Pressekonferenz
Hilfe | Aktuelles | 10.11.2015

Fachgespräch „Schutzkonzepte gegen sexuellen Missbrauch in Schule“

Berlin, 9. November 2015. Auf Einladung des Unabhängigen Beauftragten und seines Beirates diskutierten heute Expertinnen und Experten aus Praxis und Forschung über schulspezifische Schutzkonzepte zum Schutz der Kinder vor sexueller Gewalt. Die Ergebnisse werden in eine Initiative des Beauftragten einfließen, die Schulen dabei unterstützen möchte, Schutzkonzepte zu entwickeln, umzusetzen und in Schulen zu tragen.

In Inputs und Diskussionsrunden wurde erörtert, wie Schulen passgenaue Schutzkonzepte erfolgreich entwickeln, umsetzen und im Schulalltag verstetigen können. Im Fokus standen dabei Faktoren, die zum Gelingen beitragen beziehungsweise Hürden, die die Einführung und Umsetzung erschweren, sowie Formen der Unterstützung und Hilfestellung, die Schulen helfen, Schutzkonzepte in den Alltag zu integrieren.

Folgende Inputs bereicherten die Diskussion:

  • Dr. Inken Tremel, Hanna Wallner, Deutsches Jugendinstitut: „Erkenntnisse aus den qualitativen Erhebungen zum Stand der Prävention sexualisierter Gewalt an Schulen im Rahmen des UBSKM-Monitoring“
  • Ursula Reichling, Susanne Korte-Sturm: „Praxisberichte aus einer Kölner Grundschule zu Entwicklung und Implementierung von Präventionsmaßnahmen: Unterstützende Faktoren“
  • Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Lösel, Universität Cambridge: „Erkenntnisse aus der Implementationsforschung: Gewaltprävention an Schulen“
  • Prof. Dr. Sandra Glammeier, Hochschule Niederrhein: „Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt Sexualisierte Übergriffe und Schule - Prävention und Intervention"
  • Prof. Dr. Ullrich Bauer, Universität Bielefeld: „ Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt Evaluation eines schulbasierten Gruppenprogramms zur Prävention von sexualisierter Gewalt (IGEL)“

Dr. Tremel und Wallner betonten aus qualitativer Forschungsperspektive, dass die Schulkultur ein wichtiger Gelingensfaktor für schulische Schutzkonzeptes sei. Es liege an einer gemeinsamen Haltung der Lehrkräfte, übergriffiges Verhalten von Erwachsenen gegen Mädchen und Jungen oder durch andere Jugendliche und Kinder zu verhindern. Befragungen von Lehrerinnen und Lehrer haben gezeigt, dass durch mangelndes Wissen eine große Unsicherheit im Themenfeld bestehe. Dieser Unsicherheit müsse dringend entgegengewirkt werden.

Reichling, Lehrerin, und Korte-Sturm, Schulsozialarbeiterin der Gemeinschafts-Grundschule Erlenweg in Köln, berichteten von den verschiedenen Präventionsmaßnahmen, die in enger Kooperation mit der Fachberatungsstelle Zartbitter e.V. an ihrer Schule umgesetzt wurden. Wichtig sei ein positiver Zugang über die Kinderrechte und ein partizipativer Ansatz, der Fachkräfte, Eltern und Kinder gleichermaßen einbeziehe.

Prof. Lösel zeigte anhand eines Querschnitts quantitativer Studien auf. Im Bereich Bullying/Mobbing erzielen viele Präventionsprojekte einen langfristigen Effekt, indem sie das Schulklima nachhaltig beeinflussen. Er betonte die Bedeutung der Evaluierung von Programmen im Bereich der Gewaltprävention an Schulen.

Prof. Glammeier konstatierte auf Basis der Umfragen von Lehrenden und Lehramtsstudierenden in Paderborn, dass das Thema gerade an weiterführenden Schulen noch kaum eine Rolle spiele.

Prof. Bauer stellte das Pilotprojekt „IGEL“ vor, das in sieben Modulen Prävention zum Thema für den Schulunterricht biete. Beide waren sich einig darin, dass eine große Herausforderung darin bestehe, die über Fortbildung erzielte Wissensvermittlung an Lehrkräfte auch in Handlungskompetenz zu übersetzen.

Alle Schulen brauchen Schutzkonzepte

In den anschließenden Diskussionsrunden betonten viele Teilnehmende, dass Schulen – unabhängig von Schulform und Altersstufe – Schutzkonzepte brauchen. Passgenaue Schutzkonzepte müssen gleichermaßen sexuelle Gewalt zwischen Erwachsenen und Schülerinnen und Schülern sowie sexuelle Übergriffe unter Mädchen und Jungen im Blick haben und auch sexuelle Gewalt mittels digitaler Medien berücksichtigen. Die aus der Forschung bekannten Fallzahlen (Hell- und Dunkelfeld) machen deutlich, dass alle Schulen bei der Prävention gefordert sind. Statistisch gesehen seien in jeder Schulklasse  ein bis zwei Schülerinnen und Schüler, die von sexueller Gewalt betroffen sind Lehrerinnen und Lehrer müssen hierfür sensibilisiert sein, Signale erkennen und wissen, welche Schritte sie im Verdachtsfall gehen müssen.

Schulen brauchen beim Schutz vor sexueller Gewalt Vernetzung mit den Beratungs- und Kinder- und Jugendhilfestrukturen vor Ort

Deutlich wurde in der Diskussion ebenfalls, wie wichtig die Öffnung und Vernetzung von Schule ist. Kinder- und Jugendhilfe wie auch Polizei seien wichtige Partner von Schulen. Eine große Bedeutung käme insbesondere der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit örtlichen Fachberatungsstellen zu. Sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für die Lehrerschaft und andere Fachkräfte an Schulen sei es wichtig, nicht nur über (Notruf-)Telefonnummern informiert zu sein, sondern konkrete Ansprechpersonen aus der Fachberatung zu kennen.

Allerdings seien die Fachberatungsstellen wegen mangelnder finanzieller und personeller Kapazitäten selbst oft überfordert beziehungsweise in einigen (ländlichen) Regionen kaum vorhanden. Wichtig sei daher, dass auch die schulspezifischen Dienste (wie zum Beispiel schulpsychologischer Dienst, Fachaufsicht) einbezogen würden, da hier die spezifischen Kenntnisse über schulische Strukturen und Verfahren vorliegen.   

Betroffenenrat: Wer offen über sexuelle Gewalt redet, hilft Kindern sich zu öffnen

Renate Bühn und Tamara Luding vom Betroffenenrat des Beauftragten betonten, dass betroffene Lehrerinnen und Lehrer Schülerinnen und Schüler entscheidende Signale senden können, wenn sie beispielsweise von eigenen Bewältigungsstrategien berichten. Nur wenn Erwachsene das Tabu brechen und über sexualisierte Gewalt reden, lernen Kinder und Jugendliche über eigene belastende Erfahrungen zu sprechen und können Hilfe erhalten.

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