu thematisieren, auch in der Ausbildung ist ein ganz, ganz wesentlicher Punkt.

[00:22:12.890] - Nadia Kailouli

Wie hat sich denn diese Studie jetzt auf deiner Arbeit niedergeschlagen? Also musst auch du als Leiterin der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt deine Arbeit ändern. Habt ihr noch mal einen anderen Blick bekommen, was zu tun ist?

[00:22:30.110] - Marlene Kowalski

Also wir haben jetzt aktuell sehr viele Runden mit tatsächlich den Vorständen, auch der Landesverbände. Wir haben jetzt seit fünf Wochen einen neuen Präsidenten bei der Diakonie, Rüdiger Schuch, der sich das Thema sehr auf die Fahne schreibt, der jetzt natürlich irgendwie auch ankam, in diesem Orkan schon und es war klar, das wird einfach Hauptthema jetzt am Anfang und jetzt einfach sagt, wir müssen der auch als Präsident sagt, wir müssen sozusagen unsere Einrichtung komplett jetzt infrage stellen und wir müssen alles dafür tun, schnell, dass hier eben andere Strukturen auch geschaffen werden und und das heißt auch, erst mal Menschen mit ins Boot zu holen, die das eben auch noch mal viel deutlicher verstehen. Und natürlich auch Leitungspersonen, also die Vorstände der Landesverbände, mit ins Boot zu holen, die dann natürlich in ihren Landesverbänden wirklich auch dazu beitragen können, dass das Thema dort gesetzt wird. Und das heißt natürlich ganz oft auch, Personal bereitzustellen, dass das Thema bearbeitet wird.

[00:23:32.690] - Nadia Kailouli

Und Personal eventuell auch zu entlassen, die dazu nicht bereit sind?

[00:23:37.520] - Marlene Kowalski

Ja, absolut ja. Ja, ja, also das ist auch was, wo wir auch tatsächlich drüber nachdenken müssen. Auch wenn Träger und Einrichtungen nicht bereit sind, sich auf bestimmte Standards, also wir wollen jetzt auch auf viel verbindlichere Standards hinwirken und dass wir sagen, es muss auch das scharfe Schwert geben, diese Einrichtung, wenn sie sich nicht darauf einlassen wollen, die zum Beispiel die Mitgliedschaft zu entziehen, dann zu sagen: "Ihr könnt nicht Diakonie sein, wenn ihr bestimmte Standards nicht erfüllt!" Und das ist ein Prozess, da muss man natürlich auch Menschen mit ins Boot holen, weil das hat ja auch was sehr Scharfes, aber ich finde das absolut wichtig, weil sonst können wir, glaube ich, nicht glaubhaft sagen, dass uns das Thema so wichtig ist, dass wir jetzt eben unsere Kultur auch verändern.

[00:24:19.370] - Nadia Kailouli

Gibt es Standards, die du uns einmal erläutern kannst, damit wir das konkreter wissen, was sind Standards? Woran sollte sich jede Einrichtung halten müssen?

[00:24:29.210] - Marlene Kowalski

Also jede Einrichtung sollte erstmal und das klingt banaler als es ist, jede Einrichtung sollte zum einen ein Schutzkonzept haben und wir wissen, dass das in den Einrichtungen der Kinder und Jugendhilfe nach SGB 8, also sozusagen nach staatlichen Regelungen ist das verpflichtend. Also alle Kitas, alle Jugendheime usw sollten das haben, aber bei vielen Einrichtungen ist das staatlich nicht verpflichtend. Also der Eingliederungshilfe, also Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen zum Beispiel oder Altenpflegeeinrichtungen. Wir wissen, dass es auch dort zu Übergriffen kommt, sehr tabuisiertes Thema, aber dass es dort staatlich nicht verpflichtend ist, Schutzkonzepte zu haben. Wo wir aber sagen, es braucht gerade in diesen Einrichtungen, wo besonders vulnerable Gruppen sind, braucht es Schutzkonzepte und es braucht Schulungen verpflichtend, also seien es drei- bis vierstündige Grundschulungen für alle Mitarbeitenden, gerade wenn sie im Pflegebereich sind, wenn sie mit Menschen mit Behinderung arbeiten, aber auch in der Altenpflege arbeiten, dass sie dann eben grundlegend auch mit Nähe und Distanz, mit Körperlichkeit, mit Intimität umgehen können. Und zum einen wissen, dass sie selbst nicht übergriffig werden, aber auch bereit sind, Übergriffe zu sehen und zu thematisieren zum anderen.

