Forschung | Pressemitteilungen | 11.04.2017

Rörig anlässlich Reform SGB VIII: „Endlich soll es eine gesetzliche Regelung zum Schutz vor sexueller Gewalt in Flüchtlingsunterkünften geben!“

Berlin, 11.04.2017. Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, sieht im Gesetzentwurf zur Reform des SGB VIII wichtige Schritte zur Verbesserung des Schutzes von Mädchen und Jungen vor sexueller Gewalt in Deutschland.
Rörig: „Ich bin erleichtert, dass mit der Neuregelung des §44 Asylgesetz endlich bundesweit geltende Schutzstandards für Flüchtlingsunterkünfte definiert werden und Träger von Flüchtlingsunterkünften verpflichtet werden sollen, Konzepte zum Schutz vor sexueller Gewalt umzusetzen. Bereits im Sommer 2015 habe ich entsprechende Mindeststandards für alle Flüchtlingsunterkünfte gefordert. Rund ein Drittel der geflüchteten Menschen in Deutschland sind Kinder. Tausende geflüchtete Mädchen und Jungen leben in Flüchtlingsunterkünften und sind dort tagtäglich der Gefahr von sexuellen Übergriffen ausgesetzt. Ich bin froh, dass Flüchtlingskinder in den Unterkünften jetzt den Schutz erhalten, der ihnen zusteht, und es nicht länger vom Zufall oder dem Engagement Einzelner abhängt, ob sie bei uns sicher aufwachsen können. Nun ist es an den Ländern, die Einhaltung der Schutzstandards vor Ort auch zu gewährleisten.“ Mit dem Gesetzentwurf reagiert die Regierungskoalition auf aktuelle und fachliche Herausforderungen in der Kinder- und Jugendhilfe und die sich verändernden Lebenssituationen von Mädchen und Jungen und ihren Familien in Deutschland. Die Reform sieht unter anderem eine bessere Beteiligung von Kindern und Jugendlichen vor sowie Qualifizierungen von Schutzinstrumenten und –maßnahmen und will die Kooperation im Kinderschutz verbessern. Rörig: „Ich freue mich, dass sich viele unserer Vorschläge zur Verbesserung des Schutzes vor sexueller Gewalt in dem Reformentwurf wiederfinden. Mit dem heutigen Wissen über Prävention und sexuelle Gewalt war es nicht zu verantworten, dass Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, denen oft durch Gewalt erheblich vorbelastete Mädchen und Jungen anvertraut werden, kein verpflichtendes und umfassendes Gewaltschutzkonzept vorweisen müssen. An diesen Orten muss alles dafür getan werden, dass Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt durch Mitarbeitende oder andere Jugendliche und Kinder bestmöglich geschützt werden. Mit der Reform des SGB VIII, §45, wird die Betriebserlaubnis jetzt endlich an ein Gewaltschutzkonzept gekoppelt.“ Rörig begrüßt auch, dass mit §14 Abs. 2 SGB VIII festgelegt werden soll, dass die Vermittlung von Medienkompetenz, wie sie das Gesamtkonzept des Bundesfamilien-ministeriums für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt vorsieht, künftig auch in der Kinder- und Jugendhilfe umgesetzt werden muss. Rörig fordert anlässlich der Reform erneut und weiterhin niedrigschwellige Angebote und eine angemessene personelle und finanzielle Ausstattung der Fachberatungsstellen. Er begrüßt, dass mit der Reform Beratungsstellen Kinder und Jugendliche jetzt auch ohne Kenntnis der Erziehungsberechtigten beraten dürfen, auch dann, wenn keine explizite Not- und Gefährdungslage vorliegt (§8 Abs.3 SGB VIII). „Der Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf Beratung auch ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten ist ein wichtiges Instrument zur Unterstützung von betroffenen Mädchen und Jungen, den wir bereits 2012 in einem Forderungskatalog zur Situation der Fachberatung in Deutschland festgehalten haben“, so Rörig, „ich bin froh, dass Kinder und Jugendliche jetzt die Möglichkeit haben, sich auch ohne Wissen der Eltern anvertrauen zu können!“ Rörig begrüßt außerdem die Neuregelungen zur Weitergabe von Informationen bei Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt (§4 KKG). Er warnt gleichzeitig davor, dass dies jedoch nicht dazu führen dürfe, dass beispielsweise Berufspsychologinnen oder Ärzte ihre wichtige Rolle für den Kinderschutz weniger verantwortungsvoll wahrnehmen und grundsätzlich von einer frühen Meldung an das Jugendamt Gebrauch machen könnten. Kritisch sieht Rörig weiterhin die Regelungen zum erweiterten Führungszeugnis (§72a Abs. 5 SGB VIII). Es sei hilfreich, dass mit dem Gesetz in den Einrichtungen dokumentiert und gespeichert werden könne, ob und mit welchen Inhalten ein erweitertes Führungszeugnis vorgelegen habe. Nach wie vor bestünden jedoch erhebliche bürokratische Hürden und praktische Probleme, insbesondere für Ehrenamtliche. Rörig: „Ich fordere eine Erleichterung des Verfahrens durch eine bereichsspezifische Auskunft des Bundeszentralregisters zu Einträgen im erweiterten Führungszeugnis. Dabei wäre ausreichend, den ehrenamtlichen Antragstellenden mitzuteilen, ob ein einschlägiger Eintrag vorliegt oder nicht. Eine Nennung weiterer Details wäre nicht erforderlich. Eine solche Lösung käme den Belangen des Datenschutzes und Bedürfnissen der Praktikabilität entgegen.“

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