Berlin, 25.03.2020. In der aktuellen Corona-Krise sind Familien vielfach lange und ununterbrochen zusammen, oft beengt und ohne Privatsphäre. Die starken Einschränkungen des öffentlichen Lebens können die Gefahr für häusliche und sexualisierte Gewalt erhöhen. Lehrer*innen, Erzieher*innen oder Sozialarbeiter*innen stehen nicht wie üblich als direkte Ansprechpersonen zur Verfügung. Freundinnen und Freunde sind nur eingeschränkt erreichbar.
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, äußerte sich erneut besorgt über mögliche Folgen der im Zuge der Corona-Krise notwendigen und einzuhaltenden Kontaktverbote: „Für Kinder und Jugendliche, die sexuellem Missbrauch in der Familie ausgesetzt sind, können die aktuellen Einschränkungen bedeuten, dass Täter und Täterinnen noch unbemerkter vom sozialen Umfeld sexuelle Gewalt ausüben können. Eine mögliche Gefährdungslage oder Zuspitzung einer familiären Krisensituation wird noch schwerer bemerkt werden, ein Kind in Not noch leichter aus dem Blick geraten. Aus der aktuellen Tatsache, dass Einrichtungen wie Schulen, Sportvereine oder Jugendzentren geschlossen sind, wo Missbrauch und andere Gewaltformen im familiären Kontext entdeckt werden könnten, können sich Szenarien ergeben, in denen Mädchen und Jungen ohne Aussicht auf Hilfe über einen nicht absehbaren Zeitraum Gewalt ausgeliefert sind.“
Aus der Quarantäne-Stadt Wuhan in China wurde weltweit bekannt, dass Gewalt in der Familie während der Zeit des dortigen Eingeschlossenseins zugenommen hatte. Laut einer Pekinger Frauenrechtsorganisation war die Zahl der Betroffenen von häuslicher Gewalt, die sich während der verordneten Quarantäne an die Hilfsorganisation gewandt haben, dreimal so hoch wie zuvor.
Auch aus Italien und Spanien, wo die Ausgangssperren bereits seit Längerem bestehen, gibt es ähnliche, erschreckende Zahlen.
Der Unabhängige Beauftragte rief dazu auf, Zivilcourage zu zeigen: „Es ist wichtiger denn je, nicht wegzuschauen, sondern zu handeln, wenn ein Verdacht oder ein „komisches Gefühl“ besteht. Schützende soziale Nähe und Verantwortung darf auch in Zeiten der Corona-Krise nicht aufgegeben werden.“
Der Betroffenenrat des UBSKM macht vor dem Hintergrund der Corona-Krise darauf aufmerksam, dass Hilfeangebote für Betroffene sexualisierter Gewalt aufrechterhalten werden müssen: “Als von sexualisierter Gewalt Betroffene wissen wir, wie sehr Kinder darauf angewiesen sind, dass ihre Signale wahrgenommen und dass sie gesehen und gehört werden. Ambulante Hilfen müssen in dieser Krise bei geschlossenen Kitas und Schulen intensiviert werden. Wir brauchen Online-Beratungsangebote für sexuell missbrauchte Kinder und ihre Freund*innen und viel bessere Bedingungen der Fachkräfte in den Jugendämtern. Auf jeder Lernplattform für Schulen müssen Ansprechpersonen für jene Kinder genannt werden, die Gewalt erleben. Schulen und Kitas müssen den Schutz der Kinder als wichtigstes Gut erkennen und gerade jetzt in ihren Lehrmaterialien aufgreifen! Beratungsstellen gegen sexuelle Gewalt und andere Themen des Kinderschutzes müssen unbürokratisch Sonderzulagen erhalten, Therapien für traumatisch belastete Kinder und Erwachsene ohne Antragstellung während der Krise finanziert werden. Wir rufen Therapeut*innen und Psycholog*innen dazu auf, Sitzungen per Video oder Telefon anzubieten.“
Diejenigen, die wissen wollen, wie sie ihr Kind oder ein Kind, das sie kennen, das bspw. in der Nachbarschaft lebt, schützen können, sollten sich kostenfrei und auf Wunsch anonym an das Hilfetelefon sexueller Missbrauch wenden. Hier bekommen sie auch Rat, wenn Sie unsicher sind oder Fragen zum Thema stellen möchten oder Entlastung, Unterstützung und Beratung suchen. Ein psychologisch und pädagogisch ausgebildetes Team mit langjähriger beruflicher Erfahrung im Umgang mit sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen hört zu, berät und gibt Informationen.
Hilfetelefon sexueller Missbrauch (kostenfrei und anonym): 0800-22 55 530
www.hilfetelefon-missbrauch.de
Online-Beratung für Jugendliche: www.nina-info.de/save-me-online Oftmals ist auch in örtlichen Fachberatungsstellen trotz der eingeschränkten Möglichkeiten eine telefonische oder digitale Beratung möglich. Bundesweite Adressen können am Hilfetelefon erfragt werden und sind hier zu finden: www.hilfeportal-missbrauch.de.
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