[00:25:38.780] - Nadia Kailouli

Wenn wir über solche Konzepte reden und über Schulungen reden und so, dann reden wir auch immer über das Geld, weil alles das kostet Zeit und es kostet Geld. Ist die evangelische Kirche bereit dazu und die Diakonie, das zu leisten, dieses Geld zu investieren?

[00:25:51.530] - Marlene Kowalski

Ich glaube, sie muss es. Ich hoffe und denke, das ist angekommen, dass es kein Weiter so gibt nach der ForuM-Studie, also dass es nicht möglich ist, jetzt zu sagen, okay, wir regen uns jetzt einen Monat lang auf und dann wieder Dienst nach Vorschrift, sondern dass jetzt wirklich alles in die Hand genommen werden muss. Und ich erlebe eine große Bereitschaft, sowohl in der Praxis, also viele, seien es auch Krankenhäuser, die mich anrufen, die sozusagen sagen, wir wollen Schulung, diese spezifische Beziehungen, Chefarzt-Patienten-Beziehungen, das ist noch mal was ganz Besonderes. Wie können wir hier sensibler werden? Bis hin zu Kitas und Altenpflegeeinrichtungen, die sagen, wir wollen da noch besser werden. Ich glaube, die Bereitschaft ist da, da mangelt es nicht. Aber natürlich müssen Strukturen geschaffen werden, und das ist auch eine unserer Aufgaben, würde ich sagen, da sozusagen Lobbyarbeit zu betreiben und zu sagen, dass das brauchen wir noch viel, viel umfangreicher und viel mehr.

[00:26:40.340] - Nadia Kailouli

Ja. Ich habe jetzt gerade so darüber nachgedacht, weil die Diakonie nun mal, ich weiß nicht, ob es der größte Arbeitgeber ist, aber es ist ein sehr, sehr großer Arbeitgeber. Und wenn wir jetzt eben über gerade sexualisierte Gewalt sprechen und dahinter aber so ein großer, so eine große Institution steht, frage ich mich gerade, ist das überhaupt so gut und förderlich, dass wir Pflegeeinrichtungen, Kindergärten, Schulen etc. ich weiß nicht, was noch alles so eng verhaftet haben mit der evangelischen Kirche, was die Aufarbeitung betrifft und die Freiheit, seine, ja seine Strukturen vielleicht zu verändern, weil man dann doch irgendwo ja mit drin hängt und dann vielleicht doch irgendwie Ängste dabei sind zu sagen: "Ach komm, das muss jetzt ja auch keiner wissen, das, der auch noch..."

[00:27:24.710] - Marlene Kowalski

Du meinst, dass es sozusagen besser wäre, wenn die nicht.

[00:27:28.700] - Nadia Kailouli

Wenn wir mehr Kitas und Pflegeeinrichtungen hätten, die unabhängiger wären?

[00:27:32.960] - Marlene Kowalski

Ja, das, das, das hoffe ich nicht, dass das die Schlussfolgerung ist, weil ich glaube, es steckt ja auch bei allem Diskurs über Missbrauch, es steckt ja auch viel Gutes darin. Also deswegen arbeite ich da ja auch, weil ich irgendwie denke, das hat ja auch, es ist ja auch was sehr, was sehr Förderliches und es ist Menschen zugewandt und es gibt sozusagen auch eine Grundhaltung, eigentlich der Nächstenliebe und der der Fürsorge für andere. Das ist ja auch, sind ja Werte, die finde ich sehr gut und sehr wichtig sind und die, die Diakonie ist gegründet worden vor jetzt 176 Jahren. Wir hatten letztes Jahr 175. Jubiläum in einer Zeit der großen Umbrüche, wo Johann Hinrich Wichern, der Gründer, gesagt hat, es reicht nicht, wenn wir Menschen von der Bibel erzählen. Wir müssen ihnen erst mal, wenn sie Hunger haben, etwas zu essen geben. Wir müssen sozusagen Menschen, die krank sind, erst mal pflegen. Wir müssen erst mal die Grundbedürfnisse auch versorgen. Und dass das, glaube ich, dieser Grundgedanke ist ja sehr, sehr gut und wichtig und deswegen hoffe ich das auch weiter sozusagen bei Kitas auch das Positive gesehen wird, dass auch in Kitas, wenn der Pfarrer kommt und mit der Gitarre singt, dass das auch was sehr sehr schönes haben kann. Mein Sohn ist in der evangelischen Kita und der berichtet da immer mit mit leuchtenden Augen davon, wenn der, wenn der Pfarrer kommt und sozusagen das hat, was sehr, das kann auch was sehr Förderliches haben. Aber es kann natürlich genauso destruktiv sein, wenn es dann instrumentalisiert wird.

