Podcast | Folge: 96 | Dauer: 34:06

Wie kommen Frauen sicher durch die Nacht Lea und Pia?

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[00:00:02.180] - Pia Kuchenmüller

Viele Vorfälle passieren im Nachtleben. Wir sind rund um die Uhr erreichbar. 24 Stunden. Das heißt, wir wissen sehr genau, wie viel auch im Nachtleben passiert. Also 1/3 bis 1/4 unserer Betroffenen kommen - also 30 % - über die Rufbereitschaft. Das ist nachts, am Wochenende, an Feiertagen, nach dem Feiern. Das sind einfach Situationen, die einfach gekippt sind. Es kann genauso auch aus einer Partnerschaft bestehen, nachts wie eine Person, mit der ich geflirtet habe und mitgegangen bin. Oder dass eine Situationen übergriffig geworden von der einen zur anderen Seite. Oder ich habe was erlebt, was für mich nicht schlüssig war, bis hin natürlich zum Offizialdelikt auch einer Vergewaltigung.

[00:00:40.280] - Nadia Kailouli

Hi, herzlich willkommen bei einbiszwei, dem Podcast über Sexismus, sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Ich bin Nadia Kailouli und in diesem Podcast geht es um persönliche Geschichten, um akute Missstände und um die Frage, was man tun kann, damit sich was ändert. Hier ist einbiszwei. Schön, dass du uns zuhörst.

[00:01:03.450] - Nadia Kailouli

Feiern soll Spaß machen, tanzen, den Alltagsstress vergessen, Einfach mal locker unterwegs sein. Aber ganz so frei und locker ist es für viele und besonders für Frauen nicht. In Clubs, auf Festivals, bei Partys, in Bars kommt es besonders häufig zu sexuellen Übergriffen. Und auch der Heimweg ist oft alles andere als sicher. Hier setzt das Projekt "nachtsam. Mit Sicherheit besser Feiern" aus Baden-Württemberg an. Die Macherinnen wollen dafür sorgen, dass Frauen sicher durch die Nacht kommen. Und wie sie das anstellen, das erzählen sie uns jetzt selbst. Dann sage ich herzlich willkommen bei einbiszwei, Lea Dorn und Pia Kuchenmüller. Grüß euch!

[00:01:39.480] - Pia Kuchenmüller

Hallo.

[00:01:40.350] - Lea Dorn

Hallo.

[00:01:41.340] - Nadia Kailouli

Ihr seid Teil von "nachtsam". Das ist erst mal ein schönes Wort und gibt mir so ein gutes Gefühl. Grundsätzlich schon bei dem Wort "nachtsam", weil man weiß, okay, wir, wir passen irgendwie auf, das klingt da schon raus. Erklärt doch mal bitte, Was ist "nachtsam" Genau?

[00:01:57.150] - Lea Dorn

Genau. Wir sind ein Baden-Württemberg-weites Projekt und es geht bei uns um mehr Sicherheit im Nachtleben. Wir haben quasi die Landeskoordinierungsstelle, mit der wir das Projekt "nachtsam" umsetzen. Und die Koordinierungsstelle ist eben von Frauenhorizonte getragen, von der Frauenfachberatungsstelle hier in Freiburg. Und wir sind ministerial vollfinanziert. Und wir schulen das Nachtleben, also Clubs, Bars, Kneipen, Kollektive, temporäre Veranstaltungen, also alles, was so im Nachtleben feiert zu sexualisierter Gewalt und mehr Handlungssicherheit im Akutfall.

[00:02:28.410] - Nadia Kailouli

Jetzt ist es ja gerade im Club- ich glaube, fast jede, die schon mal feiern gegangen ist oder mehrmals feiern gegangen ist, weiß, wovon ich jetzt spreche. Und zwar dieses: Man ist im Club, man tanzt, man hat eine gute Zeit und irgendwas passiert dann, wo man sich denkt, nee, das war jetzt aber trotzdem irgendwie nicht okay, weil da war dann irgendwie die Hand irgendwo und eigentlich kenne ich den gar nicht und dann drehe ich mich um und dann steht da keiner. Und den, den ich anschaue, der sagt: "Ich war das nicht." Sind das solche Momente, wo ihr sagt okay, da wollen wir sensibilisieren, dass das eben No-Gos sind im Nachtleben für Frauen. Pia!

[00:03:02.620] - Pia Kuchenmüller

Ja, also genau, der Part "nachtsam" und konkrete Handlungsanweisungen sind mehr vom Team "nachtsam" getragen. Ich bin ja, ich sage immer, "nur" die Leitung hintendran. Ja, also es sind verschiedene Ebenen. Es geht um die gesamte Palette der Prävention, eben auch Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention, also auch wirklich einmal, wir sensibilisieren zum einen, wir machen darauf aufmerksam, aber auch: Wie begleiten wir Betroffene, also wie geht man mit Betroffenen um und was findet danach statt? Nachdem schon etwas stattgefunden hat, sind die drei Stränge. Das eine ist also in Schulung: Was gibt es überhaupt für Vorkommnisse, Was sind so Hotspots, wie du den ja auch angeführt hast, auf der Tanzfläche mit fremden Menschen? Wie gehen wir als Clubinhaber:in, Mitarbeiter:innen, als Team damit um, an der Tür, an der Garderobe, auf verschiedenen Ebenen? Aber auch dann vor allem wie, wie konzentrieren wir uns auf die Betroffenen? Was machen wir mit diesen Menschen, denen es vielleicht nicht gut geht? Wie kann man sich denen annähern und Hilfe anbieten? Was ist unsere Verantwortung und wo hört sie auch auf? Und dann kommt eben dieses ganze Netzwerk von "nachtsam", das sind die Beratungsstellen hintendran. Also welche Menschen gibt es noch, die mich unterstützen können, wenn es zu Vorkommnissen kam?

[00:04:07.180] - Nadia Kailouli

Das klingt so, dass die Leute, die halt in einem Club oder in einer Bar arbeiten, da eine ganz intensive Schulung durchleben müssen. Nun ist es ja aber so, dass gerade in Club oder Bars, da arbeiten vor allem auch junge Menschen, die sich irgendwie was dazuverdienen wollen, oft. Sind die da überhaupt offen für dann durch so ein Prozedere zu gehen?

