Pressekonferenz Gruppenfoto
Pressemitteilungen | 14.09.2018

Betroffenenrat eröffnet heute weltweit größten Betroffenenkongress „MitSprache“ zu sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche

Am 14. und 15. September tagen über 250 Betroffene von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend sowie Unterstützer_innen beim zweiten Betroffenenkongress „MitSprache“ in Berlin. Erwartet werden internationale Aktivist_innen aus 12 europäischen und außereuropäischen Ländern sowie Bundesfamilienministerin Dr. Giffey, der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Rörig und Mitglieder der Aufarbeitungskommission in Deutschland.

Berlin, 14.09.2018. Heute startet der weltweit größte Kongress von Betroffenen für Betroffene von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Berlin. „MitSprache“ steht in diesem Jahr unter dem Motto „strong together – gemeinsam stark“. Der Kongress findet zum zweiten Mal in Berlin statt (erstmalig in 2016) und wird vom Betroffenenrat, einem Fachgremium beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), organisiert.

In Panels und Workshops werden Wissen und Erfahrungen ausgetauscht, politische Entscheidungen und Prozesse kritisch beleuchtet und konkrete Forderungen an die Politik erarbeitet. Aktuelle Themen, wie die Aufarbeitung des massenhaften Missbrauchs in der katholischen Kirche, werden ebenso diskutiert, wie der sexuelle Missbrauch in DDR-Heimen, im Sport und in den Wissenschaften. Die Reform des Opferentschädigungsrechts, Möglichkeiten der Prävention, die Stärkung der Fachberatung, die Schaffung von Schutzräumen für Betroffene ritueller Gewalt und bessere Verfahrensabläufe im Strafrecht sowie Forschungsfragen sind weitere Schwerpunkte. Eine Ausstellung mit Exponaten von Betroffenen zeigt vielfältige Formen der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Erlebten.

Betroffenenrat: „Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche geschieht nicht einfach schicksalhaft, sondern ist ein andauernder gesellschaftlicher Skandal. Allein in Deutschland sind rund eine Million Kinder und Jugendliche von sexueller Gewalt betroffen. Viele leiden bis ins hohe Erwachsenenalter unter den Gewaltfolgen. Bildungs- und Beziehungs-abbrüche, psychische Störungen, körperliche Erkrankungen aber auch dauerhafte Armut sind häufig Folgen erlittener sexueller Gewalt.. Auch sieben Jahre nach Ende des Runden Tisches „Sexueller Missbrauch“ werden Betroffene immer noch wie Bittsteller behandelt. Damals versprochene Hilfen und Reformen sind bis heute nicht oder nur unzureichend umgesetzt. So warten viele Betroffene seit über zwei Jahren auf die Bewilligung ihrer Anträge für Hilfen aus dem Fonds Sexueller Missbrauch. Die 2011 zugesagte Reform des Opferentschädigungsrechts ist bisher nicht erfolgt. Gemeinsam wollen wir auf dem Kongress die Stimme erheben, Missbrauch und seine Folgen sichtbar machen und so Gesellschaft und Politik in die Verantwortung nehmen. Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und die mit ihr verbundene Ausnutzung von Macht- und Abhängigkeitsstrukturen betrifft uns alle.“

Eröffnet wird der Kongress mit einem Grußwort des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig: „Die Einrichtung des Betroffenenrates im Jahr 2015 war ein wichtiger Meilenstein für die Beteiligung und Mitwirkung von Betroffenen auf Bundesebene. Den Mitgliedern des Betroffenenrates danke ich sehr für Ihre Unterstützung. Ihr vielfältiger biografischer und beruflicher Hintergrund ist eine große Bereicherung für meine Arbeit und alle Gremien, in denen der Betroffenenrat mitarbeitet. Die ehrenamtliche Arbeit dieses hoch engagierten Gremiums verdient unseren Dank und Respekt. Kindesmissbrauch ist ein weltweites Verbrechen, dass national wie global bekämpft werden muss. Hierfür brauchen wir auch zukünftig das Erfahrungswissen von Betroffenen. Die Inhalte des Kongresses „MitSprache“ machen deutlich, dass viele Fragen, Anliegen und Forderungen unbearbeitet bei den Verantwortungsträgern liegen. Ich hoffe, dass die Stimme der Betroffenen, auch dank dieses Kongresses, immer lauter wird und endlich auch die kinderschutzferne Politik in Deutschland erreicht!“

Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey: „Sexuelle Gewalttaten gegen Kinder und Jugendliche sind keine bedauernswerten Einzelfälle. Im Jahr 2017 wurden bundesweit ?über 11.500 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern erfasst. Die Dunkelziffer ist noch weit höher. Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Wir haben als Gesellschaft diese Taten zugelassen. Und wir sind alle mitverantwortlich dafür, sexuelle Gewalt in Zukunft zu verhindern. Das sind wir den Betroffenen und den Kindern, die heute und in Zukunft aufwachsen, schuldig. Schutz vor sexueller Gewalt ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass Kinder gut aufwachsen können. Der Betroffenenrat leistet dabei einen wertvollen Beitrag, für den ich sehr dankbar bin."

Betroffenenrat: „Ein Gremium wie den Betroffenenrat, das politisch gewollt und unterstützt wird, gibt es in anderen Ländern nicht. Diese Beteiligung Betroffener in politischen Strukturen ist uns Ansporn und Verpflichtung zugleich. Wir kritisieren, dass in Deutschland weiter viel zu wenig in Aufklärung, Prävention, Qualifizierung, Hilfen und Aufarbeitung investiert wird. Dies gilt für alle Ressorts auf Bundes- und Länderebene. Sexueller Missbrauch ist ein gesamtgesellschaftlicher Skandal, den wir nur dann beenden können, wenn es endlich gelingt, Täterstrategien zu durchkreuzen und Betroffene angemessen in Strafverfahren und darüber hinaus zu unterstützen. Betroffene Kinder, Jugendliche und Erwachsene brauchen individuelle Hilfen, schnell, unbürokratisch und angemessen - damit sie eine Perspektive für ihre eigene Zukunftsgestaltung haben.“

Die Vernetzung von Betroffeneninitiativen, sowohl national als auch international, ist ein weiteres Ziel des Kongresses, um künftig gemeinsam Themen noch deutlicher gesellschaftlich sichtbar zu machen. Wir wollen unsere Erfahrungen teilen und von anderen lernen. An der heutigen Pressekonferenz nehmen deshalb auch die internationalen Gäste Susan Serafico (Philippinen) und Peter Isely (USA) teil, die beide einen besonderen Fokus auf das weltweite Ausmaß von sexueller Ausbeutung und Menschenhandel sowie die Aufarbeitung von Missbrauch in Institutionen wie der katholischen Kirche werfen.

Vorgestellt wird auf dem Kongress auch erstmals das Magazin „BETRIFFT: ALLE“ des Betroffenenrates. Darin beschreiben die Mitglieder des Betroffenenrates in unterschiedlichen Beiträgen ihr persönliches Engagement, ihre gemeinsame Arbeit und ihre Anliegen und Forderungen an Politik und Gesellschaft. Das Magazin findet sich zur Ansicht hier und kann ab 15. September 2018 kostenfrei beim Unabhängigen Beauftragten bestellt werden unter: kontakt@ubskm.bund.de

Praktikumsplätze

Wir bieten regelmäßig Praktikumsplätze im Bereich Presse und Öffentlichkeitsarbeit/Social Media an.



Weitere Informationen: Zu den Stellenangeboten

Angebote und Projekte des UBSKM

Webanalyse / Datenerfassung

Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs möchte diese Website fortlaufend verbessern. Dazu wird um Ihre Einwilligung in die statistische Erfassung von Nutzungsinformationen gebeten. Die Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden.