Aktuelles | 26.04.2023

FACHGESPRÄCH ZU SEXUELLEM KINDESMISSBRAUCH IM DDR-SPORT

Missbrauchsbeauftragte Claus und Betroffene, die sexuellem Kindesmissbrauch im Sportsystem der DDR ausgesetzt waren, fordern mehr Hilfen und Unterstützung sowie eine klare Verantwortungsübernahme von Staat und organisiertem Sport.

Schwerin, 26.04.2023. Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Kerstin Claus, hat heute an einem Fachgespräch zu sexuellem Kindesmissbrauch im DDR-Sport teilgenommen. Veranstaltet wurde der Dialog von der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Kooperation mit der Landesbeauftragten für Mecklenburg-Vorpommern zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Im Rahmen der Veranstaltung diskutierten Betroffene sexualisierter Gewalt im DDR-Sport sowie weitere Expert:innen aus Sport, Politik und Wissenschaft über die Erfahrungen mit der Aufarbeitung von Kindesmissbrauch.

Missbrauchsbeauftragte Claus forderte in ihrem Statement mehr Haltung vom Sport, von der Politik und von der Gesellschaft. „Die Aufarbeitung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist eine gesamtdeutsche Aufgabe. Doch sexueller Kindesmissbrauch in der DDR ist bis heute stark tabuisiert. Bis heute warten Betroffene, die sexuellem Kindesmissbrauch im Sportsystem der DDR ausgesetzt waren, darauf, dass der Staat und organisierte Sport Verantwortung übernimmt, Missbrauchsfälle klar benennt und Betroffene bei der individuellen Aufarbeitung unterstützt“, so Claus. Es sei zudem beschämend, dass Betroffene hierbei immer wieder gegen die Wand laufen, nicht gesehen und gehört werden und keine Antworten und Hilfe erhalten.

Dr. Christine Bergmann, Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, betonte, dass es Betroffenen bis heute schwerfällt, über das Erlebte zu sprechen, Betroffene jedoch ein Recht auf Aufarbeitung haben – auch wenn inzwischen Jahrzehnte vergangen sind.

Anne Drescher, die Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, erklärte: „Das DDR-Leistungssportsystem begünstigte aufgrund seiner Macht- und Abhängigkeitsstrukturen, in denen Kinder und Jugendliche auf Höchstleistungen getrimmt wurden, auch sexuellen Missbrauch. Unsere Gesellschaft sollte erkennen, wie vergiftet die sportlichen Erfolge der DDR waren. Sie sollte dafür sorgen, dass betroffene ehemalige Sportlerinnen und Sportler gehört werden und notwendige Hilfen erhalten.“

Über die Verantwortung für Betroffene hinaus gelte es, auch Verantwortung für die Sportler:innen von heute zu übernehmen. Denn vom Sportsystem der DDR, in dem Siege oberste Priorität hatten und Abschottung wie Geheimhaltung Missbrauch begünstigten, sind Strukturen erhalten geblieben. Hochleistungssport und Kinderschutz schlössen sich, „so wie momentan die Strukturen sind“, gegenseitig aus, konstatierte Steffen Sindulka, Kinderschutzbeauftragter vom Landessportbund Thüringen.

Insgesamt wurde festgestellt, dass es über sexualisierte Gewalt im DDR-Sport an Wissen fehlt – ein weißer Fleck in Sportwissenschaft und Sportgeschichte – und es hierzu dringend mehr Forschung bedarf.

Weitere Informationen:

https://www.aufarbeitungskommission.de/service-presse/service/meldungen/fachgespraech-sexueller-kindesmissbrauch-in-der-ddr-fokus-sport/

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