[00:04:25.210] - Lea Dorn

Also es ist ganz unterschiedlich. Wir haben verschiedene Schulungsmöglichkeiten, die wir den Einrichtungen, also den Clubs zum Beispiel, anbieten. Die haben quasi eine Wahl zwischen einer 30, 70 oder 90 Minuten Schulung. Mit auch der Möglichkeit, zum Beispiel erst mal mit der 30 Minuten Schulung zu starten und dann später im Team die 90 Minuten Schulung noch zu erfragen oder das noch mal nach einem Jahr upzudaten. Das heißt, wir sind da relativ flexibel und gucken, wie das für die Einrichtung, für den Club, für die Bar passt. Genau. Und es geht darum, dass natürlich so viele im Team geschult sind. Und natürlich auch die verschiedenen Anlaufstellen, also dass Menschen von der Garderobe geschult sind, genauso wie Menschen, die an der Bar arbeiten oder an der Tür.

[00:05:01.040] - Nadia Kailouli

Könnt ihr erklären, wie so eine Schulung dann genau aussieht? Also wenn man jetzt 70 Minuten die Zeit findet und der Arbeitgeber sagt: "Hier, mach das doch mal bitte für unseren Club, wir wollen ein sicherer Club sein." Wie sieht dann so eine Schulung aus?

[00:05:14.270] - Lea Dorn

Die 30 Minuten und die 70 Minuten Schulung, das sind beides videobasierte Schulungen. Das bedeutet, ich kann mich bei uns über die Website, über den internen Bereich einloggen und dann die Schulung anschauen und die 90 Minuten Schulung, da sind wir quasi vor Ort beziehungsweise online, je nachdem wo die Schulung stattfindet. Und diese Vor-Ort-Schulung beziehungsweise Online-Schulungen übernehmen eben entweder wir von der Koordinierungsstelle oder Kolleginnen aus der Beratungsstelle. Und die Inhalte sind quasi bei allen drei Schulungen gleich. Wir starten immer zuerst damit, dass wir uns so die Grundlage anschauen: Was ist sexualisierte Gewalt, wo fängt sie an? Und dann auch einfach gucken, was hat überhaupt der Club oder die Mitarbeitenden für Fragen dazu? Und dann schauen wir uns eben so sechs Kernbausteine an. Und zwar einmal: Eure Gäste. Also wer kommt zum Feiern? Wie gestaltet ihr eure Party?, Wege und Licht: Wie schaut es quasi vor Ort im Club überhaupt aus, wie es mit den Fahrradständern et cetera? Und dann sprechen wir über Alkohol und Drogen und K.o.-Tropfen dann einmal über Bedrohung und erlebte Übergriffe, wo es eben auch noch mal darum geht, was mache ich denn eigentlich, wenn eine Person dann zu mir kommt? Und dann enden wir mit dem Heimweg. Das heißt, was kann ich da eben noch bieten?

[00:06:17.690] - Nadia Kailouli

Fangen wir doch mal bei den K.o.-Tropfen an! Also ich bin jetzt in dem Alter, wo ich jetzt nicht mehr - nicht weil ich alt bin, sondern weil ich sehr viel arbeite und die Wochenenden dann gerne auf dem Sofa verbringe - aber ich war durchaus dann vor, ich glaube vor einem halben Jahr das letzte Mal im Club und das war schon instinktiv bei mir drin: Ich stelle mein Glas nirgendwo ab. Ist das jetzt gut von mir oder ist das eigentlich traurig?

[00:06:40.490] - Lea Dorn

Also grundsätzlich versuchen wir in den Schulungen eher darüber zu sprechen, was kann der Clubbetreibende dazu beitragen und eben auch zu gucken, was ist für dich als feiernde Person der richtige Weg. Und wenn es für dich, für dein subjektives Sicherheitsgefühl ein gutes Gefühl ist, deine Bierflasche oder was auch immer du getrunken hast, bei dir zu behalten und es niemandem in die Hand zu drücken oder abzustellen, dann ist das quasi dein Weg, damit umzugehen. Aber uns geht es bei der Kommunikation eben auch darum zu sagen, dass es nicht in der Verantwortung der potenziell betroffenen Person liegt, ob jetzt in dieses Getränk K.o.-Tropfen reingemacht werden oder nicht. Das heißt das Ziel wäre natürlich ein Feiern, bei dem jede Person das Glas da hinstellen kann, wo sie möchte und kein unbefangenes Gefühl hat. Aber genau gleichzeitig, wenn du das für dein subjektives Sicherheitsgefühl brauchst und dann entspannter feiern kannst und dein Bier besser genießen kannst, dann ist das natürlich dein für dich guter Weg.

[00:07:31.330] - Nadia Kailouli

Jetzt werde ich mal ein bisschen kritisch, weil wenn ich dann an der Bar stehe, stehe ich immer dann an der Bar, wo irgendwie sehr viele gerade was zu trinken haben wollen. Und ich sehe die Barkeeperinnen dann eher in Stresssituationen, so nach dem Motto: "Keine Ahnung, wer jetzt dran ist, aber ich nehme den, der mir jetzt am nächsten ist und dann Zack, Bumm, Bier auf Gin Tonic, dies das, Wasser, ich weiß nicht was." Wie soll denn da eine Bar Person noch den Überblick behalten, wenn da irgendein Arsch ist, der irgendjemandem da jetzt auch noch K.o.-Tropfen reinbringt? Also ist das eine Wunschvorstellung, die eigentlich gar nicht zu realisieren ist, aufgrund des Stress, den man da hat an der Bar?

[00:08:06.400] - Pia Kuchenmüller

Also ich glaube, es geht darum, um die Kommunikation zur Sache. Also wir können nicht den Bartendern die Verantwortung geben, dass nichts in die Getränke gemacht wird. Es ist auch nicht eigentlich der Moment von über die Theke geben, sondern uns geht es um den Teil eben der progressiven Kommunikation, wenn man sie sensibilisiert und schult oder auch vor Ort noch mal Poster aufhängt, dass man sagt: "Leute, tut nichts in die Gläser rein." Also wir kommunizieren mit den potenziellen Täterpersonen und nicht: "Schützt eure Getränke". Und das ist einfach von der Stimmung her. Das macht eine andere Atmosphäre für alle. Also die Verantwortung liegt immer bei dem potenziell übergriffigen Personen und nicht bei denen, denen etwas passiert. Weil verhindern können es halt nur potenzielle Personen, die übergriffig sind und nicht diejenigen, indem sie die Flasche zu halten oder unter dem Pulli stecken. Oder man gibt es einer Freundin, wenn ich aufs Klo gehe? Oder einem Typen, mit dem ich geflirtet habe, gebe ich es in die Hand, sag: "Pass mal drauf auf." Die Wahrscheinlichkeit, dass es die Person ist, der ich in dem Moment vertraue oder eine Beziehungsebene stattfindet, die ist halt hoch. Ja, also es ist ja, es passiert ja irgendwo da, wo halt auch ein Kontakt zu Menschen stattfindet. Also irgendjemand hat ein Interesse daran, aber es liegt jetzt nicht primär bei den, bei den Veranstalter:innen. Die haben dann eigentlich eher- oder die Mitarbeitenden, die sollen dann wissen, wie reagiere ich wenn wenn Leute auf mich zukommen. Also, wie gehe ich mit der Situation um, die schon stattgefunden habe? Und nicht, wie verhindere ich eine Situation, die nur übergriffige Menschen eigentlich verhindern können?

[00:09:20.650] - Nadia Kailouli

Jetzt ist ja das Thema K.o.-Tropfen das eine Thema. Es ist ja tatsächlich schon eine Straftat, die man da begeht und ich glaube, man will jetzt auch keine Panik machen. Wir wissen von den Fällen, die passiert sind, die werden häufiger. Aber wir wissen natürlich auch, dass das auch Menschen sind, die das gezielt darauf ablegen, also Betroffene zu betäuben, oder keine Ahnung was. So, jetzt gehen wir aber mal dahin, dass manchmal jemand ein "Nein" nicht akzeptieren kann. Da ist ein Typ oder eine Frau und die findet jemanden gut und man quatscht die da an und man sagt so: "Nee, lass mich in Ruhe, ich habe keinen Bock auf dich.", "Ja, was ist denn los? Komm doch her. Jetzt sei doch nicht so! Wir wollen doch alle Spaß haben." Inwieweit sollte da ein Club oder Barpersonal drauf eingehen, wenn man solche Szenen miterlebt?

[00:10:05.600] - Lea Dorn

Also es gibt verschiedene Möglichkeiten, wenn ich das wirklich als Person beobachte. Also ich bin jetzt hinter der Bar und ich beobachte die Situation, dann kann ich natürlich zum einen mit meiner Kollegin oder meinem Kollegen, wer auch immer neben mir in der Bar steht, auch darüber sprechen. So: "Ist es eine Situation, die für dich auch komisch ist? Lese nur ich die als komisch?" Weil natürlich Grenzen, Verhaltensweisen, Umgang miteinander auch einfach unterschiedlich ist. Und dann haben wir so kleine Hilfekärtchen und mit denen kann ich dann zum Beispiel auf diese zwei Personen zugehen oder vielleicht auch auf die Gruppe, weil mehrere Menschen drumrum stehen und diese Kärtchen austeilen und damit quasi signalisieren: "Ich bin ansprechbar". Das steht auch hinten auf dem Kärtchen drauf: "Wir sind geschult, kommen auf uns zu", und kann so quasi in die Situation gehen und dafür eine Achtsamkeit schaffen und dann aber auch wieder gehen. Und dann kann zum Beispiel die Person, die sich vielleicht eventuell unwohl fühlt, danach auch noch mal auf mich zukommen. Und so kann ich eben diesen ersten Blickkontakt schaffen. Und wenn dann eine Person auch sagt: "Ja, ich fühle mich total unwohl", kann ich natürlich irgendwie Schritte einleiten. Wenn die Person dann sagt: "Nee, passt alles ist wunderbar", dann ist es natürlich auch wichtig, das dann zu beachten.

[00:11:07.910] - Nadia Kailouli

Unter den Mitarbeitern sind ja sowohl Frauen als auch Männer unterschiedlichen Alters. Inwieweit ist das Thema bei euch dann auch, dass man sich selbst eben nicht in eine Gefahrensituation bringen sollte, wenn man sich in Konflikte, ich sag jetzt mal, einmischt? Also wer hat dann sozusagen die Verantwortung zu sagen: "Ich gehe da jetzt rein, Ich merke, da fühlt sich die eine Person nicht mehr wohl, die wird zum Beispiel bedrängt." Inwieweit ist das Thema?

[00:11:33.860] - Lea Dorn

Also grundsätzlich gibt es in einem Club ja immer, also wenn wir jetzt in einem Club sind, eine Tür, es gibt verschiedene Verantwortungen, es gibt eine Abendleitung oder eine Veranstaltungsleitung. Und natürlich geht es immer darum, dass sich Personen nicht in Gefahr begeben. Und dass dann eben, also wenn ich jetzt das Gefühl habe, diese Situation ist vielleicht kritisch, dass ich dann eben auch weiß, an wen kann ich mich wenden, ist das dann ein Fall, den ich an die Tür abgebe? Ist das ein Fall, den ich mit meiner Veranstaltungsleitung bespreche? Ist es eine Person, die eh schon Hausverbot hatte und jetzt irgendwie heute wieder das erste Mal da ist? Und dass man sich diese Situation quasi individuell anschaut. Aber natürlich geht es in erster Linie darum, dass die Menschen sich nicht in eine Gefahr begeben, sondern das so gut besprechen können, dass sie sich gut mit der Situation fühlen und dann eben eventuell auf eine Tür etc. zugreifen können.

[00:12:19.000] - Nadia Kailouli

Du sprichst die Tür an, ja, du sprichst jetzt nicht von der Haustür, sondern von dem Türsteher oder der Türsteherin. Das sind ja oft die Menschen, wo man sagt: "Okay, da lege ich mich jetzt am besten mal nicht mit an." Die werden gezielt, also glaube ich, es ist mein Eindruck, so ausgesucht, dass die da vorne auch für Sicherheit in dem Sinne sorgen können, wer reinkommt, wer nicht reinkommt. Und wenn jemand fliegen soll, kommt der Türsteher rein und packt einen - die Szenen kennt man - und sagt: "So, Burschi, das war es dann heute Abend." Die Tür, die Türsteher, das ist ja auch oft der Bereich, wo es ja nicht immer diskriminierungsfrei vonstatten geht. Nicht jeder kommt rein, nur weil man die falschen Schuhe anhat, dies, das, Bums. Aber wie schult ihr denn jetzt Türsteher einen zu sagen: "Okay, wie kriegen wir da eine Sensibilität hin, dass bei uns das Thema Übergriffe, Belästigung, sexuelle Gewalt im Ganzen nicht stattfinden soll? Und wenn, dann gehe ich da mit so oder so um?"

