Für Frauen, die in ihrer Kindheit sexualisierte Gewalt erfahren haben, stellen Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett eine besondere Herausforderung dar. Zentral für die Gesundheit von Mutter und Kind ist unter anderem ein möglichst hohes Maß an Kontrolle und Selbstbestimmung sowie damit ausreichende und richtige Informationen darüber, welche ärztlichen Untersuchungen unbedingt nötig sind und welche beispielsweise auch durch eine Hebamme des Vertrauens geleistet werden können. Eine Geburt im Krankenhaus mit dem Fokus auf medizinischen Interventionen und der oftmals wechselnden Betreuung kann mit einem starken Kontrollverlusterleben einhergehen. Eine Alternative kann eine Hausgeburt mit einer vertrauten Hebamme sein.
Immer wieder wird Frauen, die sich für eine Hausgeburt oder eine Geburt im Geburtshaus entscheiden, vorgeworfen, nicht im Sinne des Kindes zu entscheiden. Es gibt jedoch keine wissenschaftlich fundierten Belege dafür, dass eine Geburt im Krankenhaus sicherer ist. Für Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, birgt allein das Krankenhausumfeld mit scheinbaren Routineeingriffen, wie z. B. das Legen eines Zugangs oder das wiederholte Durchführen einer Ultraschalluntersuchung, ein Retraumatisierungsrisiko. Eine Retraumatisierung stellt dabei nicht nur eine enorme Gesundheitsgefährdung mit langfristigen psychischen Folgen für die werdende Mutter dar. Ebenso besteht für das Kind ein nicht unerhebliches Risiko, zum Beispiel durch ein mögliches Dissoziieren der Mutter unter der Geburt, sowie auch und insbesondere für die Bindung zwischen Mutter und Kind nach der Geburt.
Unter anderem schreibt der ergangene Schiedsspruch ab einer Überschreitung des Entbindungstermins um drei Tage zwingend eine fachärztliche Untersuchung vor, in deren Rahmen die Fachärztin/der Facharzt bestätigen muss, dass eine Hausgeburt unbedenklich ist. Hierdurch wird die Fachkompetenz der Hebammen in Frage gestellt. Schwangere Frauen werden verunsichert, zu einer ärztlichen Untersuchung gezwungen und somit in ihren Selbstbestimmungs- und Patientinnenrechten beschnitten. Wie Fachärzt_innen aus haftungsrechtlicher Sicht mit diesen Neuerungen umgehen werden, ist noch unklar. Liegt die Bescheinigung nicht vor, behalten sich die gesetzlichen Kassen vor, die Hebammenleistung einer Hausgeburt nicht zu bezahlen oder die betreffende Hebamme sogar von der Teilnahme am Kassensystem auszuschließen.
Der Betroffenenrat fordert Wahlfreiheit für alle Frauen bezüglich des Geburtsorts sowie die Sicherung und Finanzierung der freiberuflichen Hebammenbetreuung. Darüber hinaus ist die Forschungslage zu den Ausschlusskriterien sowie explizit zur Situation traumatisierter Frauen in der Geburtshilfe in Deutschland unzureichend und muss dringend verbessert werden. Frauen müssen über ihre Rechte und Möglichkeiten sowie die Notwendigkeit medizinischer Untersuchungen besser aufgeklärt werden. Fachärzt_innen, medizinisches Personal und Hebammen müssen bessere Fortbildungsmöglichkeiten erhalten und für die besondere Situation Überlebender sexualisierter Gewalt sensibilisiert werden.
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