In den Schreiben an die Bundesministerinnen, die gemeinsam mit dem Beirat beim UBSKM erstellt wurden, erneuerte der Betroffenenrat seine Forderung, dass die ergänzenden Hilfesysteme für Betroffene in der Familie und in Institutionen erst dann eingestellt werden dürfen, wenn das Opferentschädigungsgesetz (OEG) reformiert wurde. Dies entspricht auch den Intentionen des Runden Tischs „Sexueller Kindesmissbrauch“ vom November 2011.
Berlin, 20.11.2015. Im Rahmen seiner 4. Arbeitssitzung kritisiert der Betroffenenrat beim UBSKM die lange Bearbeitungsdauer bei Anträgen auf Hilfe aus dem sogenannten ergänzenden Hilfesystem (EHS): „Es ist für Opfer schlicht unzumutbar, regelmäßig monatelang auf eine Bearbeitung ihrer Anträge zu warten. Betroffene müssen sich darauf verlassen können, dass ihr Antrag auf Hilfen, um zum Beispiel begonnene Therapien fortsetzen zu können, auch umgehend beantwortet wird. Jede Verzögerung führt zu massiven zusätzlichen Belastungen der Betroffenen. Und das ausgerechnet durch eine Stelle, die auf Grundlage der Beschlüsse des Runden Tisches der Hilfe für Opfer verpflichtet ist. Das darf nicht sein!“
Der Betroffenenrat forderte deshalb die zuständigen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig nachdrücklich auf, die Möglichkeit von Eilanträgen zu prüfen. Auch ein beschleunigtes standardisiertes Verfahren bei eindeutigen Fällen könne die Bearbeitungszeiten deutlich reduzieren. Zudem müsse das EHS dringend bekannter gemacht werden, damit Opfer von ihrem Recht auf Unterstützung erfahren.
Der Betroffenenrat hat in seinen Schreiben an die Ministerinnen Nahles und Schwesig seine Expertise und Zusammenarbeit für politische Lösungen angeboten und eine klare Vernetzung der beiden zuständigen Ministerien bei der Abstimmung der Hilfeleistungen gefordert.
Betroffenenrat: „Da die im Koalitionsvertrag zugesagte Reform des OEG zu unserem großen Ärger durch die zuständige Bundessozialministerin Andrea Nahles auf sich warten lässt, dürfen die ergänzenden Hilfssysteme für Betroffene, angesiedelt beim Bundesfamilienministerium, nicht wie bisher geplant, bis Sommer 2016 auslaufen. Die besonderen Belange und Bedürfnisse von Betroffenen von sexualisierter Gewalt müssen absolute Priorität haben.“
Besonderes Augenmerk müsse auf den Anforderungen bezüglich Beweisbarkeit und Kausalität der gesundheitlichen Folgen des Missbrauchs in dem neuen OEG-Entwurf liegen: Bei typischen psychischen und physischen Gesundheitsschäden müsse viel stärker als bisher von einer Plausibilität in Verbindung zur Tat ausgegangen werden. Langwierige Verfahren erhöhten auch hier massiv das Leiden der Opfer. Kenntnisse über das soziale Entschädigungsrecht sind Spezialwissen. Der Betroffenenrat fordert daher eine kostenfreie anwaltliche Rechtsberatung für Opfer bereits vor der Antragstellung.
Betroffenenrat: „Damit gesundheitliche Schädigungen nicht chronisch werden, sind schnelle Hilfen essentiell. Fürsorgestellen müssen regionale Zentren mit ausgebildeten Case-Managern bundesweit installieren, um einen Gesamtplan im Sinne einer nachhaltigen Perspektive für die Opfer sicher zu stellen.“
Weiterer Schwerpunkt der Sitzung des Betroffenenrates war die Psychotherapieversorgung von Traumatisierten. Laut Empfehlung der S3-Leitlinie zur Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) soll allen Betroffenen eine Traumatherapie ermöglicht werden.
Betroffenenrat: „Die aktuelle Versorgungslage gerade innerhalb der Gesetzlichen Kranken-versicherung ist inakzeptabel. Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz droht jetzt sogar der Abbau von mehr als 4.000 Psychotherapiesitzen. Eine Überarbeitung der Bedarfsplanung ist daher dringend nötig.“ Darüber hinaus sieht der Betroffenenrat großen Verbesserungsbedarf in der Versorgung komplex traumatisierter Menschen. Die Forschungslage hierzu ist nicht ausreichend.
Der Betroffenenrat wird zum Thema Traumatherapie eine Stellungnahme erarbeiten und Bundesminister Hermann Gröhe zukommen lassen. „Eine an den individuellen Bedürfnissen Betroffener orientierte Traumatherapie muss unbedingt Teil der Regelversorgung werden“, so der Betroffenenrat.
Der Betroffenenrat erklärte abschließend: „Wir fordern von der Bundesregierung die ernsthafte Beachtung der Interessen von Betroffenen. Vier Jahre nach Ende des Runden Tisches müssen die Empfehlungen endlich umgesetzt werden.“
Der Betroffenenrat beim UBSKM hat sich im März 2015 konstituiert. Die 15 Mitglieder des Betroffenenrats haben sexualisierte Gewalt in den unterschiedlichsten Kontexten erlebt und arbeiten seit Jahren beruflich und/oder ehrenamtlich zu diesem Thema. Für das Themenfeld OEG und EHS arbeitet der Betroffenenrat mit dem Beirat des UBSKM in einer gemeinsamen Konzeptgruppe. Informationen zu den einzelnen Mitgliedern des Betroffenenrates (Kurzvita und Statement) sowie weitere Informationen zum Betroffenenrat finden Sie unter www.beauftragter-missbrauch.de (unter den Rubriken Betroffenenrat und Presse).
Kontakt für die Presse zu Mitgliedern des Betroffenenrates, beratendes Gremium beim Unabhängigen Beauftragten unter: presse@betroffenenrat-ubskm.de
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