[00:13:11.010] - Pia Kuchenmüller

Also es kommt immer darauf an. Schon immer ist es die Frage, sind die Teil des Teams? Also top! Oder sind die externe Sicherheitsfirmen? Dann wird es schwieriger. Wobei wir auch schon eine externe Sicherheitsfirma geschult haben. Also es gibt auch da Unternehmen, die sagen: "Oh ja, wir haben verschiedene Türsteher:innen und die wollen wir geschult haben." Und wenn man die als Part von der ganzen Sache sieht, also: Ihr habt die Verantwortung für dieses diskriminierungsfreiere Feiern, oder: Was ist Diskriminierung und wie gehen wir mit betroffenen oder potenziell betroffenen Menschen einfach um? Dann sind die schon sehr aufmerksam. Also die, die zur Schulung kommen und die dabei sind, die sind schon willens oder wollen das auch gut lösen und sich in das Team integrieren. Also ich glaube in dem Moment-, wir haben ja noch die Toilettenmenschen, zum Beispiel als Sicherheits- oder als externe Firma. Wenn man die Leute mit reinholt und auch diese Schulung anbietet, dann werden sie auf einmal zum Teil der Sache. Und dann geht es ja um eine Haltung, die darüber transportiert wird. Und damit verändert sich einfach generell was. Ja, also wenn man ihnen nicht nur sagt: "Verhalte dich so und so", sondern, "du wirst auch geschult, du kannst deine Fragen stellen und auch wir hören dir zu mit deinen spezifischen Fragen, weil ihr habt eine andere Verantwortung, wen ihr nachher reinlasst mit Gewalt, mit Übergriffen." Also die haben ja einen anderen Auftrag auch zu handeln gegebenenfalls, von ihrem Job her, also gerade wenn sie extern sind. Und wenn man sie mit integriert aus meiner Erfahrung und Schulung und ihnen zuhört, dann tauchen neue Möglichkeiten auf oder auch die Zusammenarbeit von der Theke und der Tür wird noch mal anders gefördert. Und das macht eigentlich immer einen positiven, bringt das Positives hervor. Was sagst du, Lea?

[00:14:37.300] - Lea Dorn

Voll, eigentlich genau, was du sagst. Und selbst wenn eine Person zum Beispiel nicht bei der Schulung dabei sein kann, neue Sicherheitsfirma, was auch immer, dann geht es auch immer dann darum, am Abend quasi bevor die Feiernden kommen, dann noch einmal Rücksprache zu halten: "Was ist dein Job, was ist mein Job?" Und da dann einfach noch mal ins Gespräch zu gehen und irgendwie Haltung dazu zu vermitteln oder eben zu sagen: "Wir haben an diesem Abend dieses und das Konzept." Das ist ja auch je nach Party, Location, Feiernden, was es für ein Event ist, ja auch immer sehr unterschiedlich. Und dass man dann davor noch mal ins Gespräch geht.

[00:15:07.760] - Nadia Kailouli

Welche Fragen haben denn dann die Türsteher an euch bei so einer Schulung? Weil ich kann mir vorstellen, das ist ja, also wenn man da die Verantwortung hat, ich meine, man hat sich den Job ja ausgesucht, das ist ja auch so ein bisschen, der Türsteher ist ja auch so eine Machtperson: "Ich entscheide jetzt kommst du rein, kommst du nicht rein." Aber wie kann denn ein Türsteher, das kann man ja wahrscheinlich gar nicht erkennen: "Den lasse ich mal lieber nicht rein, weil der war schon... Der sieht mir danach aus, dass..." Das kann man ja einem nicht an der Nasenspitze absehen. Wie soll ein Türsteher erkennen, macht der jetzt Stress oder macht er keinen Stress? Gerade was Diskriminierung und Übergriffe betrifft?

[00:15:41.780] - Pia Kuchenmüller

Der soll erkennen, der wird dazu gerufen, zum Beispiel an der Bar oder an der Situation. Der Job ist nicht präventiv zu gucken, wer wird aussortiert? Da wären wir wieder in einem diskriminierungskritischen Bereich, sondern die Schulung basiert darauf, zu sagen, wie könnt ihr gut zusammenarbeiten? Wo greift ihr? Wo ist es die Aufgabe oder auch vor allem der Türsteher, der Türsteherin in die letzte Person, die eigentlich Feiernde sieht, wenn sie den Club verlassen, um im Club zu bleiben. Das heißt, da ein Augenmerk drauf zu haben, wie geht es der Person? Geht es ihr gut? Geht sie freiwillig? Ist eine komische, aggressive Stimmung? Kann ich hier noch mal aktiv werden? Kommt mir das komisch vor und ich bin sensibilisiert dazu oder auch aufgefordert, im Rahmen von der Schulung, also von der Einrichtung zu sagen okay, ich frage noch mal nach ja oder anzubieten oder vielleicht auch zu wissen, da fährt ein Nachttaxi von der Gruppe oder eine einzelne angetrunkene Person oder eine Person, die mir so vorkommt, als ob sie unter anderen Substanzen steht. Einfach sensibler mit der Situation umzugehen und gegebenenfalls Hilfe anzubieten. Das ist eigentlich mehr der Part.

[00:16:35.500] - Nadia Kailouli

Das ist super, dass du das noch mal so erklärt hast, weil das kann man sich jetzt viel besser vorstellen. Und das macht natürlich total Sinn, dass wenn da irgendwie eine junge Frau aus dem Club geht und zwei Typen, die im Arm haben und die eigentlich den einen Fuß vor den anderen nicht mehr bekommt, dass man da vielleicht mal hinhört: "Hilft ihr ihr gerade oder ist sie vielleicht in der Situation, wo sie gar nicht sein möchte?"

[00:16:56.950] - Pia Kuchenmüller

Neben der Tür ist es auch die Garderobe. Die sind nämlich auch der Ort, wo die Leute sich so aufhalten, auf ihre Jacken warten und wo man so Stimmungen aufnehmen kann und die sonst so ein bisschen untergehen in diesem Bereich feiern, weil es ja nicht der klassische, die Tanzfläche, nicht die Bar und das sind auch Menschen, wo wir genau hinhören und ihnen sagen: "Ihr habt die Möglichkeit, vielleicht noch mal einen Blick auf eine kritische Situation zu werfen und ihr seid herzlich aufgefordert und eingeladen, das auch zu tun."

[00:17:18.610] - Nadia Kailouli

Mhm, jetzt sind wir schon vor der Tür, sozusagen. Dann machen wir doch da mal weiter. Der Abend im Club ist sozusagen vorbei. Man geht nach Hause. Da kann ja  keiner mehr dafür sorgen, dass man jetzt wirklich den sicheren Weg nach Hause hat. Inwieweit spielt dieses Thema der sichere Weg nach dem Club nachhause bei euch eine Rolle?

[00:17:37.500] - Lea Dorn

Wir enden mit dem Heimweg immer. Das ist quasi der letzte Baustein. Wir besprechen den eben genau, wie du auch gerade sagtest, damit, dass natürlich die Verantwortung, sobald die Person das Gelände verlassen hat oder die Bar verlassen hat, natürlich nicht mehr bei den veranstaltenden Personen liegt und es aber trotzdem darum geht, dass natürlich der Heimweg ein Ort ist, wo sich viele Menschen unsicher fühlen und dass man eben da gucken kann, was bietet die Region? Und diese Information liefern wir immer schon. Also wir informieren darüber, gibt es Frauennachttaxis? Fahren die öffentlichen Verkehrsmittel nachts? Gibt es verschiedene Apps, die die Stadt anbietet? Oder gibt es eben überregionale Angebote wie das Heimwegtelefon, auf das wir dann eben quasi aufmerksam machen und auch da eben mitgeben, dass solche Informationen irgendwie angebracht werden können an Toiletten, dass ich die Fahrpläne ausgedruckt habe. Und dann aber zum Beispiel den Feiernden auch kommuniziere: "Wenn du dich quasi auf dem Heimweg unwohl fühlst. Du kannst ja auch dein Handy hier kurz aufladen." Weil ich natürlich ein Heimwegtelefon oder einen Standort an Friends nur verschicken kann, wenn ich natürlich auch noch einen Akku habe. Und dass man da quasi zumindest so Begleitangebote bietet und eben Informationen darüber, wie ich vielleicht sicherer nach Hause kommen.

[00:18:41.920] - Nadia Kailouli

Wie reagieren die Clubs darauf? Sind die da, also könnt ihr mal Einblicke geben, wer kommt da so auf euch zu? Also ist das jetzt hier das Berghain aus Berlin? Die sagen: "Oh, wir brauchen jetzt auch mal so eine Schulung." Also was sind die Clubs? Wer sind die Bars, die so auf euch zukommen? Und wie ist so die Resonanz? Sind die dankbar dafür? Sagen die: "Ey, früher gab es hier Graffiti und so auf den Toiletten und jetzt hängen hier überall Plakate mit Hilfetelefon und ich weiß nicht was. Das zieht einem ja schon direkt irgendwie die Stimmung aus dem Tanzbein." Also wie ist da so die Reaktion?

[00:19:13.060] - Pia Kuchenmüller

Ich bette das mal kurz gesamtheitlich ein und dann speziell hast du vielleicht einen Einblick, Lea, kannst du geben. Also es ist ein landesweites Baden-Württemberg-Projekt, das heißt erst mal sind es einfach die Städte hier in Baden-Württemberg und es ist recht groß. Ein großes Flächenland mit 11 Millionen Einwohner:innen, die erst mal gezielt angefragt werden. Also es ist nicht so, dass die uns die Bude per se einrennen. Also erst mal mal mussten wir das Projekt ja bekannt machen, die Arbeit und Tausende von Clubs und Einrichtungen und Festivals anschreiben, kontaktieren, Listen erstellen und bewerben. Und es gab sehr viel positiven Rücklauf. Es ist aber schon natürlich, wir sind ein Angebot oder sagen wir mal ein Baustein unter vielen. Also die müssen Bestellungen machen Personalstruktur et cetera pp. Und dann kommt so ein Schulungsangebot und wenn man die richtige Person erwischt oder im richtigen Moment oder das aufploppt, dann sind die auch sehr willens, das zu tun. Wir haben jetzt 350 geschulte Einrichtungen, ungefähr in Baden-Württemberg in insgesamt 27 Städten und es wird sehr gut angenommen. Und jetzt, im vierten Jahr sind wir, ist es, haben wir, kommen viele auch wiederholt auf uns zu. Viele machen das regelmäßig sozusagen und sagen jetzt: "Wir machen das jedes Jahr einmal. Wir haben neue Personen." Die Fluktuationen im Nachtleben, Gastronomie und vor allem im Festivalbereich ist natürlich hoch. Es kommen kleine Einrichtung, also immer mehr Unis oder auch Fachschaften oder, ja, Mensapartys, kommen wirklich auch Firmen zum Teil auf uns zu und wollen das machen. Es kommt auch viel Zulauf. Also es ist so eine Mischung aus, wir akquirieren immer noch, gehen in die Akquise und die Menschen kommen auf uns zu. Aber eigentlich alle positiv. Also das und das sind auch große Clubs. Stuttgart hat jetzt zum Beispiel also das ist immer, wenn politisch jemand mitagiert, wenn wir Nachtbürgermeister:innen haben, wie jetzt in Stuttgart oder auch in Mannheim. Also die heißen dann mal Nachtmanager, mal Nachtbürgermeister oder wir haben eine Nacht- Wie heißt sie bei uns in Freiburg? Eine Nacht-?

[00:20:57.960] - Lea Dorn

Nachtkulturbeauftragte.

[00:20:59.610] - Pia Kuchenmüller

Beauftragte. Genau. Dann ist mehr Interesse auch von der kommunalen Seite aus da, großflächiger oder das in die Strukturen einfließen zu lassen. Oder die nutzen halt ihre Netzwerke und ihre Kommunikationswege, um das voranzutreiben. Und dann gibt es natürlich noch mehr Anfragen oder noch mehr Möglichkeit zu schulen, wenn es nicht so Einzelfälle bleiben.

[00:21:20.130] - Nadia Kailouli

Also ohne dass unser Gespräch schon zu Ende ist, finde ich, dass man das bundesweit ausweiten soll, weil ich das einfach so sinnig finde. Man denkt sich immer, mein Gott, da ist so viel passiert und da ist wieder was passiert. Und sowieso, da wo Alkohol ins Spiel kommt, passiert sowieso relativ viel. Und es ist einfach so schlüssig finde ich, dass man natürlich vorher einfach mal mit den Leuten spricht und sagt: "Ey, das ist ein Raum, Club hier, da kommen unterschiedliche Menschen zusammen auf einen Raum. Wie kriegen wir das hin, dass wir sensibilisieren für einen gewaltfreien und diskriminierungsfreien Raum?" Macht ja voll Sinn. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