[00:28:53.990] - Nadia Kailouli

Ja, umso wichtiger eben dann, dass alle mitspielen, will ich jetzt fast sagen und sich den Themen nähern wie Schutzkonzepte, Aufklärungsarbeit, Prävention, Weiterbildungsmaßnahmen etc. um zu sagen: "Wir ziehen da alle an einem Strang!" Und ich sage an dieser Stelle Marlene Kowalski, vielen Dank, dass du heute unser Gast warst.

[00:29:12.890] - Marlene Kowalski

Sehr gerne.

[00:29:13.180] - Nadia Kailouli

Ja, das war durchaus ein interessantes Gespräch und man hört ja bei Marlene raus: Die haben viel vor. Nur finde ich, man muss jetzt natürlich auch drauf gucken, was wird davon umgesetzt. Und da schauen wir von einbiszwei atürlich auch mit drauf. An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz herzlich mal bei euch bedanken, dass ihr uns so treu zuhört und dass ihr auch bei schwierigen Themen dranbleibt. Wenn ihr wollt, dann folgt uns doch gerne, abonniert unseren Kanal Und wenn ihr uns persönlich einmal schreiben wollt, dann könnt ihr das natürlich sehr gerne tun. Eine Email könnt ihr einfach schreiben an presse@ubskm.bund.de.

Mehr Infos zur Folge

Missbrauch. Das gibt es doch eigentlich nur da drüben bei den Katholiken. Das war so ungefähr die Haltung, wenn man mit Mitgliedern der evangelischen Kirche über sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sprechen wollte.

Seit Ende Januar geht das nicht mehr, denn da wurde die sogenannte „ForuM Studie“ vorgestellt, die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der evangelischen Kirche und in der Diakonie untersucht hat. 2.225 Fälle und 1.259 Täter und Täterinnen wurden bisher entdeckt.

Dr. Marlene Kowalski leitet die Fachstelle „Aktiv gegen sexualisierte Gewalt“ bei der Diakonie und gehört dem Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt an, das sich intensiv damit beschäftigen wird, was die Ergebnisse der Studie für die Diakonie und die evangelische Kirche bedeutet.

Bei einbiszwei erzählt sie, warum Schutzkonzepte allein nicht reichen, wie das „spezifische Milieu der Geschwisterlichkeit“ in der evangelischen Kirche für Missbrauch instrumentalisiert werden konnte und wie das war, als sie erfahren hat, dass sie ihre Zeit als Jugendliche bei Angeboten der Kirche mit einem Täter verbracht hat.

LINKSAMMLUNG:

Die ForuM Studie gibt es hier
forum-studie.de

Die Fachstelle „Aktiv gegen sexualisierte Gewalt“ der Diakonie
Diakonie Deutschland | Aktiv gegen sexualisierte Gewalt in Kirche und Diakonie

Eine Beratungsstelle für Betroffene im kirchlichen Kontext ist
Leuchtzeichen.de

Fachartikel (PDF) |Berichterstattung zu Missbrauch in der evangelischen Kirche
Chrismon | Zu viel Harmonie, zu wenig Kontrolle

Ein Artikel der Süddeutschen zu sexuellem Missbrauch in der Kirche
SZ | Chronologie der Aufarbeitung – Verlorene Jahre

einbiszwei – der Podcast über sexuelle Gewalt

einbiszwei ist der Podcast über Sexismus, sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt. einbiszwei? Ja genau – statistisch gesehen gibt es in jeder Schulklasse in Deutschland ein bis zwei Kinder, die sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Eine unglaublich hohe Zahl also. Bei einbiszwei spricht Gastgeberin Nadia Kailouli mit Kinderschutzexpert:innen, Fahnder:innen, Journalist:innen oder Menschen, die selbst betroffen sind, über persönliche Geschichten und darüber, was getan werden muss damit sich was ändert. Jeden Freitag eine neue Folge einbiszwei – überall, wo es Podcasts gibt. Schön, dass du uns zuhörst.

Wenn Sie Fragen oder Ideen zu einbiszwei haben:

einbiszwei@ubskm.bund.de

Webanalyse / Datenerfassung

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