[00:21:55.600] - Pia Kuchenmüller

Also erst mal ich gehe erst mal auf die Idee und dann noch mal auf das Bundesweite ein. Also die Idee, es ist nicht unsere. Die Idee ist entstanden tatsächlich vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration mit dem Innenministerium Baden-Württemberg, gekoppelt mit einer Arbeitsgemeinschaft mit den Frauenfachberatungsstellen Baden-Württembergs, um zu gucken, wie man die Istanbul-Konvention auf Landesebene gut umsetzen kann. Und das ist ein Projekt, das zur Umsetzung der Istanbul-Konvention entstanden ist. Also Gewaltschutz für vor allem Frauen, Mädchen und marginalisierte Gruppen. Und es wurde angeregt oder das Ziel war, möglichst flächendeckend zu schulen. Das heißt, wie kann man das machen? Das ist halt ein digitaler Ansatz. Natürlich würden wir Fachberatungsstellen am liebsten immer vor Ort und lange schulen. Eineinhalb Tage am allerliebsten. Es gibt so viel zu tun und zu sagen, aber wir haben halt ein Konzept geschaffen, das einfach weit greift, das einfach umsetzbar ist, das sehr fundiert erarbeitet ist. Ich sage es einmal mit Anführungszeichen, "dank Corona" hatten wir sehr viel Zeit für Recherche und Aufbereitung des Schulungskonzepts. Das hat da wirklich reingespielt. Das ist ein fundiertes, mit vielen Expert:innen erstelltes Konzept. Das greift, das niederschwellig ist, das nicht mit erhobenem Zeigefinger arbeitet und die Kernkompetenz ist und das ist auch wirklich wichtig zu sagen, sind die Fachberatungsstellen. Wir arbeiten mit insgesamt 27 Fach-, Frauennotrufen, Frauenfachberatungsstellen zusammen. Und es geht letztendlich um die niederschwellige, den niederschwelligen Zugang und die Betreuung von Betroffenen sexualisierter Gewalt. Das ist der Sinn dahinter, dass Leute, die betroffen sind, wirklich Hilfe und Unterstützung finden bereits vor Ort. Dass man dort, wo man aktiv werden kann und denen zur Seite stehen kann, aktiv wird und das ist letztendlich übergeführt wird an die Fachfrauen in den Beratungsstellen und die Fachmenschen. Und das ist wichtig, weil viele Vorfälle passieren im Nachtleben. Und wir von Frauenhorizonte, die ja Trägerin sind, sind es auch, unter anderem, weil wir eben was Besonderes haben, wir haben Akutrufbereitschaft, also wir sind rund um die Uhr erreichbar, 24 Stunden. Das heißt, wir wissen sehr genau, wie viel auch im Nachtleben passiert. Also 1/3 bis 1/4 unserer Betroffenen kommen, also 30 % über die Rufbereitschaft. Das ist nachts, am Wochenende, an Feiertagen, nach dem Feiern. Und umso unmittelbarer Menschen geholfen wird, umso schneller sie Hilfe in dem Hilfesystem finden, umso besser können sie in den Alltag zurückfinden. Umso besser können Sie Verantwortung abgeben und sich helfen lassen. Und deswegen sind diese Expertisen, diese Frauenfachberatungsstellen hintendran so elementar wichtig. Also die Koppelung von einem Club von der Stadt zu der Beratungsstelle. So ist es eigentlich entstanden. Das ist nicht primär dieses: "Wir machen eine tolle Kampagne, weil wir so gern Campaigning machen", sondern wie können wir die Betroffenen und potenziell Betroffenen finden? Also, dass sie uns finden, kommunizieren? Und wie können wir die Menschen, die mit Situationen auch oft überfordert sind, im Nachtleben unterstützen, damit sie wissen, wo sie weiter hinleiten können? Also wir sind so eine, die sind so eine Schnittstelle eigentlich.

[00:24:46.030] - Nadia Kailouli

Jetzt habe ich mir gedacht, man hat ja schon oft und auch zu Recht über die Politik geschimpft. In diesem Fall kann man ja wirklich mal sagen, da hat die Politik mal was auf den Weg gebracht von sich selbst, das muss man ja auch mal benennen, was uns allen am Ende sehr zugutekommt. Vielleicht könnt ihr uns noch mal ein bisschen Schilderungen geben. Gerade noch mal das Telefon. Was sind denn so die Vorfälle? Weil du ja gerade sagtest, gerade im Nachtleben bekommen wir mit, da passiert viel. Was sind so die Vorfälle, mit denen Menschen sich dann an euch wenden?

[00:25:16.450] - Pia Kuchenmüller

Ja. Was heißt es passiert viel. Nachts ist vor allem der Moment, wo die Menschen sich melden. Es kann was Akutes sein. Das kann aber auch eine Retraumatisierung sein, etwas, was hochkommt, was nachts passiert aufgrund von Ängsten. Das sind einfach Situationen, die einfach gekippt sind. Es kann genauso auch aus einer Partnerschaft bestehen, nachts wie eine Person, mit der ich geflirtet habe und mitgegangen bin. Oder dass eine Situation übergriffig geworden von der einen zur anderen Seite. Oder ich habe was erlebt, was für mich nicht schlüssig war, bis hin natürlich zum Offizialdelikt auch einer Vergewaltigung, die vorkommt. Was nach dem Feiern ist, das ist der Heimweg, wo ich mich nicht so wohlgefühlt habe, öffentliche Verkehrsmittel. Es ist aber auch eine Situation, die ich in dem Club erlebt habe, die mich dann sehr beschäftigt, wenn ich zu Hause war und die ich nicht unbedingt vor Ort anspreche, aber die mich dann betrifft. Also das sind einfach anfassen, antanzen, aber eben auch ein Date, das in eine falsche Richtung geht. Und wenn ich ein "Nein" sage, was du anfangs... Es wird nicht als "Nein" akzeptiert. Die Person respektiert meine Grenzen nicht. So was kommt vor. Und nachts ist, die Nachts ist halt grau. Nachts sind die Sorgen und Ängste stärker und die Bedenken. Und da ist es sehr hilfreich jetzt in unserem Fall aber die anderen Städte, die kein Akuttelefon haben, wenn sie daran teilnehmen, da weiß man trotzdem, ich kann halt am nächsten Tag anrufen. Oder es gibt immer das Hilfetelefon gegen Gewalt an Frauen, wo ich auch immer jemanden erreichen kann, die mir im Zweifelsfall sagen, jetzt ist zwar in Heidelberg der Frauennotruf nicht offen, aber da ist ja erst ein Kontakt da, schon mal der das geschult aufnimmt.

[00:26:41.190] - Nadia Kailouli

Ja. Jetzt gehen wir noch mal zurück in den Club mit "nachtsam". Wie erkenne ich denn als Clubbesucherin: "Ich kann mich jetzt hier anvertrauen." Also ich war gerade auf der Toilette und da ist mir jemand hinterhergekommen. Ich wollte das nicht so, woher weiß ich, dann, kann ich damit dann- Das ist ja auch immer so eine, so eine, ich will nicht sagen Scham, aber vielleicht auch so eine Scheu, jetzt in diesem Trubel, da zu dem Barkeeper oder zu der Tür oder zu dem Personal vor der Toilette zu gehen und zu sagen: "Hören Sie mal, das ist mir da gerade passiert." Also gibt es einen Sticker an der Bar: "Sag uns, sprich mit uns", oder so oder woher erkenne ich, das ist jetzt okay, das jetzt hier auch direkt anzusprechen.

[00:27:22.360] - Lea Dorn

Wir haben verschiedenes Plakatmaterial und Sticker, die die Clubs öffentlich aushängen können. Das können die sowohl eben, wie du gerade sagtest, zum Beispiel in der Toilette auch aushängen. Das kann in den Flur, das kann auch in den Eingangsbereich und auf dem Sticker steht "nur" in Anführungsstrichen drauf: "Wir sind geschult." Und auf den Plakaten steht dann eben dran: "Fühlst du dich unwohl? Wirst du belästigt? Sprich uns an, wir sind geschult und helfen dir." Und da ist aber eben auch zeitgleich immer unten ein kleiner Sticker mit der Beratungsstelle vor Ort. Das heißt, selbst wenn ich merke, ich möchte das jetzt gerade dem Barpersonal oder der Tür oder wem auch immer nicht anvertrauen, dann kann ich aber zum Beispiel dann auch wissen, okay, hier in Freiburg wäre dann Frauenhorizonte mal eine Anlaufstelle. Und dann haben wir gleichzeitig die geschulten Einrichtungen bei uns auf der Website auch noch gelistet. Das heißt, ich könnte auch im Vorfeld, wenn ich das möchte, gucken, wer ist zum Beispiel in Stuttgart geschult? Wenn ich heute Abend feiern gehen möchte. Und dann ist es im besten Fall noch über Social Media und Co schon von dem Club im Vorfeld kommuniziert oder bei einer Party: "Wir sind immer ansprechbar", dass es unten im Abbinder bei Social Media und Co steht.

[00:28:21.940] - Nadia Kailouli

Also man kann sich sozusagen ein Zertifikat holen und ein Label holen: "Wir sind geschult", dass die Besucherinnen sozusagen wissen: "Ah, dieser Club hat sich mit diesem Thema auseinandergesetzt. Das ist schon mal ein gutes Gefühl." Damit kann man sich belabeln, sozusagen?

[00:28:36.550] - Lea Dorn

Genau. Und sowohl diese Kommunikation nach außen eben, dass für die feiernde Person sichtbar ist: "Wir sind geschult", als eben auch ein persönliches Zertifikat für jede teilnehmende Person. Als Bestätigung, dass ich bei der Schulung teilgenommen habe. Und dann bekommen die eben noch interne Dokumente, wie eben wichtige Nummern von der Region, ein Handlungsleitfaden und andere Materialien, mit denen sie quasi dann auch arbeiten können, wenn eine Person zu ihnen kommt, dass sie da auch noch mal Unterstützung finden.

[00:29:00.910] - Nadia Kailouli

Gibt es an eurem Projekt gerade von Clubbesuchern auch Kritik? Also ich denke da jetzt gerade so an Männer, sorry, aber die sich denken so: "Ey. Ganz ehrlich, ich meine..." Also ich sage es mal ganz ehrlich, ich hatte mal einen Freund, der die Haltung hatte, ich gehe ja nur in den Club, nicht um zu tanzen, sondern um jemanden abzuschleppen. So, das war seine Grundhaltung. Wir sind nicht mehr zusammen - macht Sinn. So, aber jetzt denke ich mir so: Alles klar, wenn der jetzt da seine Versuche zum Beispiel startet da  - in seinem Wortlaut - und die Haltung haben ja einige Männer: "Ich gehe heute feiern, ich will was abschleppen." Und das funktioniert nicht, weil man gleich weiß, da kommt einer dazwischen, der sagt: "Hey, die möchte nicht, lass sie bitte." Ja, also der Mann bekommt die Chance, gar nicht mehr irgendwie standhaft zu bleiben, dranzubleiben - dies, das, diese ganzen Narrative und Theorien, die sich manche Männer so auferlegen. Bekommt ihr da oder melden die Clubs da irgendwas zurück, dass da Typen sind, die sagen: "Ey, ganz ehrlich, ihr seid voll die Spielverderber", in Anführungsstrichen?

[00:29:58.000] - Lea Dorn

Ich würde sagen, dass immer dann, wenn wir einen Schulungstermin ausgemacht haben oder die Schulung stattfindet, egal ob bei der 90 Minuten oder 30 Minuten Schulung, ist ja Interesse fürs Thema schon da. Und dann haben wir das natürlich so, dass es manchmal bei einzelnen Themen dann so Fragen kommen wie: "Ja, darf ich jetzt nicht mal mehr flirten?" Oder: "Was darf man denn noch?" Dass wir dann über solche Punkte sprechen, wo wir dann noch mal im Detail darüber sprechen, dass Flirten ja eigentlich auch was ist, was beide Seiten gut finden, währenddessen eine Belästigung kein Flirt ist. Weil da ist eine Person, findet das nicht gut. Und wenn, dann haben wir das im Gespräch quasi noch vorher, wenn wir eben in die Akquise gehen, dass jemand zum Beispiel sagt: "Das findet bei uns nicht statt, das Thema haben wir nicht." Das sind so Beispiele, wie wir da im Vorfeld noch mal genauer hinschauen. Aber immer dann, wenn wir die Schulungen eigentlich machen, haben wir schon ein gutes Zusammenspiel.

[00:30:44.150] - Pia Kuchenmüller

Generell muss man sagen, haben wir relativ wenig negative Kritik oder Feedback auf unsere Schulungsarbeit oder Kampagne. Aus verschiedenen Gründen, ich glaube, es ist einfach zeitgemäß und das Interesse ist da. Und das andere ist, wir versuchen wirklich von einer sehr faktischen auch, schon betroffenenzentrierten, auch emotionalen Sichtweise aus zu schulen, aber nicht mit moralisch erhobenem Zeigefinger. Also wir versuchen nicht nur mit einer links-woken Bubble zu reden und da geht es noch um Begrifflichkeiten, sondern es geht wirklich um Fakten. Und ein bisschen auch dieses: Es ist nicht dein Mindset, das primär angesprochen wird, sondern es sind die Regeln und die sollst du kapieren oder die Leute. Und nach den Regeln haben sie sich zu verhalten. Also unser Ziel ist es natürlich, alle zu erreichen und nicht nur mit denen zu reden, mit denen wir eh reden. Das ist ja immer die große Gefahr oder das Verführerische an so Konzepten, Kampagnen, dass man mit seiner eigenen Bubble oder mit den Leuten redet, die schon im Boot sind. Aber das ist ja nicht unsere primäre Zielgruppe. Es ist einfach ganz Baden-Württemberg und Menschen aus aller Welt, die in Baden Württemberg feiern gehen und allen Alters, auch wenn sie primär will ich mal sagen bis Mitte 30 wahrscheinlich sind, die Leute die feiern. Aber es wird relativ wenig. Es wird wenig angegriffen, ganz wenig Kritik, angegriffen gar nicht, sondern kritisch hinterfragt wird auch relativ wenig, weil es eben Raum ist zum Diskutieren. Diese Schulung ist ja das, wir gehen da rein und geben den Raum auch: "Wie ist es denn bei euch? Wie sieht es aus?" Also wir gehen ja nicht rein und sagen: "So muss es gemacht werden!" Sondern: "Okay, jetzt gucken wir euch eure Strukturen an, eure Möglichkeiten, eure Stadt, eure Gegebenheiten und wie können wir das anpassen, damit es passend ist?" Und das ist natürlich eine Einladung zu partizipieren.

[00:32:15.390] - Nadia Kailouli

Du hast mich jetzt oder ihr habt mich jetzt vor allem eingeladen, das nächste Mal vielleicht einfach mal in Baden-Württemberg feiern zu gehen, stand noch nicht auf meiner Agenda, aber ich glaube, Zeit wird's. Pia und Lea ich danke euch sehr, dass ihr heute unsere Gäste wart bei einbiszwei. Dankeschön.

[00:32:27.960] - Pia Kuchenmüller

Danke für die Einladung.

[00:32:29.160] - Lea Dorn

Danke.

[00:32:32.850] - Nadia Kailouli

Ja, also, Mensch, das sollte es wirklich bundesweit geben. Die müssten sich bundesweit vernetzen. Das fände ich super. Denn, also, ihr habt es ja gehört. Ich gehe auf jeden Fall jetzt bald mal nach Baden-Württemberg zum Feiern. Aber auch alle anderen Städte sollten sich daran ein Beispiel nehmen. Und ich finde, Pia und Lea sollten diese Schulung vielleicht auch mal beim Oktoberfest anbieten. Das fände ich doch mal ne Nummer, oder? Also wir verlinken das hier natürlich, "nachtsam" heißen die. Also jeder Clubbesitzer, Clubbesitzerin, Barbesitzer, Barbesitzerin macht da mit. Ich find's super stark.

[00:33:06.930] - Nadia Kailouli

Zum Abschluss hier noch eine wichtige Info: Wir bekommen von euch oft Rückmeldung und viele Fragen dazu, wie man eigentlich mit Kindern über sexualisierte Gewalt sprechen kann. Da kriegen wir zum Beispiel Fragen wie: "Soll ich mein Kind überhaupt fragen, ob da was passiert ist?" Oder zum Beispiel: "Wie sage ich meinem Kind, dass wenn Freunde zu Besuch sind und wir grillen, dass mein Kind nicht die Unterhose ausziehen soll?" Solche Fragen erreichen uns und dieses Thema beschäftigt euch und wir möchten euch dabei gerne unterstützen. Deshalb haben wir uns überlegt, regelmäßig eine Expertin einzuladen, die eure Fragen beantwortet. Einige von euch kennen Ulli Freund vielleicht schon aus der Folge 82 einbiszwei. Also schickt uns gerne eure Fragen an Ulli Freund per Email an: einbsizwei@ubskmbund.de oder schreibt uns auf Instagram. Ihr findet uns unter dem Handel "Missbrauchsbeauftragte". Wir freuen uns auf jede Frage von euch, die wir hier auf jeden Fall sehr respektvoll behandeln wollen.

Mehr Infos zur Folge

Feiern soll Spaß machen – tanzen, den Alltagsstress vergessen und vielleicht auch mal ein bisschen mehr trinken. Ganz so frei und locker ist es aber für viele und besonders für Frauen nicht. In Clubs, auf Festivals, bei Partys kommt es besonders häufig zu sexuellen Übergriffen und auch der Heimweg ist oft alles andere als sicher. Hier setzt das Projekt „nachtsam. Mit Sicherheit besser feiern” aus Baden-Württemberg an. Die Macher:innen wollen dafür sorgen, dass Frauen sicher durch die Nacht kommen und wie sie das anstellen, erzählen Pia Kuchenmüller und Lea Dorn bei einbiszwei. 

Die Kampagne wurde von der Beratungsstelle Frauenhorizonte Freiburg e. V. entwickelt und hat zum Ziel, das Nachtleben sicherer zu gestalten und das Bewusstsein für sexuelle Belästigung und Übergriffe zu schärfen. Veranstalter:innen und Clubbetreiber:innen können sich kostenlos anmelden und werden anschließend geschult. Die Schulungen sollen Handlungssicherheit im Umgang mit kritischen Situationen geben. Die Mitarbeiter:innen lernen, wie sie sexualisierte Gewalt erkennen und darauf reagieren können, wie sie Betroffene unterstützen können und wo sie weitere Hilfsangebote finden. Auch Festivals im ganzen Bundesland beteiligen sich an diesem Projekt. Lea und Pia, die das Projekt leiten und umsetzen, ist es dabei besonders wichtig, nicht nur die vermeintlich coolen Clubs und Festivals zu erreichen, die das Thema ohnehin auf dem Schirm haben, sondern vor allem auch die Dorfdiscos und Karnevalsvereine, die sich bisher noch nicht damit auseinandergesetzt haben.

Vor einembegrünten Hintergrund stehen zwei Frauen mittleren Alters in schwarzen T-Shirts hintereinander und schauen lächelnd in die Kamera - die vordere Frau trägt sehr kurzes Haar, die andere hat langes Haar

LINKSAMMLUNG:

Website von nachtsam
Zur Website

Sozialministerium Baden-Württemberg über nachtsam (2021)
Zur Pressemitteilung

nachtsam bei Instagram
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einbiszwei – der Podcast über sexuelle Gewalt

einbiszwei ist der Podcast über Sexismus, sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt. einbiszwei? Ja genau – statistisch gesehen gibt es in jeder Schulklasse in Deutschland ein bis zwei Kinder, die sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Eine unglaublich hohe Zahl also. Bei einbiszwei spricht Gastgeberin Nadia Kailouli mit Kinderschutzexpert:innen, Fahnder:innen, Journalist:innen oder Menschen, die selbst betroffen sind, über persönliche Geschichten und darüber, was getan werden muss damit sich was ändert. Jeden Freitag eine neue Folge einbiszwei – überall, wo es Podcasts gibt. Schön, dass du uns zuhörst.

Wenn Sie Fragen oder Ideen zu einbiszwei haben:

einbiszwei@ubskm.bund.de

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